Olympianacht in Rio: Geboxt wird außerhalb des Rings
Beim Turmspringen verfärbt sich das Wasser grün. Ovtcharov scheitert an der „Gummiwand aus Minsk“ und Phelps regeneriert blendend.
Der Wettkampf der Nacht: Es ficht und sticht sich der Südkoreaner Park Sangyoung gegen den Ungarn Geza Imre zur Goldmedaille. Und wie spektakulär! Imre führt 14:10 (bis 15 geht’s beim Degensport); ab da kämpft Park so, als sei er D’Artagnan höchst selbst. Er schafft’s auf 14:14 – und setzt schließlich den entscheidenden Treffer. Imre blickt silbern drein, Gold-P’ARKagnan rastet aus.
Die Athletin der Nacht: Kommt aus der Ukraine, heißt Elina Svitolina, haut auf gelbe Bälle – und Serena Willams, die Titelverteidigerin, im Achtelfinale raus. Williams holte bereits 22 Grand-Slam-Titel (Rekord). Gegen Svitolina (0 Grand-Slam-Titel) verliert die Nummer 1 der Tenniswelt nach 1:03 Stunden mit 3:6, 4:6 trotzdem. Die Nummer 2 heißt Angelique Kerber. Sie steht nach einem 2-Satz-Sieg (6:0, 7:5) gegen Australiens Samantha Stosur im Viertelfinale.
Der Athlet der Nacht: Michael Phelps! Der US-Schwimmer holt (bzw. fliegt, pflügt, phelpst) über 200 Meter Schmetterling seine 20. olympische Goldmedaille ein. Mit 31 Jahren, obwohl er schon zurückgetreten war (und nach Alkoholsucht). Das ist Wahnsinn, ein Märchen. The Real American Dream. Oder Doping. Kurz nach dem 20. gibt’s noch das 21. Gold mit der Staffel. Der Kerl regeneriert schnell.
Das Happy-End der Nacht: Im Tischtennis-Viertelfinale fällt der 40-jährige Vladimir Samsonov (Weißrussland) gegen Dimitrij Ovtcharov (27, Deutschland) im zweiten Satz etwas blöd hin. Fortan klappt mit der Vorhand nichts mehr, weil die Schulter lädiert ist. Samsonov hat aber noch eine exzellente Rückhand; das reicht gegen Ovtcharov, dessen Schmetterbälle an der „Gummiwand aus Minsk“ (sagt der öffentlich-rechtliche-TV-Reporter) immer wieder abprallen. So auch bei Samsonovs Matchball zum 4:2-Sieg. Nun wartet der Weltranglisten-Zweite Jike Zhang.
Die Schützenhilfe der Nacht: Kommt aus Simbabwe und gilt Deutschlands Fußballerinnen. Gegen Kanada liegt die DFB-Auswahl kurz vor Spielende mit 1:2 zurück. Das würde für den Einzug ins Viertelfinale wohl nicht reichen, weil im Parallelspiel das punktgleiche Australien 25 Minuten vor Schluss mit 6:0 gegen Simbabwe führt. Bei einem siebten Tor hätten die Australierinnen ein besseres Torverhältnis als die Deutschen. Zittern ist also angesagt, bis zur 90. Minute. Da erzielt Simbabwe das 6:1 – und Deutschland kann den 1:2-Rückstand gegen Kanada so stehen lassen.
Die Panne der Nacht: Im Maria Lenk Aquatics Center wechselt die Wasserfarbe im Becken der Turmspringer plötzlich von blau auf grün. Warum, weiß niemand. Vermutet wird ein defekter Wasserfilter. Springen mussten die Athleten trotzdem. „Die Wasserqualität ist getestet worden, und es gibt keine Risiken für die Athleten. Wir untersuchen den Fall“, teilt das Organisations-Komitee mit. Die Britin Tonia Couch berichtet, dass sie ihre Sprungpartnerin Lois Toulson nach dem Eintauchen nicht mehr sehen konnte. Ein klarer Fall für die drei ??? und die verschwundene Springerin.
Der Boxkampf der Nacht: Fand außerhalb des Boxrings statt. Und vermutlich stieg das Duell zwischen dem belgischen Judoka Dirk van Tichelt und einem brasilianischen Hotelangestellten auch nicht gestern Nacht. Da wurde nur die Nachricht vom Fight übermittelt. Was war passiert? Tichelt feierte seine am Montag gewonnene Judo-Bronzemedaille wohl mit einer Prostituierten, wie das belgische Boulevardblatt Extra schreibt. Sie soll Tichelt und dessen Trainingspartner beklaut haben. Daraufhin stürmte der Judoka in ein Hotel, in dem er die flüchtige Frau vermutete. Ein Fehler, wie sich herausstellte. Der Rezeptionsmensch verwehrte Tichelt den Zutritt und scheute die handfeste Auseinandersetzung mit dem aufgebrachten Belgier nicht. Resultat: K.o.-Sieg für den Brasilianer, Krankenhausaufenthalt und ein blaues Auge für den Belgier.
Die Schlussfolgerungen der Nacht: Judo dient nur der Selbstverteidigung (wenn überhaupt!), Deutschland kann sich auf Simbabwe verlassen (warum auch nicht?) – und grünes Wasser ist nicht giftig (wissen sie in den Favelas schon lange!).
Und sonst? Phelps, Phelps, Phelps. Und Goldmedaillen u.a. für: USA (Turnen, Frauen-Mehrkampf mit einer famosen Simone Biles); Ungarn (Schwimmen, 200 Meter Lagen mit einer schnellen Katinka Hosszu); China (Gewichtheben, Gewichtsklasse bis 69 Kilo mit einem starken Shi Zhiyong); Russland (Judo, Halbmittelgewicht mit einem – gedopten? – Khasan Khalmurzaev). Außerdem werden die Fidschi-Inseln ihrer Rugby-Favoritenrolle vollauf gerecht: zweiter Sieg im zweiten Gruppenspiel, Opfer ist diesmal Argentinien (21:14).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett