piwik no script img

Online-Wahlkampf in ÖsterreichDie FPÖ und die blanke Niedertracht

Im Land der FPÖ sind „Dreckskerl“ und „linke Sau“ noch moderat. Nun hat die Partei einen Shitstorm gegen einen unliebsamen Journalisten angefacht.

Felix Austria! Foto: dpa

Wien taz | Auf Österreichs Straßen machen Plakate von Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer darauf aufmerksam, dass am 4. Dezember erneut ein Bundespräsident gewählt werden soll. Sonst ist an der Oberfläche wenig vom Wahlkampf zu merken. Doch in den sozialen Netzwerken werden mit den seltsamsten Tricks Emotionen aufgewühlt. Davon konnte sich kürzlich der Fernsehjournalist Martin Thür überzeugen.

Anlass war eine Homestory aus dem Heim des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer beim boulevardesken Kanal oe24.tv. Da wurde unter jede Bettdecke geguckt, und auch der Beziehungsstatus der 13-jährigen Tochter erschien den Reportern relevant. „Sie hat einen Freund“, gab Frau Hofer Bescheid.

Martin Thür notierte dazu auf Twitter: „Ich will nicht in einem Land leben, wo Kandidaten die Zimmer und das Liebesleben ihrer 13-jährigen Töchter offenbaren müssen, um zu gewinnen.“ Man kann diesen Kommentar als Kritik am Medium verstehen, das die Nase in die Intimsphäre einer Minderjährigen steckt, und an den Hofers, die darauf eingehen. Einen Angriff auf die Hofer’sche Tochter kann man schwerlich hineininterpretieren.

Genau das tat Norbert Hofer in einem Antwort-Tweet: „Das ist ungeheuerlich! Meine 13-jährige Tochter hat kein ‚Liebesleben‘.Wie können Sie so etwas über mein Kind schreiben?“ Der Skandal war geboren. Zwei Stunden später machte eine gewisse Herta Valentin, offensichtlich eine Hofer-Anhängerin, mobil. Sie verteilte einen Screenshot des Tweets von Thür und versah ihn mit dem Etikett „Tiefpunkt“. Der Autor sei eine „linke Kreatur“ und ein „Volltrottel“, der „sofort angezeigt“ gehöre. Wenig später lief Twitter heiß. Eine weitere Posterin aus dem Hofer-Netzwerk rief zum Shitstorm gegen Martin Thür auf.

Gezielte Verdrehungen

Der Shitstorm brach daraufhin über den Journalisten herein mit Invektiven wie „unterste Schublade“, „tief gesunken“ oder „sollten sich schämen“. Dass die FPÖ durch gezielte Verdrehungen Shitstorms gegen unbequeme Meinungsmacher auslöst, hat Methode.

So machte Falter-Chefredakteur Florian Klenk kürzlich auf Twitter den Vorschlag, österreichische Nachrichtensendungen türkisch zu untertiteln. Damit würden Gegeninformationen zur türkischen Propaganda verbreitet. Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus fühlte sich berufen, die Intention dieses Tweets auf den Kopf zu stellen. Klenk sei „immer für einen Quatsch zu haben. Vielleicht arbeite er ja optional für den kranken Mann am Bosporus“.

Es folgte eine Welle von Beschimpfungen, unter denen „linke Sau“, „Dreckskerl“ und „Bolschewik“ noch die höflichsten waren. Einen Mann, der fragte: „Kann man den anzünden, bitte?“, forschte Klenk aus und besuchte ihn in Oberösterreich. Er fand einen zerknirschten Mann, der nicht ins Klischee der bildungsfernen Globalisierungsverlierer passte, sondern wirtschaftlich erfolgreich in einer heilen Welt lebte. Wer in einer Echokammer der FPÖ steckt, kommt da offenbar schwer wieder raus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Schulterzuck .... auch gebildete Leute können zum Abschaum der Gesellschaft eines Landes gehören, wo ist das Problem?

  • Wie bringt man diesen Artikel mit dem Artikel über die Steinmeier-Kandidatur in eine Reihe, in der die "soziale Frage" zur entscheidenden Aufgabe erhoben wird? Eben: gar nicht.

     

    Es geht bei den Rechtspopulisten nicht um die soziale Frage. Es geht um Kulturkampf, um nationale und ethnische Homogenität kontra Weltoffenheit. Und so muss diese Auseinandersetzung auch angegangen werden. Eine Verdoppelung der Sozialhilfe bringt da gar nichts.

     

    Eher im Gegenteil: gute Sozialleistungen und offene Grenzen stehen in einem umgekehrten Verhältnis zueinander. Offene Grenzen gehen nur, wenn der wirtschaftliche Druck zur Anpassung zwingt; und großzügiger Sozialstaat geht nur, wenn man die Gruppe der Nutznießer eng beschränkt, also die Grenzen dicht macht.

     

    Die gedankliche Konfusion der Linken ist wirklich (und das meine ich als Nichtlinker ganz ehrlich) besorgniserregend. Vor allem wenn man sieht, wie da eine kohärente rechtsnationale Agenda immer mehr Gestalt annimmt.

    • @Breitmaulfrosch:

      Wenn ich ihre These zum Sozialstaat mal polemisieren darf: sozial geht nur national.

      Natürlich gehören sie nicht zu denen die auf der Straße stehen und sowas rumbrüllen aber irgendwie ist es die selbe Gedankenfigur.

      Sie können ja gerne weiter versuchen die Leute die in Richtung FPÖ tendieren öffentlich nieder zu machen und politisch zu ignorieren nur hat das bisher nicht funktioniert und es wird wahrscheinlich nicht besser werden wenn man es noch mal versucht.

      Der Trick ist es Interesse zu zeigen und in die Diskussion zu kommen mit dem Teil der Gesellschaft der eben nicht weit rechtsradikal ist sondern enttäuscht. Das Klientel macht meiner Meinung nach den größten Teil der Leute aus.

      Der Kampf für sozialen Fortschritt hat nämlich einen Vorteil: er vereint Menschen und verbessert u.a. Die bildungssituation