Palästina-Israel-Konflikt: Der „neutrale“ Staat schlägt zu
Friedrichshain-Kreuzberg schließt zwei Mädchen- und Frauentreffs wegen vermeintlichem Antisemitismus leitender Mitarbeiterinnen. Die Empörung ist groß.
In der Bezirkspolitik gibt es nun vor allem Aufregung, weil der Stadtrat offenbar eigenmächtig handelte. „Kindler hätte den Jugendhilfeausschuss zumindest informieren müssen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung, René Jokisch, am Dienstag der taz. Die Grünen-Fraktion teilte mit, die fristlose Kündigung sei nicht nachvollziehbar: Eine „‚Gefahr im Verzug‘ wurde vom Stadtrat nicht begründet“, zudem habe der Ausschuss „das Jugendamt erst im Januar zu einer Mediation mit dem Träger verpflichtet“.
Es gab nämlich schon länger Streit zwischen Jugendamt und Träger: Nach taz-Informationen geht es dabei um den Umgang mit einem Nazi-Nachbarn von Phantalisa, der Mädchen den Hitlergruß gezeigt haben soll. Die Sprecherin des Bezirks sagte dazu auf Anfrage: „Es gab bereits Auseinandersetzungen zum überarbeiteten Konzept zwischen einem Mädchenzentrum und dem Jugendamt, das auf inhaltlichen Differenzen beruhte.“
Eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses soll nun klären, wie es weitergeht. Die Grünen betonten, das „intersektionale, queer-feministische Angebot“ des Vereins sei wichtig, es müsse „deshalb ohne Übergangszeit in der bisherigen Art und für die entsprechende Zielgruppe nahtlos fortgeführt werden“.
„Antizionistische Aussagen“
Der Verein, der mit vollem Namen Frieda Frauen*zentrum e. V. heißt, hat das Kündigungsschreiben vom 17. April selbst auf seiner Webseite und bei Instagram veröffentlicht. Darin erklärt Stadtrat Kindler, die Ziele der Kinder- und Jugendarbeit – wie Demokratiebildung und „Befähigung zu eigenverantwortlichem gesellschaftlichen und politischen Handeln“ – sei mit dem Verein nicht mehr möglich. Zur Begründung verweist er unter anderem auf einen Focus-Artikel von Oktober, wo die beiden Geschäftsführerinnen des Vereins und die Leiterin von Phantalisa bei einer „Mahnwache“ für Palästina zu sehen seien – angeblich nach Auflösung der Demo durch die Polizei und zum Teil vermummt.
Zudem habe eine der Geschäftsführerinnen, Shokoofeh Montazeri, auf ihrem privaten Instagram-Account „antisemitische und antizionistische Aussagen gegenüber Israel“ geäußert. Weiter wirft der CDU-Politiker Montazeri vor, als Rednerin beim Palästina-Kongress aufgeführt zu sein. Die von der Polizei am 12. April aufgelöste Veranstaltung war im Vorfeld von vielen Politikern und Medien als Treffen von „Israelhassern“ gelabelt worden, vor allem wegen des Veranstalters „Jüdische Stimme“ sowie wegen Rednern, die teils der Hamas nahe stehen. Montazeri wird auf der Kongress-Webseite als „antikoloniale Marxistin“ und „seit Jahren politisch aktiv im Rahmen von queer-feministischen, antiimperialistischen und antikolonialen Bewegungen sowie der Palästina-Solidarität“ angekündigt.
Ob diese Vorwürfe ausreichen, um einem Verein der Jugendarbeit die Trägerschaft zu kündigen, wird in der Kommentarspalte des Insta-Accounts von Frieda nun heftig diskutiert. Der Verein selbst erklärt in seinem Statement, man sei „schockiert“ über „die Ausspähung privater Instagram-Accounts von Mitarbeitenden“ und dass dem Stadtrat für eine Kündigung „bereits diffamierende Pressemeldungen genügen“.
Der Verein sieht sich als „Opfer des Musters von Repressionen und Einschüchterung“, von dem derzeit viele Menschen betroffen seien, „die sich mit der palästinensischen Bevölkerung solidarisieren und die eine genozidale Katastrophe abwenden wollen“. Dieser Umgang sei weder rechtsstaatlich, noch passe er zu den „demokratischen Grundwerten, denen wir uns in unserer Arbeit sowohl als Verein als auch als Sozialarbeiter*innen verschrieben haben“.
„Angriff auf unser Berufsbild“
In diesem Sinne erklärt sich auch der „Solidaritätstreff Soziale Arbeit“ aus Wedding solidarisch. Die Kündigung sei ein „massiver Angriff auf unser Berufsbild“, heißt es. Man habe als Fachkräfte den „bedeutenden Auftrag, aktiv für den globalen Frieden und soziale Gerechtigkeit zu streiten“.
Linken-Politiker Jokisch ist vorsichtiger: Man könne den Palästina-Kongress durchaus kritisch sehen, findet er. Aber ob die Frauen sich problematisch geäußert haben, sei unklar, die Anschuldigungen im Kündigungsschreiben seien viel zu vage. Richtig wäre gewesen, die Beschuldigten im Ausschuss anzuhören. „Man hätte darüber reden müssen.“
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