PR von Greenpeace Energy: Hauptsache schöne Schlagzeilen
Der Ökostrom-Anbieter setzt auf intensive Pressearbeit. Die Botschaft ist dabei knackig – und der Umgang mit Fakten bisweilen eher kreativ.
Allein: Sie stimmte nicht. Wer das Konzept genauer ansah, merkte schnell, dass Greenpeace Energy die Kraftwerke und Tagebaue keineswegs selbst übernehmen will. Diese sollen – mitsamt der finanziellen Verantwortung für MitarbeiterInnen und die langwierige und teure Renaturierung der Tagebauflächen – an eine kommunale Gesellschaft übergehen, die dafür mit Steuermitteln unterstützt werden soll. Selbst beteiligen will sich der Ökostrom-Anbieter nur an einer Betreibergenossenschaft, die ehemalige RWE-Flächen pachten und dort Wind- und Solaranlagen betreiben will. Ziemlich zutreffend kommentierte RWE, es handele sich um einen „Vorschlag zulasten Dritter“, den man „kaum ernst nehmen“ könne.
Greenpeace Energy räumt auf Nachfrage lediglich ein, „dass wir noch präziser hätten formulieren können“. Einen Anlass, die vielfach übernommene Falschaussage aus der Pressemitteilung zu korrigieren, sieht Sprecher Michael Friedrich nicht. Stattdessen legte das Unternehmen im Dezember nach und veröffentlichte eine Umfrage, derzufolge 81 Prozent der Deutschen das Übernahmekonzept „befürworten“. Auch dabei wird getrickst. Denn die detaillierten Daten des Umfrage-Instituts Kantar Emnid zeigen, dass nur 29 Prozent der Befragten das Konzept „gut und unterstützenswert“ finden. Auf 81 Prozent kommt Greenpeace Energy nur, indem auch jene 52 Prozent, die den Vorschlag „interessant, aber schwer umsetzbar“ finden, kurzerhand zu „Befürwortern“ erklärt werden.
Doch auch hier geht der Plan auf: Das Unternehmen ist wieder als vermeintlich wichtiger Akteur präsent. Und darum geht es bei der Pressearbeit. Der Markt für echten Ökostrom ist hart umkämpft. Greenpeace Energy wächst zwar kontinuierlich, hat aber immer noch deutlich weniger KundInnen als die Konkurrenz von Lichtblick, Naturstrom und den Elektrizitätswerken Schönau (siehe Infobox).
Greenpeace Energy wurde im Jahr 1999 als Genossenschaft gegründet. Die Initiative ging von der Umweltorganisation Greenpeace aus, die auch die Kriterien für den gehandelten Ökostrom festlegt und den Aufsichtsratschef stellt. Ansonsten ist das Unternehmen vom Verband unabhängig. Greenpeace Energy belieferte 2017 rund 128.000 KundInnen mit Strom, 19.000 mit Gas. Der Umsatz lag bei 111 Millionen Euro.
Auf dem Markt reiner Ökostromanbieter konkurriert Greenpeace Energy neben diversen regionalen Firmen vor allem mit Lichtblick (542.000 Strom- und 83.000 GaskundInnen), dem von BUND mit initiierten und zertifizierten Naturstrom (213.000 Strom- und 22.000 GaskundInnen) und den als „Stromrebellen“ bekannt gewordenen Elektrizitätswerken Schönau (175.000 Strom- und 14.000 GaskundInnen). (mkr)
Kreativer Umgang mit den Fakten
Pressearbeit, die ihre aktive energiepolitische Rolle betont, machen alle diese Anbieter. Das ist nicht nur günstiger als klassische Werbung, sondern erreicht die Zielgruppe der politisch interessierten StromkundInnen wohl auch besser. Doch Greenpeace Energy buhlt besonders intensiv um Aufmerksamkeit. So klagte man jahrelang gegen die Subventionen für das geplante AKW Hinkley Point in Großbritannien – in der Sache zwar erfolglos, aber mit viel Publicity.
Und regelmäßig gibt der Strombetreiber Studien zu energiepolitischen Fragen in Auftrag und publiziert die Ergebnisse. Auch dabei zeigt sich bisweilen ein kreativer Umgang mit den Fakten. So verkündete Greenpeace Energy im Juni dieses Jahres: „Braunkohle-Ausstieg spart jährlich fast 28 Milliarden Euro.“ Nun hatte die dazugehörige Analyse des Thinktanks Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zwar durchaus zutreffend dargestellt, dass sich durch ein Abschalten der deutschen Braunkohlekraftwerke gesellschaftliche Folgekosten in dieser Größenordnung vermeiden ließen. Der Großteil davon sind jedoch Klimaschäden, die rund um den Globus anfallen (werden) und derzeit von niemandem erstattet werden. Zwar wäre es gut, wenn sich das ändert – aber wirklich „sparen“, wie in der Überschrift von Greenpeace-Energy behauptet, würde dieses bisher nicht ausgegebene Geld niemand.
Spannend klang auch eine Meldung vom April dieses Jahres: Aus regenerativem Strom erzeugtes „Windgas“ sei „in wenigen Jahren preiswerter als Erdgas“, schrieb Greenpeace Energy. Das wäre sensationell, denn derzeit kostet solches synthetisches Erdgas aus Windstrom etwa zehnmal so viel wie konventionelles.
Damit die optimistische Rechnung aufgeht, wird aus der zugrundeliegenden Studie des Beratungsunternehmens Energy Brainpool ein Szenario mit speziellen Annahmen ausgewählt. Neben einer Senkung der Fixkosten um 88 Prozent geht die Rechnung davon aus, dass der für die Herstellung des Gases benötigte Windstrom fast kostenlos zur Verfügung steht, während sich der Preis für fossiles Erdgas durch eine hohe CO2-Abgabe mehr als verdoppelt. Erreicht werden diese Annahmen in der Studie zudem im Jahr 2040 – im Sprachgebrauch nicht unbedingt „in wenigen Jahren“. Doch solche Feinheiten würden wohl nur stören im Kampf um die gute Sache – und neue KundInnen.
Offenlegung: Neben seiner freiberuflichen Tätigkeit als Umweltjournalist, in deren Rahmen er als Co-Autor an diesem taz-Artikel mitgearbeitet hat, ist Jörg Staude als Redakteur und Co-Geschäftsführer für das Online-Medium klimareporter° tätig. Dieses wird zu einem kleinen Teil finanziert vom Mitherausgeber Gero Lücking, der zugleich Geschäftsführer beim Ökostromanbieter Lichtblick ist, einem Konkurrenten von Greenpeace Energy. Die redaktionelle Verantwortung für den Text lag bei taz-Redakteur Malte Kreutzfeldt.
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