Palästina-Hilfe der UN: Hochkommissar auf Sammeltour
Die USA stellen ihre Zahlungen ans UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge ein. Die Organisation warnt vor der Politisierung humanitärer Hilfe.
In Krähenbühls Organisation herrscht Notstand, seit die USA vor zwei Wochen verkündeten, ihre finanziellen Mittel für die UNRWA einzustellen. Die 300 Millionen US-Dollar machten ein Viertel des Budgets aus. Wie geht es nun weiter mit der UN-Organisation, die vor fast vor 70 Jahren, nach der Gründung Israels, ins Leben gerufen worden war, um sich den vertriebenen palästinensischen Flüchtlingen anzunehmen?
Die UNRWA ist laut Mandat für über fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon, in Syrien und Jordanien zuständig. Über drei Millionen Menschen nutzen ihre Gesundheitseinrichtungen, eine halbe Million Kinder geht in ihre Schulen.
Die US-Entscheidung sende ein katastrophales Signal, kritisiert Krähenbühl. „Als 14-jähriger Schüler hat man in Gaza schon drei Kriege erlebt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent, bei Jugendlichen bei 65 Prozent“, sagt er im Gespräch mit der taz in Kairo. Die Bewegungsfreiheit sei stark eingeschränkt, kaum jemand könne Gaza verlassen. „Wenn wir jetzt noch die Schulen zu machen müssten, was für eine zusätzliche Frustration würde das schaffen?“ Das letzte, was die Welt jetzt brauche, sei ein weiterer Krisenherd im Nahen Osten.
200 Millionen US-Dollar fehlen
Momentan tourt der UNRWA-Chef um die Welt, um seine Finanzierungslücke zu schließen. Länder wie Japan, Indien und China haben Zusagen gemacht. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar haben jeweils 50 Millionen zugesagt. Aber dem UNRWA-Chef fehlen aufgrund einer Budgetlücke von 160 Millionen US-Dollar, die bereits vor der US-Absage bestand, immer noch 200 Millionen.
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hatte erklärt, eine zusätzliche Unterstützung „in substanzieller Höhe“ vorzubereiten, ohne eine konkrete Summe zu nennen. Maas forderte auch die anderen EU-Staaten auf, mehr Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsfähigkeit der Organisation stehe auf dem Spiel, schrieb er an seine EU-Kollegen. Sie sei besonders im Gazastreifen „ein Schlüsselfaktor für Stabilität“. Ihr Ausfall könne „eine nicht kontrollierbare Kettenreaktion auslösen“.
UNRWA-Chef Krähenbühl warnt vor einer möglichen neuen Flüchtlingswelle. „Wir erinnern uns, was passiert ist, als vor drei Jahren Millionen Menschen nach Europa flohen, darunter waren auch 50.000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien. Was werden die Menschen machen, wenn wir jetzt unsere Schulen schließen?“, fragt er.
Die UNRWA mache genau das, wovon die Europäer in der Fluchtdebatte redeten, argumentiert Krähenbühl. Sie helfe vor Ort. Die Organisation habe ein System aufgebaut, das es den palästinensischen Flüchtlingen ermögliche, in der Region zu bleiben. Niemand ist freiwillig Flüchtling, aber wenn es passiert, dann möchte man möglichst nah an seinem Umfeld bleiben“, erläutert er.
Zweitgrößter Arbeitgeber im Gazastreifen
Die UNRWA ist für die palästinensischen Flüchtlinge Sozialamt, Schul- und Gesundheitsbehörde in einem. Im Gazastreifen ist sie auch der zweitgrößte Arbeitgeber. „Wir hatten vor zwei Jahren im Gazastreifen 140 offene Stellen für Lehrer. Darauf haben sich über 14.000 Menschen beworben“, sagt Krähenbühl. Er fürchtet, angesichts des Geldmangels Menschen entlassen zu müssen. „Wenn wir im Gazastreifen jemanden entlassen müssen, findet er mit ziemlicher Sicherheit keinen Job mehr.“
Pierre Krähenbühl, UNRWA-Chef
Flüchtlingshilfe sollte niemals ein Instrument der Politik sein, kritisiert der UNRWA-Chef die Entscheidung Trumps, die Hilfsgelder einzustellen. „Das war eine politische Entscheidung und führt zu einer Politisierung der humanitären Gelder“, sagt er. „Wir arbeiten als Organisation in einem hochpolitischen Umfeld. Da muss man immer sicherstellen, dass sich die humanitäre Unterstützung nach den Bedürfnisse richtet und nicht nach politischen Fragen“.
Die Einstellung der UNRWA-Finanzierung seitens der USA geht einher mit dem Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem und der Ankündigung der Trump-Regierung vom Montag, die palästinensische Vertretung in Washington zu schließen.
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