Osorio kritisiert Neymar: „Eine Schande für den Fußball“

Die Schauspieleinlage von Neymar kommentierte Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio scharf. Doch auch seine Mannschaft ist kein gutes Vorbild.

Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio macht Gesten beim Spiel gegen Schweden.

Über die „Puto“-Rufe der Mannschaft von Trainer Juan Carlos Osorio könnte man sich auch empören Foto: AP

Sicherlich ist Neymar ein sehr miserabler Schauspieler. Oder ein sehr guter Schauspieler, der einen miserablen Schauspieler imitiert. Aber ist er auch ein schlechtes Vorbild? Mit dieser Behauptung machte Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio dieses hinreißende Fußballspiel am Montag, das sein Team verdient mit 0:2 gegen Brasilien verloren hatte, zu einer moralischen Angelegenheit.

Er verwandelte das Podium im Stadion von Samara zu einer Kanzel und hielt eine sittenstrenge Predigt: „Es ist eine Schande für den Fußball. Das ist ein schlechtes Beispiel für die ganze Welt und all die Kinder vor dem Fernseher.“

Osorio nahm Anstoß daran, wie wenig überzeugend dieser Ausnahmefußballer seinen nicht endend wollenden Schmerz zu einem großen Bühnenstück machte, nachdem ihm der Mexikaner Miguel Lajun so nebenbei mal auf den Knöchel getreten war. Doch dieses Vorgeschichte spielte bei den ethischen Erläuterungen von Osorio keine Rolle. Er konzentrierte sich auf diese intervallartig auftretenden Schmerzattacken Neymars, die diesen minutenlang ruckartig hin und her wälzen ließen. Diese Verzögerung habe sein Team aus dem Rhythmus gebracht, klagte er.

Der Ärger über das WM-Ausscheiden ist verständlich, die Sorge um die Kinder dieser Welt, die von nun an einem falschen Vorbild nacheifern, kann dem mexikanischen Trainer aber genommen werden. Es verhält sich nämlich umgekehrt. Neymar hat sich all die kleinen Kinder dieser Welt zum Vorbild genommen, die sich ewig auf dem Boden herumwälzen können, um das zu bekommen, was sie möchten. In Neymars Fall war es eben der Einzug ins Viertelfinale. Die Kinder werden zwar vielleicht gestaunt haben, dass es auch einem Erwachsenen egal sein kann, wie lächerlich er sich macht. Mehr aber auch nicht.

Sind die „Puto“-Rufe besser?

Und sie werden gestaunt haben, wie toll dieser Ausnahmekönner Fußball spielt, wie wunderbar elegant er ein Spiel gestaltet, schnell macht und wie er es dann auch entscheidet. Bei seinem Treffer zum Führungstor, das er selbst vorbereitete, konnte man das in konzentrierter Form bewundern.

Man sollte Kinder nicht unterschätzen, wie Osorio es tat, man sollte sie vor allem nicht für blöd verkaufen. Denn das mit der Moral- und Vorbildfrage ist eine heikle Angelegenheit. Es hat einfach schon zu viele Verantwortungsträger im Fußball gegeben, die Wein gesoffen und Wasser gepredigt haben. Und auch Osorio muss sich die Frage nach doppelten Standards gefallen lassen. Gern hätte man ihn ähnlich moralisch empört über die homophoben „Puto“-Rufe (zu deutsch „Stricher“) der mexikanischen Fans bei dieser WM predigen hören. Über ihre verheerende Wirkung auf Kinder.

Stattdessen hat er sich vor einem Jahr beim Confed Cup verteidigt. Die internationale Interpretation, dass es sich dabei um eine Beleidigung handle, sei nicht richtig, sagte er damals.

Die Kanzel ist wirklich nicht der richtige Ort für diesen Mann. Den 39-jährigen Rafael Márquez, gegen den in den USA Ermittlungen wegen Verstrickungen in ein Drogenkartell laufen, hat er weiter als Kapitän und somit als Vorbild im WM-Kader belassen. Von der mexikanischen Teamparty im Vorfeld dieses Turnier, bei der es mit sogenannten Escort-Damen hoch hergegangen sein soll, haben mittlerweile auch schon viele Kinder gehört.

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Es sollte endlich einmal Schluss sein mit dem moralischen Gequatsche im Fußball. Vorbildhaftes Verhalten wirkt auch ohne Worte. Die schlechten Beispiele entlarven sich selbst. Brasiliens Neymar wollte sich auf die Kritik gar nicht einlassen. Er mutmaßte, man wolle ihm nur schaden, ihn „schwächen“. Er unterstellte Osorio also moralisch unlautere Motive. Am Ende standen sich da also zwei Moralapostel gegenüber, deren Reden der Rede nicht wert sind.

Über das tolle Fußballspiel dagegen hätte es viel zu sagen gegeben. Schade eigentlich.

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