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Opferberaterin über Morddrohungen„Aus der Mitte der Gesellschaft“

Judith Porath von Opferperspektive fordert, dass Polizei und Politik Bedrohungen ernst nehmen. Diese kämen aus allen Teilen der Gesellschaft.

Graffiti an einem Berliner Supermarkt Foto: Imago Images
Sunny Riedel
Interview von Sunny Riedel

taz: Frau Porath, Thüringens CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat Morddrohungen gegen sich öffentlich gemacht. War das richtig?

Judith Porath: Aus unserer Erfahrung ist es grundsätzlich gut, mit Morddrohungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber man muss natürlich immer den Einzelfall analysieren. Öffentlichkeit bedeutet häufig Schutz, weil das Agieren der Täter nicht mehr im Verborgenen stattfindet. Wir raten auch immer dazu, eine Anzeige zu stellen. Die Polizei ist verpflichtet, darauf adäquat zu reagieren.

Birgt eine Veröffentlichung auch Risiken?

Wenn die Täter nicht gefasst werden, kann die Bedrohung weiter eskalieren. Konkrete Sachbeschädigung ist meist die nächste Stufe. Aber es wäre zu vereinfacht, pauschal zu sagen, was passiert, wenn man sich wehrt oder nicht. Viele Leute sagen übrigens auch, dass ihnen die Solidarität von außen ganz entscheidend hilft. Denn erst wenn man Bedrohungen öffentlich macht, erfährt man, dass ganz viele Menschen so etwas verurteilen.

Haben Bedrohungen zugenommen?

Ja, Anfeindungen, Bedrohungen, Einschüchterungsversuche – das hat massiv zugenommen, seit etwa 2015. Nach dem Sommer der Willkommenskultur traf es Geflüchtete und auch sehr schnell Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen. Sowohl aktive Flüchtlingshelfer vor Ort als auch Verwaltungsmitarbeiter, die sich für eine humane Flüchtlingspolitik und eine vernünftige Unterbringung starkmachen.

Warum hat das zugenommen?

Im Interview: Judith Porath

ist Geschäftsführerin der Opferperspektive Brandenburg und Vorstandsmitglied des Bundesverband der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Am Wochenende hat Pegida ihr fünfjähriges Bestehen gefeiert. Das ist ein Marker für eine massive Veränderung des Klimas. Leute bedrohen – sogar unter ihrem Klarnamen – Feministinnen, Menschen, die sich gegen Homophobie, Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Alle, die für eine vielfältige und gleichberechtigte Gesellschaft stehen, sind im Fokus.

Und das ist vor allem vor Ort spürbar. Menschen erzählen uns, dass sie beim Dorffest am Lagerfeuer angezischt werden, sie sollen keine Geflüchteten unterstützen, man wisse, wo die Kinder zur Schule gehen. Natürlich machen die sich dann Gedanken, ob sie weitermachen. Diese Bedrohungen sind sehr konkret.

Was passiert mit Drohbriefschreibern, wenn sie erwischt werden?

Morddrohungen sind strafrechtlich relevant. Normalerweise kommt das vor Gericht und dann kann man hoffen, dass es eine Verurteilung gibt. Aber nach dem kürzlich ergangenen Urteil, das einen Mann freigesprochen hat, der frauenverachtende Beleidigungen gegen Renate Künast ausgestoßen hat, hat man Sorge, ob das überall so ernst genommen wird.

Was sind das für Leute, die andere wegen ihrer politischen Arbeit mit dem Tod bedrohen?

Schwer zu sagen. Das geht von Reichsbürgern bis hin zu organisierten Neonazis. Das kann der verrückt gewordene Rentner sein, der zu viel Zeit hat, oder der gut bezahlte Beamte, der in der Bundesbehörde sitzt und in seiner Freizeit hetzt. Es betrifft nicht nur eine organisierte Szene, die man bequem in die extremistische Ecke packen kann, sondern es betrifft die Mitte der Gesellschaft. Es sind auch häufig Gelegenheitstäter, die sich durch das Klima ermutigt fühlen, und nicht nur Stiefelnazis, wie man sie aus den 90ern kennt.

Was kann die Politik machen?

Polizei und Politik müssen solche Drohbriefe ernst nehmen und Schutz organisieren. Wir erleben ganz häufig, dass das nicht passiert, vor allem wenn die Bedrohung aus dem digitalen Raum kommt. Da haben Betroffene manchmal sogar Probleme, eine Anzeige zu stellen.

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