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Opposition in RusslandNawalny erneut festgenommen

Bei einer Demo in Moskau wurde Oppositionspolitiker Alexej Nawalny verhaftet. Mehr als Tausend Menschen waren seinem Aufruf gefolgt.

Alle Jahre wieder: Nawalny im März 2017 Foto: dpa

Moskau taz | Am Sonntag verschafften sich die Sicherheitskräfte mit einer Motorsäge Zugang zum Büro des Putin-Herausforderers Alexei Nawalny. Der verhinderte oppositionelle Präsidentschaftsanwärter war jedoch nicht vor Ort. Die Polizeikräfte gaben vor, einer Bombenwarnung nachzugehen. Den Sprengstoff suchten sie an der Stelle, wo Mitarbeiter des Oppositionellen auf YouTube über die landesweiten Proteste berichteten.

Später am Tag meldete sich dann der untergetauchte Herausforderer persönlich. Man könne ihn an der Adresse finden, an der Wladimir Putin offiziell gemeldet sei, sagte er. Die Polizei wartete indes, bis sich der Antikorruptionskämpfer zur Wahlstreikdemo in Moskaus Zentrum aufmachte. Dort wurde er schon erwartet und festgenommen. „Die Festnahme eines Einzelnen hat keinen Sinn, wenn es viele von uns gibt“, twitterte Nawalny daraufhin.

Nawalny hatte zu landesweiten Protesten unter dem Motto „Wahlstreik“ aufgerufen, da er wegen einer fragwürdigen Bewährungsstrafe an dem Urnengang im März nicht teilnehmen darf. Durch niedrigere Wahlbeteiligung hoffen die Gegner Putins, auf die Legitimität des Wahlgangs Einfluss nehmen zu können.

In Moskau waren bei Minustemperaturen etwas mehr als tausend Demonstranten dem Aufruf gefolgt. Auch in Wladiwostok, Irkutsk, Nowosibirsk, im sibirischen Kemerowo und in Sankt Petersburg gingen Anhänger auf die Straße. An 90 Orten waren Veranstaltungen geplant. Auch dieses Mal waren vor allem sehr junge Leute darunter. Im März vergangenen Jahres hatte massenhafter Jugendprotest für eine Überraschung gesorgt und den Kreml verunsichert. Teile der Jugend schien das Machtzentrum nicht mehr erreichen zu können. Inzwischen ist der Protest wieder abgeflaut. Die Unsicherheit im Kreml ist jedoch nicht verflogen.

Der Staat hatte sich Sonntag auf alles vorbereitet. Die Seitenstraßen des Moskau Prachtboulevards Twersakaja glichen einem Heerlager. Aus dem ganzen Umland waren Sicherheitskräfte in Moskau zusammengezogen worden.

In Moskau skandierten Demonstranten unter dem Denkmal des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin „Nieder mit dem Zaren“. Ihre schwarzen doppelreihigen Mäntel erinnerten an die damalige Mode. Etwas profaner warnte eine ältere Dame vor einem „russischen Mugabe“, Zimbabwes kürzlich gestürztem Herrscher auf Lebenszeit. „Diebe und Gauner“, stimmte die Menge immer wieder an, ein Wahlspruch aus der Hochzeit des Protestes gegen Wladimir Putin 2011/2012.

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7 Kommentare

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  • Wie klein (nicht nur körperlich) muss doch dieser "luperreine Demokrat" sein, wenn er einen Nawalny fürchtet.

  • Beim Presseklub auf Phoenix hat der "Jounalist" von RT versucht aufzuzeigen das China ja viel böser ist, wir, der Westen dazu aber nichts sagen.

     

    Dieser Artikel macht den Unterschied Russland vs. China aber wieder klar: China gibt nicht vor eine Demokratie zu sein. In einer Demokratie sind Oppositionelle keine Verbrecher.

     

    Ich finde da China ehrlich gesagt viel sympathischer.

     

    Hoffentlich ist in meinem Kaffee morgen kein Polodium... Man sollte Putin halt nicht verärgern. Insofern ziehe ich meine Aussage zurück. Lang lebe Putin der Erste!

  • Ach du mein lieber Putin, du allerbeste allerschönste Genosse, es ist eine Wonne zu sehen wie du Menschlichkeit und Demokratie im Keim erstickst.

    • @Klartexter:

      Menschlichkeit und Demokratie werden Sie weder bei Putin, noch bei Nawalny finden.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Der Staat hatte sich Sonntag auf alles vorbereitet. Die Seitenstraßen des Moskau Prachtboulevards Twersakaja glichen einem Heerlager. Aus dem ganzen Umland waren Sicherheitskräfte in Moskau zusammengezogen worden."

    Ersetze 'Moskau' mit 'Hamburg'.

  • „Die Festnahme eines Einzelnen hat keinen Sinn, wenn es viele von uns gibt“, twitterte Nawalny daraufhin.

     

    Wie viele :-)

     

    Nett ist auch, dass in Russland Festgenommene twittern dürfen. Oder ist das alles Klamauk in Abstimmung mit Putin? :-)

  • Navalny - die Alternative für Rußland



     

    Als Organisator des rechtsrandigen „Russischen Marsches“ mit seinem Sammelsurium aus notorischen Russo-Chauvinisten, Hakenkreuz-Nostalgikern, Antisemiten, Ultraorthodoxen mit Ikonen und Kreuzen usw. darf Navalny gleichsam als der Führer der "Alternative für Rußland" gelten, der schon mal die Deportation der „zersetzenden Elemente“ nach Sibirien forderte - Stalin läßt grüßen. Seine fremdenfeindlichen und nationalistischen Sprüche wurden seinerzeit sogar seinem früheren Parteifreund Grigori Jawlinski zuviel, dem einstigen Chef der protoliberalen kreml-kritischen Jabloko-Partei, was den Rauschmiß Navalnys aus dieser Partei zur Folge hatte. Was die an sich ja löblichen und zu Recht populären Aktionen gegen die Kultur der Korruption anbetrifft, wie sie offensichtlich flächendeckend in ausnahmslos allen postsowjetischen Nachfolgestaaten inkl. der Ukraine unter dem Poroschenko-Regime grassiert, so drängt sich allerdings der Verdacht auf, hier würde sich der Bock zum Gärtner machen.