Orthodoxe Kirche in der Ukraine: Kampf an der Religionsfront
In zwei Städten werden Aktivitäten der Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchiat verboten. Grund ist Moskaus Patriarch Kirill. Der predigt den Krieg.
„Anstatt das Volk in seinem Streben nach dem Sieg und der Wiederherstellung eines friedliches Lebens zu unterstützen, brennt es an der inneren religiösen Front. Eine Gruppe von ukrainischen Abgeordneten hat, unter erfundenen und bewusst falschen Anschuldigungen, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um die Tätigkeit unserer Kirche zu verbieten“, heißt es in einer Erklärung der Synode, die das ukrainische Nachrichtenportal Ukrainska Prawda zitiert.
Und weiter: „Mit Bestürzung stellen wir fest, dass dies alles die Folge einer verfehlten Religionspolitik unter Präsident Petr Poroschenko und einer zerstörerischen Ideologie der Ukrainische Orthodoxen Kirche (PZU) ist. Wir sind überzeugt, dass vor allem diese Schritte der vorherigen Staatsmacht und der PZU einer der Gründe für den kriegerischen Angriff auf die Ukraine sind.“
Petro Poroschenko war von 2014 bis 2019 Präsident der Ukraine. Unter seiner Ägide schlossen sich die Ukrainisch Orthodoxe Kirche Kiewer Patriarchiat (UPZ KP) und die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche zu der PZU zusammen. Anfang 2019 segnete der ökumenische Patriarch Bartholomäus I. von Konstantinopel diese Entscheidung ab und erkannte deren Eigenständigkeit an. Das konnte Moskau nicht anders, denn als Affront auffassen. Heute unterhält die UPZ MP in der Ukraine rund 12.000 Gemeinden und damit fast doppelt so viele wie die PZU, zu der sich jedoch viermal mehr Gläubige bekennen.
Putins enger Verbündeter
Doch seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine knirscht es immer lautet im Kirchengebälk. Stimmen, Gemeinden der UPZ MP sollten sich der UPZ anschließen, werden immer lauter. Der Grund dafür ist das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill.
Der Kirchenmann ist zu einem wahrhaftigen „Kriegshetzer“ mutiert und in Sachen Spezialoperation mittlerweile einer der engsten Verbündeten von Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Den Konflikt im Donbass erklärte er mit dem Widerstand der dortigen Bevölkerung gegen ein so verderbtes Treiben, wie Paraden der LGBTQ-Community.
Unlängst verstieg er sich zu der These, Russland wolle gegen niemanden Krieg führen und habe nie jemanden angegriffen. Anfang Mai setzte Brüssel den 75-Jährigen im Rahmen eines sechsten Sanktionspakets auf eine Schwarze Liste, was ein Einreiseverbot in die EU nach sich zieht.
Bereits Anfang April hatten Geistliche der UPZ MP gefordert, Kirill vor ein kirchliches Gericht zu stellen und seines Amtes zu entheben. Er habe moralische Verbrechen begangen, den Krieg gegen die Ukraine gesegnet und uneingeschränkt die aggressiven Aktionen der russischen Truppen auf dem Territorium der Ukraine unterstützt, heißt es in dem Appell, den bereits über 400 Priester unterschrieben haben.
Reißleine gezogen
Mitte vergangener Woche zog der Bürgermeister von Konotop, Artjom Semenichin, die Reißleine und verbot jegliche Tätigkeiten der UPZ MP in seiner Stadt, da die sie eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine darstelle. „Zwischen dem Feind und seinem Agenten gibt es keinen Unterschied. Der Moskauer Patriarch ist zwei Personen in einer. Deshalb habe ich die Entscheidung getroffen, die Aktivitäten dieses Agentennetzwerkes des russischen Geheimdienstes FSB auf dem Territorium meiner Stadt zu verbieten“, schreibt er auf Facebook.
Zwei Tage später zog der Bürgermeister von Browary, Igor Saposchko, nach. Mit sofortiger Wirkung sind der UPZ MP für die Dauer des Kriegszustandes alle Tätigkeiten untersagt – einschließlich Versammlungen, Kundgebungen, Aufmärsche und andere Massenveranstaltungen. Auch die Immobilien des Moskauer Ablegers werden unter besonderen Schutz gestellt.
Die Synode entwirft in ihrer Erklärung auch ein düsteres Zukunftsszenario. Ein Verbot der UPZ MP komme einem „nationalen Selbstmord“ gleich, da doch Millionen von Ukrainern, die ihr Land verteidigten, eben dieser Kirche angehörten. Zeitnah ist jetzt eine Versammlung von Priestern, Mönchen, Nonnen und Laien geplant, um über die Zukunft der Kirche zu beraten. Es gelte ein Schisma und eine Verletzung der Kirchengesetze (Kanon) zu vermeiden. Wie dieses Treffen unter Kriegsbedingungen organisiert werden soll, ist bislang nicht überliefert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml