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Pädagoge über Grüne-Pädodebatte„Das ist Charakterschwäche“

Der Pädagoge Manfred Kappeler wirft den Grünen vor, in der Pädophilie-Debatte herumzulavieren. Sie sollten jetzt ein Angebot machen.

Der Umgang von Daniel Cohn-Bendit mit dem Pädophilie-Vorwürfen sei „enttäuschend“, sagt Pädagoge Manfred Kappeler. Bild: dpa
Nina Apin
Astrid Geisler
Interview von Nina Apin und Astrid Geisler

taz: Herr Kappeler, Sie haben sich in den vergangenen Jahren mit der Vertuschung sexueller Gewalt in pädagogischen Einrichtungen auseinandergesetzt. Was halten Sie von der Art, wie die Grünen mit den Pädophilie-Vorwürfen umgehen?

Manfred Kappeler: Das Herumlavieren von Grünen-Politikern wie Daniel Cohn-Bendit oder Volker Beck finde ich enttäuschend. Es geht nicht darum, sich herauszureden, sondern Dinge genau zu benennen, die Fakten und die zeitgeschichtliche Lage.

Was hätten Sie von den Grünen erwartet?

Die Partei hätte schon vor einigen Jahren offensiv Stellung beziehen müssen, als man über sexuelle Gewalt am katholischen Canisius-Kolleg in Berlin oder der reformpädagogischen Odenwaldschule redete. Sie hätte von sich aus offenlegen sollen, wie es zum Beispiel zu der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule, Päderasten und Transsexuelle kam.

Diese Chance hat die Partei verpasst. Was nun?

Zumindest müssten Cohn-Bendit und Beck ihre Äußerungen von damals in den zeitgeschichtlichen Kontext stellen und klar sagen: Wir haben sexuelle Praktiken von Erwachsenen an Kindern damals falsch gesehen und beurteilt. Im Kampf gegen die Unterdrückung der Sexualität haben wir Grenzen, die uns heute selbstverständlich sind, nicht gezogen. Damit haben wir die Falschen ermutigt.

Bild: Nicolai Verlag
Im Interview: Manfred Kappeler

73 Jahre, ist emeritierter Professor für Sozialpädagogik und Autor des Buches „Anvertraut und ausgeliefert. Sexuelle Gewalt in pädagogischen Einrichtungen“ (2011).

Warum bleiben klare Worte aus?

Man könnte sagen: Das ist Charakterschwäche. Aber die Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern fällt ja den meisten Menschen schwer. Wir neigen dazu, eigene Irrwege zu vernebeln. Das gilt auch für eine Partei, die im Wahlkampf um ihre öffentliche Reputation bangt.

Glauben Sie, dass die Wähler schonungslose Offenheit honorieren?

Die Grünen könnten doch mutig klarmachen: Sie waren immerhin die einzige Organisation, in der es je eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema gab.

Und was war daran gut?

Im Rest der Gesellschaft griffen Mechanismen wie Vertuschen, Verschweigen, Verschieben. Dabei gab es sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen überall: in kirchlichen, staatlichen und anderen pädagogischen Einrichtungen. Die Grünen könnten übrigens auch mit Selbstbewusstsein darauf hinweisen, dass die ersten Projekte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt im linksalternativen Milieu entstanden.

Darunter waren wichtige Beratungsstellen wie Wildwasser oder Beratungsstellen für Stricher. Konservative Gruppen und Organisationen, die jetzt mit dem Finger auf die Grünen zeigen, haben in dieser Zeit außer Vertuschen und Verschweigen nichts auf die Reihe gebracht.

Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin lehnt eine Anlaufstelle der Grünen für Opfer sexueller Gewalt ab – weil bisher nur Einzelfälle bekannt seien und man die nicht den Parteistrukturen zuordnen könne. Zu Recht?

Nein, ich sehe das anders. Die Grünen haben eine Verantwortung für ihre Mitglieder und auch für andere Menschen aus ihrem linksalternativen Umfeld. Sie waren ja damals nicht nur eine Partei, sondern eine Bewegung, die die verschiedensten Milieus umfasste. Sie sollten deshalb klar sagen: Es ist wahrscheinlich, dass auch in unseren Zusammenhängen Kinder und Jugendliche von Erwachsenen sexuelle Gewalt erfahren haben.

Was halten Sie von einer eigenen Anlaufstelle für Opfer?

Eine Telefonhotline wäre die richtige Vorgehensweise, um Betroffene zu ermutigen, sich zu melden. Bei den Grünen gibt es ja sehr viele Pädagoginnen und Pädagogen, auch 35-Jährige, die damals noch nicht geboren waren. Wenn es aus diesen Reihen eine ausgestreckte Hand für die Opfer gäbe, das wäre doch mal was!

Bislang haben sich kaum Opfer aus dem linksalternativen Milieu zu Wort gemeldet. Ist es für sie besonders schwierig, ihre Geschichte öffentlich zu machen?

Zweifellos. Für Odenwaldschüler war es ungleich schwerer zu reden als etwa für Heimkinder. Das Paradoxe ist: Dort, wo eine nahe Bindung, eine tiefe Zuneigung verraten wurde, sind die Traumata tiefer. Diese Opfer können nicht so einfach sagen: Das Schwein hat mich brutal misshandelt – und sich mit dieser Distanzierung emotional etwas schützen.

Kann man es Opfern aus dem grün-alternativen Milieu denn erleichtern, ihr Gewalterlebnis auch zu offenbaren?

Ja, aber nur, in dem man selbst sagt: Wir haben Schuld auf uns geladen und wollen mit euch reden, sofern ihr wollt und könnt. Man muss ein Angebot machen, das ist eine Bringschuld.

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15 Kommentare

 / 
  • C
    cheika

    schon witzig,wie das Thema immer wieder hinweggeredet wird. Der TAZ z.B. stände es mal gut an, das Kapitel Katharina Rutschky aufzuarbeiten.....der Kampf, der da stattfand, war der zwischen Feministinnen und Sexisten, es ging um die Aufdeckung der Zurichtung von Frauen im Patriarchat mittels sexueller Gewalt und die Vertreibung (dieses) feministischen Inhaltes aus der grünen Partei. Ich erinnere: ganze frauenpolitische Landesverbände haben sich in den 90ern aufgelöst. Also Aufarbeitung - ist was anderes, denn wie kann man es schaffen, eine ganze Debatte in diesem Bereich zu führen, ohne das Wort Feminismus in den Mund zu nehmen?

  • G
    gesche

    @ole-lakshmi: danke für deine treffenden kommentare. angesichts der pädo-verteidiger hier verschlägt es mir die sprache. doch die typische taz-klientel?

  • B
    Bastler4711

    @Thomas Elias

     

    "... ob man Pädophilen Selbsthilfegruppen einen Raum geben soll oder muss. Und es gab und gibt gute Argumente dafür und dagegen."

     

    Mit 'Raum' meintest du vermutlich kein 'Zimmer' sondern die Möglichkeit, dass Pädophile sich ausleben können.

     

    Kannst du uns bitte erläutern, was gemeint ist mit "Und es gab und gibt gute Argumente dafür".

     

    Welche guten Gründe sprechen denn für Kindesmissbrauch? Und damit meine ich, aus Sicht des Kindes und nicht des Kinderfickers.

     

    Und wenn die Gründe soooo gut sind, warum findet sich dass nicht im Programm der Grünen?

     

     

    Wenn die gründe so gut sind wie du meinst, erkläre uns doh auch mal, warum dass dann nicht in jeden Kinder

    • @Bastler4711:

      Eine Selbsthilfegruppe muss sich treffen können. Dies geschieht zumeist in einem Raum. Auch Drogenselbsthilfegruppen treffen sich in einem Raum und diejenigen, die diesen Raum zur Verfügung stellen, benutzen selber nicht zwangsweise Drogen, noch sind sie Verfechter des Drogenkonsums.

       

      Gute Gründe dafür sind u.a. die Möglichkeit gemeinsam Wege aus der Veranlagung zu finden oder aber zumindest damit leben zu können, ohne kriminell zu werden. Auch Drogensüchtige geben sich oft gegenseitig Halt, wenn sie spüren, einem Rückfall nahe zu sein. So können auch Päderasten in einer Selbsthilfegruppe dafür sorgen, "clean" zu bleiben, wenn das Verlangen ruft.

       

      Im Wahlprogramm der Grünen werden Sie das nicht finden, weil Kindesmissbrauch in den Kommunen der 80er oder sonstwo niemals Parteiprogramm der Grünen war.

       

      Wie gesagt: Ein Plagiator aus den Reihen der CSU macht die CSU noch lange nicht zur Partei der Plagiatoren (auch wenn manche das gerne so hätten).

       

      Den Grünen hier Kindesmissbrauch anheften zu wollen, ist beknackt (so beknackt ich die Grünen auch finde, aber dies aus anderen, sachlichen Gründen)

  • G
    Gast

    @ELIAS Ich finde die Selbstgerechtigkeit der Grünen, die ich als junger Mensch auch gewählt habe, langsam erschreckend. Wer hohe moralische Maßstäbe als Monstranz vor sich herträgt, muss diese auch gegen sich gelten lassen.

     

    Hinzu kommen die merkwürdigen Dinge über die grüne Jugend, die ich einem Artikel des Focus entnehmen konnte.

     

    Anbei noch ein Artikel aus der heutigen Welt, der die Dimensionen des Missbrauchs bei den Grünen anreißt http://www.welt.de/politik/deutschland/article119964786/Die-Praxis-der-Gruenen-verschlaegt-mir-die-Sprache.html

     

    Sie mögen das alles anders sehen, das ist Ihr gutes Recht. Mir kann aber niemand erzählen, dass auch den aktuellen Führungskadern der Grünen diese Dinge unbekannt gewesen sein sollen.

    • @Gast:

      Danke, ich habe den Artikel gelesen. Ich bin selber zu dieser Zeit in Kommunen aufgewachsen und habe die Debatte mitbekommen.

       

      Was diesem Menschen passiert ist, hat nichts mit grüner Politik zu tun. Es ist eine Ungeheuerlichkeit und eine kriminelle Handlung und basta.

       

      Sätze wie; Wer das fordert, hat mit der Sache zu tun, sind doch pure Unterstellungen. Ich fordere auch Druckräume für Junkies und bin absolut frei von Drogen und/oder Suchtmitteln.

       

      Wenn heutige grüne Politiker Täter von damals sind, so müssen sie sich für Kindesmissbrauch verantworten - und wenn sie Mitgleider von SPCDF sind. Das kann man jedoch den Parteien nicht ankreiden.

       

      Keiner kommt auf den Gedanken, dass nach Guttenberg die CSU eine Partei der Plagiatoren ist - oder?

  • Die Trittin-Äußerung kannte ich noch nicht, aber sie wirkt genauso herzlos bürokratisch, wie man das anderen gerne vorwirft. Aber will man von jemandem mit Jürgens Vergangenheit auch anders erwarten. Empathie mit den eigenen Opfern ist halt im Klassenkampf nicht vorgesehen.

     

    Ein schwaches Bild. Da kann man nicht einmal eine oder zwei Azubinen für eine Hotline abstellen.

     

    Die grünen Multimillionäre, und das sind sie alle, wie sie dort stehen, Rezzo, Cem, Joschka, Claudia und Jürgen, könnten eine Anlaufstelle doch locker aus der Portokasse zahlen; aber die kleben am eigenen Groschen wie Dagobert. Schwaches Bild.

  • B
    Blabla

    Blablabla...Cohn-Bendit mißbrauchte Kinder und man wäscht ihn medial rein. Das war keine "Äußerung". Ob Beck kleine Jungs vergewaltigte weiß man nicht aber er forderte dafür Straffreiheit und das bis in die 90er. Ob er seine Äußerungen dazu "autorisierte" oder nicht ist mir sowas von egal. Der hat in der taz bereits seine Persilschein-Homestory bekommen. Über den Rest wird man soviel erfahren wie über die taz-Hilfe für RAF-Flüchtige. Zumindest Letzteres finde ich weniger schlimm als Kinderficken. Die taz hilft jedoch auch da bei der Reinwaschung. Die auf nach-der-Wahl verschobene "Aufklärung" de Grünen in Göttingen, der dunkelrotesten Uni Deutschlands, ist wie eine Aufklärung kirchlicher Skandale durch die Piusbrüder. Skandalös ist es wenn Buschkowsky den Zustand in seinem Kiez beschreibt, nicht wenn Grüne Kinder ficken oder Krieg führen.

  • S
    sabhuiu

    @ Guillerm Emmark: Woher willst du denn so genau wissen, dass das nichts passiert ist? Glaubst du etwa, die Opfer wären herumgelaufen und hätten jedem davon errählt? Da halte ich die Aussagen eines Experten schon für aussagekräftiger. Außerdem steht nirgendwo etwas von tatsächlichen Unterstellungen. Lediglich die Auseinandersetzung wird gefordert. Wenn es keine Opfer geben sollte, um so besser!!! Aber sich stellen sollte man den Vorwürfen schon. Alles andere ist feige.

  • KV
    kurz vor-Alt-68er

    Es geht schon lange nicht mehr um eine "Pädophilie-Debatte" bei den Grünen, es geht um viel mehr!

     

    Dieser Daniel Cohn-Bendit, etc. möchte in Europa eine Revolution von unten mit seinem Manifest anzetteln!

     

    Er glaubt, auf den Straßen Anno 1968 laufen zu können!

     

    Das ist doch völlig idiotisch!

     

    Wir leben im 21. Jahrhundert!

  • Da bedarf es weder einer Anlaufstelle, noch einer "Pädophilie-Debatte". Passiert ist nämlich - im Gegensatz zur Odenwaldschule und der Kath. Kirche - gar nichts. Die NRW-Stadtindianer waren eine Weile dabei, sind dann in den Achtzigern ausgegrenzt worden, ja und das war's schon.

     

    Das Buch "Der Bazaar" gibt auch nichts her, wenn man es denn, bzw. die notorischen "Stellen" mal liest. Viel Lärm um Nichts, ganz und gar unerträgliche Heuchelei sowohl in den Medien, als auch bei den inzwischen arg verspiesserten Grünen. Da muss dann natürlich auch noch ein Professor, hier ein emeritierter Sozialpädagoge, seinen seinen PC-Senf dazugeben. Widerliche PR-Aktionen!

    • O
      Ole-Lakshmi
      @Wilfried Kramme:

      Widerlicher Täterschutz-Kommentar.

  • G
    Gast

    Zu spät, Chance vertan. Man wird weder Cohn-Bendit noch Beck irgend etwas glauben. Auch hat man wohl immer noch nicht begriffen, dass man sich selbst nicht einfach für Schuldunfähig erklären kann ("zeitlicher Kontext") und damit alles erledigt ist. Das hat mancher mit verlorenem Dr.Titel auch geglaubt und wurde öffentlich platt gemacht. Wobei das Fälschen einer Doktorarbeit bei weitem nicht so schlimm ist wie das Ausnutzen des Vertrauens Schutzbefohlener. Das werden beide nie erkennen.

     

    Beide müssten das machen, was sie von anderen immer wieder -wegen geringerer Anlässe- gefordert haben: Sofort von ihren Ämtern zurücktreten. Dazu sind sie aber viel zu selbstverliebt und uneinsichtig. Besonderes Geschmäckle hat dabei noch die Funktion von Beck als Beauftragter für Menschenrechte. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Es bleibt im Halse stecken.

    • @Gast:

      Sie werden hier doch wohl nicht behaupten, Volker Beck hätte das Vertrauen Schutzbefohlener ausgenutzt?

       

      Damals hat die Schwulenbewegung darum gestritten, ob man Pädophilen Selbsthilfegruppen einen Raum geben soll oder muss. Und es gab und gibt gute Argumente dafür und dagegen.

       

      Es bedeutet jedoch nicht, dass man damit einverstanden war oder den Missbrauch von Kindern gar unterstützte oder aktiv betrieben hat.

       

      Wer für Drogenabhängige einen Druckraum fordert, befürwortet oder fördert damit ja auch nicht Drogenkonsum, sonder nur den pragmatischen Umgang mit Realitäten.

       

      Die Empörung darüber ist scheinheilig, denn alle anderen haben das Thema "unter den Teppich gekehrt". Die Schwulenbewegung hat den Diskurs ermöglicht und eröffnet.

       

      Hier Grünenpolitikern Kindesmissbrauch zu unterstellen, offenbart andere Motive.

      • O
        Ole-Lakshmi
        @Thomas Elias:

        Kardinal Meisner, sind Sie es?

         

        Streiche den ganzegn "Grünkram", setze "Pfaffenbegriffe" und schon wird ein passendes Statement des Vatican draus