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Oscar-Gewinner „Moonlight“Queer ist nicht schwul

Der Held des Oscar-Films „Moonlight“ wird in den Medien als „queer“ bezeichnet – das ist falsch. Es ist ein schwuler Film.

Szenenbild aus „Moonlight“ Foto: Bornfriend/A24/ap

Mit diesen Worten fängt die Presseschau vom Perlentaucher am Montag an: „In Los Angeles wurden vergangene Nacht die Oscars verliehen. Barry Jenkins' ‚Moonlight‘ über einen queeren, schwarzen Jungen …“ So nett und sympathisch die Kolleg*innen dieser Onlineplattform für die Dinge der politischen und künstlerischen Diskurse auch sind: Das ist einfach ein falscher Satz. Ungefähr so misslich wie der Satz „Das Steinhuder Meer ist ein Meer.“

Denn: Der Held des Films ist nicht queer, sondern schwul. Ein junges, später jugendliches, später erwachsenes Wesen afroaamerikanischer Prägung. Ein Film, der anrührt und in politischer, auch sexualpolitischer Hinsicht zeigt, unter welchen Bedingungen das eigene gleichgeschlechtliche Begehren gerade in dunkelhäutigen, nichtweißen Kontexten gelebt werden kann – oder auch nicht.

Eine Coming-of-Age-Geschichte, die zur Identifikation einlädt, wenn es nicht ein schwuler Held wäre: Schon die letzte große schwule Geschichte aus Hollywood, Ang Lees „Brokeback Mountain“, war für den Kinomarkt entschwult worden: Da war viel von der Freundschaft zweier Cowboys die Rede, eher verschämt aber nur davon, dass da zwei junge Männer sich in einander verlieben, und zwar nicht platonisch, sondern, nun ja, auch sexuell einander begehrend.

Was jedoch kann gegen ein Wort wie „queer“ eingewandt werden? Es atmet nicht mehr das wirkliche Leben von Schweiß, schwul stinkt, queer riecht korrekt. So eine Art Calvin-Klein-Vokabel: alles unisex. Aber das ist bei „Moonlight“ grober Unfug. Das, was den Helden Schutz suchen, später sich muskulär panzern lässt – ehe er wieder seine melancholischen Gefühle entdeckt und, ein Happyend?, in ein besseres Leben geht. Queer ist eine Wahl, aber wer gleichgeschlechtlich begehrt, hat diese nicht, er ist, wie Heterosexuelle auch, durch ein psychisches „Triebschicksal“ (Freud) codiert.

Stubenreines Begehren

Das sind alles Binsen: Dass eben Homosexualität ebensowenig als Begehren änderbar ist wie Heterosexualität (sofern eine*r nicht nur diese Neigungen spielt).

Insofern: Weshalb beschleicht einen inzwischen das Gefühl, dass „schwul“ als Vokabel für gleichgeschlechtliches Begehren unaussprechbar (bleiben) soll – und stattdessen „queer“ gewählt wird. Denn es klingt stubenreiner und politisch korrekter? Das Wort trägt den Geschmack vom Modischen, denn, so lehren es doch die Denker*innen der Queer Theory, kann nicht jede*r queer sein, auch heterosexuell orientierte Menschen? Diese Queerisierung ist insofern auch eine Zuweisung: Schwulsein reicht nicht, queer muss es sein, flamboyant und grell und besonders.

Kommt es aber nicht gerade darauf an, dem Schwulen das Dramatische zu nehmen – als sei es eben ein gleichgeschlechtliches Begehren, nichts weiter? Queer verweist hingegen auf politisch-ideologische Aufföhnung, die sich der oder die Beföhnte nicht ausgesucht hat. Ärgerlich, das! „Moonlight“ ist ein zurecht preisgekrönter Film – und es handelt sich um die Geschichte eines schwulen afroamerikanischen Helden. Ihn „queer“ zu nennen ist der Versuch, dem Homosexuellen das Fleischliche zu nehmen – eine Identitätskategorie, die einem afroamerikanischen Bürger übergestülpt wird: Das darf man instrumentalisierend im Namen der Sache des Queeren nennen.

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9 Kommentare

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  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Vielleicht hilft ja hier das Oxford Dictionary of English weiter:

     

    "The word queer was first used to mean ‘homosexual’ in the early 20th century: it was originally, and usually still is, a deliberately offensive and aggressive term when used by heterosexual people. In recent years, however, gay people have taken the word queer and deliberately used it in place of gay or homosexual, in an attempt, by using the word positively, to deprive it of its negative power. This use of queer is now well established and widely used among gay people (especially as an adjective or noun modifier, as in "queer rights"; "queer-bashing") and at present exists alongside the other, deliberately offensive use."

  • hmmm, ich kann deine kritik verstehen, ich finde auch, dass queer ein komisches modewort ist, dass alles und nichts beschreibt.

    nichtsdestotrotz muss ich aus einer historischen perspektive widersprechen: queer war ein dreckiges wort, ein schimpfwort, das sich durch die schwule/lesbische menschen angeeignet wurden.

    das erste mal, dass ich auf das wort queer aufmerksam wurde, war das gleichnamige buch von william burroughs. und das konnte lange nicht erscheinen, viel länger nicht als seine drogengeschichten. und das hat alles, was du oben in dem artikel: shwulheit, drama, emotion, dreck, viel dreck.

    jo, dann wurde es angeeignet, und es wurde hip. durch so richtig eigehegt wurde es erst durch die akademischen ehren, die es in letzter zeit erfuhr. vor allem durch die verbindung zu der körperlosen theorie von judith butler wurde es dann auch steril...

  • Ein ziemlich gelungener Diskussionsbeitrag hierzu auch von Cody Charles: http://www.hivplusmag.com/entertainment/2017/2/26/night-moonlight-caught-my-eye

  • Was ist denn die eindeutige Definition von queer? Googeln hat mir nicht wirklich weitergeholfen. Ist es falsch einen Schwulen als queer zu bezeichnen?

  • 3G
    37818 (Profil gelöscht)

    Wow, was für ein homophober Artikel! Ist mir schon klar, dass das Gegenteil erreicht werden sollte, aber was ich hier lese ist ein Abgrenzung und damit Ausgrenzung von schwul aus queer.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @37818 (Profil gelöscht):

      ...homophob ist doch wohl eher, wenn ich aus einem schwulen Jungen, einen "queeren" Jungen mache. Wie peinlich ist das denn?

    • @37818 (Profil gelöscht):

      Im Artikel wird "queer" im Sinne eines Ausscherens von Gendernormen von "schwul" als Begehrensstruktur getrennt. "Queer" klingt chicer als "schwul", nichtdestotrotz ist "schwul" natürlich auch "queer". Nur können sich Homosexuelle ihre Querness eben nicht ausssuchen, sie sind "queer", ob sie wollen, oder nicht. Ein*e Hetera /Hetero kann das mit Einschränkungen. "Das Wort trägt den Geschmack vom Modischen, denn, so lehren es doch die Denker*innen der Queer Theory, kann nicht jede*r queer sein, auch heterosexuell orientierte Menschen? Diese Queerisierung ist insofern auch eine Zuweisung: Schwulsein reicht nicht, queer muss es sein, flamboyant und grell und besonders."

    • @37818 (Profil gelöscht):

      Nein.

      Zugegeben, der Autor drückt sich an mancher Stelle etwas unglücklich und undeutlich aus.

      Der Artikel ist jedoch nicht homophob, sondern spricht, meines Erachtens, eine ungemein wichtige Problematik bezüglich des Begriffs 'queer' an.

    • @37818 (Profil gelöscht):

      Da aber queer hier eher negativ konntoiert wird, wäre es doch dann ein queerfeindlicher Artikel.

      Der Vorwurf ist doch gerade, das queer im wahrsten Sinne des Wortes homophob ist, also Angst vorm Schwulsein hat