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Opposition in RusslandNawalny wieder hinter Gittern

Ein Gericht verurteilt den Kremlkritiker zu 15 Tagen Haft. Er hatte einen Demoaufruf verteilt. Eine Kundgebung am 1. März findet ohne ihn statt.

Alexei Nawalny beim Verlassen des Gerichts am Donnerstagabend in Moskau. Bild: reuters

MOSKAU taz | Kremlkritiker Alexei Nawalny muss erneut ins Gefängnis. Ein Moskauer Gericht verurteilte den Oppositionellen am späten Donnerstagabend zu 15 Tagen Haft. Anlass ist zunächst eine Ordnungswidrigkeit. Am Wochenende hatte Nawalny in der Moskauer Metro Zettel verteilt, auf denen zum „Frühlingsmarsch gegen die Krise“ am 1. März aufgerufen wurde.

Noch im Gerichtssaal legten ihm nach einem Schnellverfahren Polizisten Handschellen an und führten ihn ab. „Wiederholter Verstoß gegen die Demonstrationsgesetzgebung“ wird dem Kremlkritiker zur Last gelegt: Er hätte zu einer noch nicht genehmigten Demonstration aufgerufen und gleichzeitig gegen das Versammlungsrecht verstoßen. Da sich mehrere Oppositionelle an der Aktion beteiligten, hätte auch das Verteilen nach russischem Recht angemeldet werden müssen.

Am Donnerstag tauchten Ordnungshüter ohne Vorankündigung in den Räumlichkeiten der von Nawalny gegründeten Stiftung „Kampf gegen Korruption“ auf, setzten ihn fest und überstellten ihn dem Gericht.

Die Richterin Irina Subowa ist keine Unbekannte mehr. Sie hatte Nawalny schon im Mai 2012 in einem Eilverfahren wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer 15tägigen Strafe verurteilt.

Nawalny als Märtyrer

Beobachter vermuten, der Kremlkritiker soll mit allen Mittel von der Teilnahme am Protestmarsch am 1. März abgehalten werden. „Ich glaube, das ist ein instinktiver Wunsch der Machthaber“, meint der Politologe Alexei Makarkin vom Moskauer Zentrum für Polittechnologie. Unverständlich sei, dass man den Kritiker wegschließe und gleichzeitig zum Märtyrer mache.

Die Opposition wollte im Zentrum demonstrieren, die Behörden ließen dies jedoch nicht zu. Jetzt findet die Aktion im Moskauer Vorort Marino statt. Rein zufällig ist das der Stadtteil, in dem Nawalny seit 17 Jahren zuhause ist. So mancher, dem es nach Marino zu weit gewesen wäre, würde sich jetzt schon aus Prinzip auf den Weg machen, glaubt Makarkin.

Erst am Dienstag hatte ein Moskauer Gericht das Urteil gegen Nawalny und seinen Bruder Oleg im Fall Yves Rocher bestätigt. Wegen vermeintlichen Betrugs waren beide Ende Dezember zu dreieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Bruder Oleg sitzt bereits ein, Alexei erhielt eine Bewährungsstrafe.

Druck auf die Familie auszuüben, um unliebsame Zeitgenossen ruhig zu stellen, ist schon seit der Stalinzeit ein effektives Mittel russischer Justiz. In einem weiteren nicht bewiesenen Betrugsfall, der als Casus „Kirowles“ figuriert, erhielt der Putin-Gegner im Juli 2013 bereits eine fünfjährige Strafe, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nawalnys Verteidigung fürchtet unterdessen, dass nach der Verhängung der 15tägigen Haft die Justiz nun auch eine Aufhebung der Bewährung in Betracht ziehen könnte.

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11 Kommentare

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  • Tja, und wo bleiben jetzt der Aufschrei von unsere Putin-Liebhaber?

    • @anton philips:

      http://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_Anatoljewitsch_Nawalny#N.C3.A4he_zum_Nationalismus

       

      Einfach mal lesen und realisieren, dass der Mann in Deutschland in der NPD als Rechtsradikaler gelten würde.

       

      Ich wünsche Ihm jedenfalls viel Spaß im Knast. Als Vorkämpfer für Demokratie taugt so ein Mensch bestimmt nicht.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Meinungsfreiheit - für Dich und Deine Liebling Putin ein Fremdwort.

        • @anton philips:

          Meinungsfreiheit? Solche rassistischen Ausfälle sind auch in Deutschland strafbar. Man muss sich nicht mit jedem Rechtsradikalen einlassen, nur weil er gegen Putin ist.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Genau - Meinungsfreiheit. Übrigens, weenn es umgekehrt ist, und gegen Homosexuellen geht, bist Du ganz leise.

            • @anton philips:

              § 130 StGB Volksverhetzung

               

              Aus sehr, sehr guten Gründen in D eine Straftat. Da sind bei uns die Grenzen der Meinungsfreiheit gezogen. Fahren Sie mal nach Auschwitz und schauen Sie sich an, was dabei herauskommt, wenn eine solche Grenze nicht existiert.

               

              Für Homosexuelle engagiere ich mich übrigens ehrenamtlich. Da brauche ich mich von Ihnen nicht belehren zu lassen. Ich bezweifle auch, dass Ihr feiner Held viel für Homosexuelle übrig hat.

               

              PS: Wir sind definitiv nicht per Du.

            • @anton philips:

              Was Herr Donath in diesem Artikel äussert sind seine Mutmassungen. Er geht davon aus, dass es ein politisches Verfahren ist, er spricht von angeblichem Betrug usw. Belege hat er dafür nicht, aber im Zweifelsfall sind auch rassistische Rechtsradikale geeignete Kronzeugen gegen Putin. Propaganda auf der untersten Ebene. Gesetze sind Gesetze. Mag sein, dass Gesetze gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verstoßen, solche gibts im Westen auch. Und natürlich kann man diese Gesetze übertreten. Aber was soll dann der Aufschrei, wenn der Übertritt geahndet wird. Wer hierzulande seine Bewährungsauflagen nicht einhält und sich nur das geringste zuschulden kommen lässt, kann mit der unmittelbaren Aufhebung seiner Bewährung rechnen. Das hat nun wirklich nichts mit Meinungsfreiheit und Verfolgung zu tun, sondern ist normale Rechtspraxis.

              • @Jochen Rohwer:

                Wenn Russland ein Rechtsstaat wäre, könnte das gelten.

                 

                Aber Russland ist kein Rechtsstaat, sondern Recht dort ist was Putin für Recht hält.

                • @anton philips:

                  Das ist eine höchst interessante Auffassung, die Juristen sicherlich nicht teilen werden.

                  Russland ist sehr wohl ein Rechtsstaat, wenn auch einer mit Defiziten. Und ganz abgesehen davon, selbst wenn wir Russland nicht für einen Rechtsstaat in unserem Sinne halten, so ist Russland noch weit von einem Staat entfernt, den man als Willkürstaat bezeichnen könnte. Und nur in einer Willkürherrschaft könnte man Rechtsüberschreitungen in der Art rechtfertigen, wie Sie das tun.

                  Es ist ein übles Spiel von Leuten wie Herrn Donath, ständig die Rechtsbrüche und möglichen Straftaten irgendwelcher angeblicher Kremlkritiker zu rechtfertigen oder gar gut zu heissen und auf der anderen Seite von politisch motivierter Justiz zu sprechen. Eine Bewährung bei einer 5-jährigen Haftstrafe wäre beispielsweise bei uns gar nicht möglich und bei Wiederholungstätern schon gleich dreimal nicht. Dann auch noch gegen die Bewährungsauflagen zu verstoßen, führt eben normalerweise zur Aufhebung der Bewährung.

                  Es scheint inzwischen für manche Kommentatoren alles erlaubt zu sein, solange sich die Betrüger, Steuerhinterzieher und Raubritter als Kremlkritiker bezeichnen.

                  • @Jochen Rohwer:

                    Hmmmmmmm: meine Meinung nach gibt es nur eine der das Sagen hat: Herr Putin entscheidet wer für wie lange ins Gefängnis muss. Das hat sich immer wieder bewiesen.

  • Da kann man mal sehen, welche kleinhirnige Dinosaurier in Moskau 'regieren': Sie haben Angst vor einer Anwesenheit und der Meinung einer winzigen 'Mücke'; sie können nur in Nachbars Garten alles kaputt trampeln - etwas Postives aufbauen oder gar (wirkliche!) Freundschaften schließen ... komplette Fehlanzeige!