Olympia und Berlin: Der Bär ist abgehängt
Gut möglich, dass Berlins Olympiabewerbung in einer Woche passé ist. So will sich der DOSB bei der Entscheidung von der Bürgermeinung leiten lassen, die per Umfrage ausgelotet wird.
Brachiale Ablehnung. Halbherzige Zustimmung. Ignoranz. Kaum merkliche Begeisterung. Das sind gefühlt die gegenwärtig vorherrschenden Haltungen zum Thema Olympiabewerbung. Nicht dabei: überbordende Euphorie oder schlicht pure Vorfreude. Das komme noch, heißt es dazu immer wieder aus der Senatskanzlei. Doch wann, wenn nicht jetzt? Denn ungeachtet aller Ankündigungen von Bürgerforen, -werkstätten, -beteiligungen bis hin zu einer Bürgerbefragung Mitte September geht es schon in den nächsten Tagen um alles.
Das Meinungsforschungsinstituts Forsa soll dabei im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) bis Monatsende die Olympiastimmung in Berlin und Hamburg als mögliche Bewerber ausloten. Das kann de facto schon die entscheidende Bürgerbefragung sein, auch wenn nur 1.500 von rund 2,5 Millionen Wahlberechtigten befragt werden. Denn DOSB-Chef Alfons Hörmann hat sich festgelegt: „Wenn es definitiv so wäre, dass in einer Stadt die Quote bei unter 50 Prozent Zustimmung liegt und bei der anderen deutlich drüber, in welcher Konstellation auch immer, dann fällt mir zumindest kein Argument ein, das dann dazu führen würde, die andere Stadt zu nehmen.“
Und derzeit spricht wenig dafür, dass Berlin vorn liegen wird. In Hamburg unterstützten schon im Herbst in einer Umfrage 53 Prozent der Bürger eine Kandidatur, in Berlin nur 48 Prozent. Und gefühlt hat sich daran seither in der Hauptstadt nichts verändert, anders als in Hamburg: Dort halten nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag inzwischen 68 Prozent die Spiele für einen Gewinn.
In Berlin trommelt nicht nur das Bündnis NOlympia heftig gegen eine Bewerbung – hier hat auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung jüngst festgestellt, dass sich die Hauptstadt Spiele gar nicht leisten könnte. In Hamburg hingegen pries vergangene Woche das dortige Weltwirtschaftsinstitut mögliche Effekte für die Hansestadt: „Olympische Spiele würden Hamburg die große Chance bieten, in den Reigen der großen Weltmetropolen aufzusteigen.“ Große Risiken gebe es nicht.
Den Hamburger Olympiawerbern ist zudem bislang weit mehr eingefallen, um Olympiabegeisterung zu wecken, als – analog zu Berlin mit dem Brandenburger Tor – das dortige Rathaus oder den Michel anzustrahlen. Menschen mit welchen Sporttrikots auch immer freien Eintritt in Museen zu gewähren, wie vor einigen Wochen geschehen, das war schon eine weit wirksamere Idee als alles Hiesige.
Von olympischem Spirit, von einer auch nur in Ansätzen so zu nennenden Begeisterung, Hoffnung, von Hinfiebern und Bangen um die Auswahl des DOSB ist kaum etwas zu spüren. Mitgehörte freudige S-Bahn-Gespräche, ob vielleicht Usain Bolt 2024 immer noch läuft und damit zum Schauplatz seiner WM-Siege von 2009 zurückkehren würde? Sonstige Olympiafachsimpeleien? Alles Fehlanzeige.
Es geht aber bislang auch vom Senat, der die treibende Kraft sein müsste, kein solcher Geist aus. Trotzig weigerte sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) Ende Januar im Parlament bei einer großen Olympia-Debatte, jenen Pro-Spiele-Button anzuheften, den die Grünen bei ihm vermissten. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) war die Unversehrtheit ihres Blazers wichtiger als ein klares Button-Bekenntnis zur Bewerbung. Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) wiederum verortete Donnerstag in einer Pressemitteilung die Sommerspiele gleich zweimal im Jahr 2014 statt 2024.
Und das Wichtigste: Fast immer ist Olympia in der Pro-Argumentation nur Mittel zum Zweck. Um die Sportanlagen zu sanieren. Um Wohnungen zu bauen. Um die Stadt behindertenfreundlicher zu machen.
Kaum ein rot-schwarzer Spitzenpolitiker versucht vorrangig, den eigentlichen olympischen Geist zu wecken, kaum einer schwärmt jenseits von allem Nutzwert erst mal vom begeisterndsten Sportfest des Planeten. Davon, wie toll es wäre, in einem für Generationen einmaligen Erlebnis vier Wochen lang die besten Sportler der Welt in der eigenen Stadt zu haben.
Dabei ist gleichzeitig so oft davon die Rede, dass „die Berliner“ so sportbegeistert seien. Weil viele Hunderttausend einem Sportverein angehören. Weil ebenso viele jeden September beim Marathon anfeuernd an der Straßen stehen. In der Hand hat es nun jener Bruchteil von ihnen – jene, bei denen sich die Meinungsforscher in diesen Tagen melden. Daumen rauf oder Daumen runter – alles eine Frage der (Ab-) Stimmung.
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