Paderborn im Bundesliga-Abstiegskampf: Bereite Breitenreiter-Boys
Während die Konkurrenz im Saisonfinale Nerven zeigt, liegt Paderborn voller Selbstbewusstsein vorn. Ob der Trainer bleibt, ist fraglich.
PADERBORN taz | Die Chancen, André Breitenreiter auch kommende Saison in der Fußballbundesliga zu sehen, stehen gut. Die Frage ist nur: bei welchem Verein? Bereits vergangenes Jahr hatte der Trainer des SC Paderborn Begehrlichkeiten im Oberhaus geweckt. Nun zeigt Hannover 96 Interesse am 41-Jährigen, der eine Ausstiegsklausel besitzen soll. Nicht umsonst suchten die Niedersachsen nach der Entlassung von Tayfun Korkut ausschließlich nach einer Feuerwehrmann-Übergangslösung bis Saisonende.
Dass der ehemalige 96-Profi andernorts hoch gehandelt wird, interessiert Michael Born derzeit herzlich wenig. Der Sportdirektor des SC Paderborn weist darauf hin, dass sein Trainer noch einen Vertrag bis Sommer 2016 besitzt. „Wir möchten gern mit ihm weiterarbeiten und die Zusammenarbeit auch über dieses Datum hinaus fortsetzen.“
Und wer sagt denn überhaupt, dass Paderborn nicht kommende Saison eine Etage über 96 kickt? Aktuell trennt die beiden Tabellennachbarn nur die Tordifferenz. Während bei den Traditionsklubs aus Stuttgart, Hannover, Hamburg und Berlin die Nerven blank liegen, schöpfen die Ostwestfalen ihre Kraft aus der Ruhe.
Zwei Spieltage vor Schluss noch im Abstiegskampf mitzumischen, empfinden die Paderborner ebenso als eine Sensation wie der märchenhafte Aufstieg in die Bundesliga selbst. „Natürlich haben wir das gehofft“, so Born „damit rechnen konnte man aber nicht, weil wir mit Abstand die schlechtesten Rahmenbedingungen aller Bundesligisten haben.“
Gesundgestoßen in einem Jahr
Selbst in der Zweiten Liga rangierte der Etat nur im unteren Drittel. Mit der Paderkampfbahn steht dem Verein nur ein Trainingsplatz zur Verfügung. Das Jahr Bundesliga nutzte der Verein, um sich gesundzustoßen. Am 30. Juni gilt der SCP erstmals seit Jahrzehnten wieder als schuldenfrei. Statt kurzfristiger Transferoffensive wurde weitsichtig in die Infrastruktur investiert. Das neue Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum soll bis zum Jahresende fertig sein, sagt Born.
„In Paderborn werden die Möglichkeiten allerdings auch zukünftig überschaubar bleiben“, resümiert der Manager nüchtern. Doch durch den Aufstieg hat die Stadt das Fußballfieber gepackt. Die Zahl der Mitglieder wuchs von 1.800 auf 10.000 an, beim Auswärtsspiel in Dortmund begleiteten 8.000 Fans die Breitenreiter-Boys.
In Erinnerung geblieben ist die freche Art, mit der sich der Underdog lange behauptete. Die berauschende Hinrunde schloss Schwarz-Blau als Zehnter mit 19 Punkten ab, am Ende des 4. Spieltags war man sogar Tabellenführer. Eine Momentaufnahme für die Ewigkeit.
In der Rückrunde lief es allerdings deutlich schlechter. Man hatte zahlreiche Verletzte zu beklagen. „Außerdem“, erklärt Born, „war der Überraschungseffekt, der uns in der Hinrunde getragen hat, etwas aufgebraucht. Aber wir haben in den vergangenen Wochen die Kurve gekriegt und zuletzt wieder sehr gute Leistungen gezeigt.“
Mehr aus den Mitteln gemacht
Zum Saisonfinale ist das Selbstbewusstsein hörbar gewachsen. Nachdem Präsident Wilfried Finke Platz 15 als Ziel aussprach („Basta!“), ermahnt Breitenreiter nun sogar die Bayern, das Fair Play des Wettbewerbs zu wahren. In Zeiten der Hoffenheims, nun Ingolstadts und bald auch Leipzigs würden viele Fußballfans einen Verein wie Paderborn gerne weiter im Oberhaus sehen.
Paderborn tritt den Beweis an, dass sportlicher Aufstieg eben keine reine Frage des Gelds ist. Zwar hat der SCP mit Möbelmäzen Finke ebenso einen mächtigen Sponsor an der Spitze, ohne dessen Finanzspritzen der Verein nicht dort stünde, wo er jetzt rangiert, dennoch sind die Dimensionen verglichen mit Audi, VW, SAP, Bayer und Red Bull andere.
Vor allem dank des guten Scoutings hat der SC Paderborn viel mehr als das Erwartbare aus seinen Mitteln gemacht. Born ist bis in die unteren Ligen gut vernetzt. Akteure, die bereits abgeschrieben wurden, schlugen in Ostwestfalen sofort ein. Auch bewies der Manager mehrfach ein Auge für talentierte Trainer: Jos Luhukay, Roger Schmidt und auch André Breitenreiter feierten an seiner Seite ihren Durchbruch.
Will der Klub die neuen Ziele des Präsidenten erfüllen, bedarf es Konstanz an der Seitenlinie. Finke will sich ähnlich wie Mainz 05 und Augsburg mittelfristig in der Bundesliga etablieren. Der Klassenerhalt würde Paderborns Karten im Poker um seinen Trainer erheblich verbessern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin