Oxfam-Beschwerde gegen Supermärkte: Rewe, Aldi und Edeka am Pranger
Die Supermärkte verkaufen Bananen von Plantagen, auf denen Arbeitsrechte missachtet werden: Oxfam legt Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz ein.
Sein Name könne auf einer schwarzen Liste von organisierten Arbeiter:innen stehen, so die Vermutung von Anchia. Diese teilt Didier Leitón, kann sie aber nicht belegen. „In Costa Rica haben Gewerkschaften einen schweren Stand. Unser ureigenes Gewerkschaftsrecht, das Recht auf Tarifverhandlungen, können wir nicht wahrnehmen, dürfen Plantagen nicht betreten“, kritisiert Leiton. Er ist langjähriger Sekretär der Gewerkschaft Sitrap und derzeit in Berlin, um über diesen und andere Fälle von Verletzung grundlegender Gewerkschaftsrechte zu berichten. Am Donnerstag hatte er einen Termin im Arbeitsministerium in Berlin.
Der Grund dafür liegt auf der Hand. Denn Bananen, Ananas und Co aus Costa Rica landen in deutschen Supermärkten – und das seit dem 1. Januar 2023 geltende Lieferkettengesetz verpflichtet Ketten wie Edeka, Rewe, Aldi und Lidl zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in ihren globalen Lieferketten. Es gilt derzeit für Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten.
Verstöße können beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) angezeigt werden – und genau das hat Oxfam gemeinsam mit zwei Gewerkschaften aus Costa Rica und Ecuador gemacht. Unterstützt wird die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation dabei vom katholischen Hilfswerk Misereor und den Juristen des Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR). Je nach Schwere des Verstoßes kann ein Bußgeld von bis zu acht Millionen Euro oder zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden.
Anzeige vor Ort nicht erfolgversprechend
Bezeichnend dabei ist, dass weder in Costa Rica noch in Ecuador derartige Fälle gute Aussichten haben, geahndet zu werden. In beiden Ländern ist die Justiz laut den Gewerkschaften Sitrap und Astac nicht unabhängig, agiere oft im Interesse der Unternehmen. Umso wichtiger sei die Option, massive Arbeitsrechtsverstöße im Rahmen des deutschen und zukünftig auch im Rahmen des europäischen Lieferkettengesetzes anzuzeigen, meint Jorge Acosta, Koordinator des Gewerkschaft der Plantagenarbeiter:innen und Kleinbauern (Astac) aus dem ecuadorianischen Guayaquil.
Das Astac-Anwaltsteam hat sich mit dem deutschen Lieferkettengesetz vertraut gemacht und minutiös Arbeitsrechtsverstöße durch Unternehmen wie Otisgraf dokumentiert. Das ecuadorianische Unternehmen mit deutschen Besitzern war bis Juli Lieferant von Rewe. Derzeit ist es nach von Astac vorgelegten Beweisen für die Verfolgung von Gewerkschaftsmitgliedern, der Diskriminierung von Frauen bei der Lohnzahlung und der Ausstellung zahlreicher Teilzeitarbeitsverträge, obwohl in Vollzeit gearbeitet werde, von der gemeinnützigen Zertifizierungsgesellschaft Rainforest Alliance sanktioniert worden.
Bis zum Jahresende verfügt Otisgraf nun über keine Zertifizierung und kann deshalb keine Bananen absetzen. Experten halten die Sanktionierung für positiv, aber für viel zu selten. Die Rainforest Alliance muss sich seit Jahren die Kritik gefallen lassen, dass ihre Audittermine vorab bekannt sind und sich die Unternehmen so vorbereiten können.
Diese Kritik teilt auch Oxfam. Nun sei es am Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, der Beschwerde nachzugehen, die Dokumente analysieren und den Supermärkten konkrete Anweisungen zu geben, sagt Franziska Humbert von Oxfam. Bei Nichterfüllung drohen Bußgelder. Für Oxfam und auch für die Gewerkschaften Astac und Sitrap ist die Beschwerde der Lackmustest, ob das deutsche Lieferkettengesetz funktioniert. Darauf hofft auch Miguel Anchia aus Costa Rica – und auf einen Job auf einer Plantage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste