Oversized Wollmützen: Bohne auf der Birne

Je weniger Winter, desto mehr Wollmütze. Ob beim Lockdown-Tee im Park oder beim Quarantäne-Dinner – die übergroße „Beanie“ ist immer dabei.

Eine Frau trägt eine orangefarbene Wollmütze und einen orangefarbenen Schal

Ja, sie wärmt! Frau in Hamburg trägt eine Wollmütze Foto: Jonas Walzberg/dpa

Die charmanteste Wollmützenträgerin aller Zeiten ist ganz sicher Audrey Hepburn. In der Anfangsszene von „Charade“ frühstückt sie als Regina Lampert auf einer Schweizer Skihütte, mit dem Rücken zum Berg und mit einer schwarzen, auf den allerletzten Millimetern ihres hübschen Hinterkopfes sitzenden, viel zu großen Wollmütze.

Als ein kleiner Junge sie aus seiner Wasserpistole bespritzt, kommt seine Mutter. Die trägt eine Wollmütze mit Bommel und wird von der Hepburn gefragt: „Kann der nicht mal was Konstruktives machen? Eine Lawine lostreten oder so?“

Was damals noch gleichzeitig existierte, ist heute einer starken Eintönigkeit zugunsten der bommelfreien Mütze, der sogenannten „Beanie“, gewichen. Mützentrends lassen sich heutzutage nach folgender Faustregel bestimmen: je weniger Winter, desto höher die Wollmütze. Und so ist die Beanie das Accessoire dieses und vielleicht auch schon des letzten und vorletzten Winters. So viel oversized Wollmütze wie diesen Winter war aber selten und das schon seit ca. Mitte Oktober.

Die Beanies werden jetzt nicht mehr auf 3.000 Metern getragen, sondern im ICE, im Museum, im Supermarkt, beim Lockdown-Tee im Park genauso wie beim Pandemie-Wodka in der Kneipe oder beim Dinner mit befreundetem Hausstand in der eigenen Quarantänegemeinschaft. Also immer. Die Beanie ist natürlich nicht einfach eine zu groß geratene Wollmütze, die man vergessen hat, abzusetzen, sondern ein Trend, der beiläufig aussehen soll, obwohl er penibel geplant ist.

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Die Beanie leitet sich aus dem Englischen für Bohne ab, womit die Kopfform gemeint ist, die im Deutschen Birne heißt. Beanies gab es mal mit Propeller obendrauf, so oder ohne trugen sie Skater, Snowboarder und Rapper – und heute eben alle.

Wichtig bei der Beanie ist nicht nur, dass das Ding nach oben hin so aussieht wie eine Sahnehaube oder eine Bierschaumkrone, die umzukippen droht. Genauso wichtig ist auch, dass der unten umgeschlagene Teil ebenfalls irre oversized ist, damit das Logo des Herstellers entsprechend oversized drauf passt. Auf dass es noch vom Matterhorn aus auf dem Kopf eines Passagiers in der Hamburger U-Bahn zu sehen ist, der grade überlegt, ob er seine Sitznachbarin mit einer Wasserpistole bespritzen soll oder doch lieber eine Lawine lostreten.

Würde man Woll­müt­zen­trä­ge­r*in­nen fragen, warum sie diese Mützen ständig aufhaben, wäre „weil sie wärmt“ wohl die überraschendste Antwort.

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