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Osterferien und CoronaÜberhitzte Debatte

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist gegen den Osterurlaub – und der Shitstorm ist da. Aber die meisten werden ohnehin zu Hause bleiben.

Zumindest der Papst denkt nicht an Osterferien Foto: ap / Andrew Medichini

D a gibt der Ministerpräsident von Sachsen einer Boulevardzei­tung ein Interview – und das Land scheint (wieder mal) kopfzustehen. Die Kommentare zum Vorschlag des CDU-Mannes Michael Kretschmer, Urlaub während der Ostertage wegen der noch immer hohen Infektionszahlen ausfallen zu lassen, sind erwartungsgemäß so kontrovers wie die Haltungen zur Coronabekämpfung. Zugespitzt formuliert, reichen sie insbesondere in den sozia­len Medien von „Was will der Depp denn jetzt?“ über „Ich verreise trotzdem, und zwar zu einer Querdenken-Demo“ bis hin zu „Recht hat er“.

Die steile Erregungskurve über die Äußerung eines Ministerpräsidenten, der über Osterreiseverbote ohnehin nicht allein entscheiden kann, zeigt einmal mehr, wie pandemiemüde die Menschen sind und wie das Aggres­sionslevel dadurch weiter steigt. Das ist in jeder Hinsicht verständlich; Homeoffice, Homeschooling und das Gefühl des Eingesperrtseins zehren erheblich an den Nerven.

Nur leider tritt eine Entspannung nicht ein, wenn man sich über nahezu jede Aussage von irgendwem mächtig aufregt. So richtig oder unverständlich sie auch sein mag. Und so verständlich es ist, dass sich viele Menschen auf freie Ostertage freuen und diese auch einmal anderswo verbringen möchten als in den eigenen vier Wänden. Die kann man schon lange nicht mehr sehen.

Die meisten Menschen in den Städten kennen durchs Dauerspazierengehen mittlerweile jeden Pflasterstein, und die in Dörfern ahnen sicher schon, wie der Grashalm aussieht, noch bevor er aus der Erde kommt.

Am Ende aber dürfte es Anfang April so kommen wie im vergangenen Jahr während der Ostertage: Die meisten Menschen bleiben zu Hause, manche fahren in ihre Wochenendhäuser, andere für einen Tag ins Grüne. Das mag man richtig oder falsch finden. Tun werden es die Menschen trotzdem. Und dann diese vor allem medial geführte Debatte längst vergessen haben.

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4 Kommentare

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  • Solange so etwas banales wie "Osterurlaub" übrhaupt ein Thema sein kann, solange können wir entspannt das Leben geniesen, denn wie es scheint, geht es diesem Land noch sehr, sehr gut.

  • Wenn Leute wie Kretschmer sich nicht dreimal am Tag selber widersprechen würden, mit Aussichten, Hoffnungen, Plänen, Perspektiven, die er dann alle wieder einsammeln muss, dann wäre uns allen schon ein bisschen geholfen. Wobei, wer hört schon auf einen Kretschmann? Die meisten sind längst nicht mehr bereit sich aufzuregen, es stört auch kaum jemanden, wenn es mit dem Impfen noch ein bisschen dauert, man ärgert sich hauptsächlich über falsche Versprechungen. Und die meisten, die sich noch aufregen, wollen sich auch aufregen und sind schon lange völlig unerreichbar für Unaufgeregtheiten. Da macht ein Kretschmann den Kohl auch nur noch unwesentlich fetter. Trotzdem ist die zu Recht hier als "hauptsächlich medial" bezeichnete Debatte insgesamt toxisch und destruktiv. Allen voran natürlich die BILD, wie immer im Dauerempörungsmodus, aber der Spiegel steht ihr kaum noch nach und die Pseudo- Vielfalt, der sich manche Blätter verpflichtet zu fühlen scheinen, neigt zur Kakophonie. Die Taz ist nach einigen Anfangsschwierigkeiten da noch erfreulich entspannt und konstistent, wobei das dann wieder einem Teil der Leserschaft nicht recht zu sein scheint.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Benedikt Bräutigam:

      Erstaunlich und erschreckend ist es aber schon, wie dem " Wahlvolk " Dillettantismus aufgezeigt wird ...

  • "Zumindest der Papst denkt nicht an Osterferien"? Ein Gerücht sagt, er macht Party am Kolosseum:

    www.tourist-in-rom...losseum_Via_Crucis