Oliver Polak über neue Netflix-Show: „Die Realität ist die Punchline“
In „Your Life is a Joke“ roastet Oliver Polak auf Netflix Prominente. Ein Gespräch über Humor und das deutsche Duckmäusertum.
taz: Herr Polak, sprechen Ihre Freund*innen noch mit Ihnen?
Oliver Polak: Meine Freunde? Eigentlich alle. Die kennen mich ja, die kennen meinen Charakter. Die wissen über meine guten Seiten Bescheid und meine Scheißseiten und die haben sich ja offensichtlich entschieden, mit mir befreundet zu sein.
Die Kellnerin kommt, bringt Espresso und Zucker und Cola light für Polak. Sie fragt ihn: Cola light und trotzdem Zucker? Er sagt: Ja, warum nicht? Bist du meine Mutter? Sie lachen, die beiden kennen sich gut.
Gegenfrage: Wo ist der Widerspruch? Eine Widersprüchlichkeit diagnostizieren, wo keine ist. Interessant ist: diese Programmierung, wo der Mensch viel zu faul ist, selbst noch mal nachzudenken. Das ist deutsch. Deswegen auch die deutschen Sprichwörter, die es zu Humor gibt: zum Lachen in den Keller gehen, Spaß beiseite, Schluss mit lustig. Wie willst du hier irgendetwas mit Humor machen? Viel zu oft urteilt man über Dinge, bevor man überhaupt darüber nachgedacht hat, vielleicht nur, um schnell irgendwas zu sagen und es schnell in eine Schublade zu schieben. Oder um sich nicht mehr damit auseinandersetzen zu müssen. Man muss nicht zu allem eine Meinung haben.
Um eine Sendung machen zu können, in der Sie Menschen roasten, müssen Sie ja eigentlich Ihren Senf zu Dingen dazugeben, die Sie nichts angehen?
Nö, in den Gesprächen eigentlich nicht. Natürlich löst es, dass man seinen Senf dazugibt, aus, dass der andere vielleicht noch mehr erzählt. Aber klar, die Karre Senf lade ich im Comedyclub ab, wo wir den Roast aufzeichnen. Aber man muss sagen, das ist auch nicht nur scharfer Senf, er ist gemischt mit süßem Senf.
wurde mit seinen Kabarettprogrammen bekannt, in denen er seine Kindheit und Jugend als deutscher Jude im norddeutschen Papenburg auf kontroverse Weise thematisierte. 2016 erhielt er für seine TV-Sendung „Applaus und Raus“ den Grimme-Preis. Polak ist 45 Jahre alt.
Ihr Umgang mit Ihren Gästen war schon sehr … süß. Wie geht das, sich liebevoll über jemanden lustig zu machen?
Bei Stand-up-Comedy geht es um Beobachtung, den Blick, Assoziationen, dass man Dinge sieht. Manchmal braucht man gar keine Punchline, weil die Realität ja schon die Punchline ist. Leute fragen mich ja öfter, „darf man das machen“. Wenn ich dann eine Schlagzeile wie vor ein paar Tagen sehe, dass zwei deutsche Polizisten Liegestütze an den Stelen am Holocaustmahnmal machen, dann denke ich,: Ey, da brauche ich gar keine Punchline mehr! Bei der Show geht es darum, die Gäste kennenzulernen und sie zu fühlen. Wir kennen das doch alle, man ist auf so einer Feier und jemand hält so eine Rede und redet nur über das, was alle schon wissen, das Offensichtliche.
Aber es geht ja eben darum, die anderen Dinge zu zeigen, bei einer Rede auch nicht das Offensichtliche zu erzählen, sondern erst mal zu gucken, wo sind die Ticks der Person, wo sind die verschrobenen Verhaltensweisen, wo sind die Rituale der Person – mehr zu zeigen, als sie auf die fünf Dinge zu reduzieren, die eh schon alle wissen. Und das war die Herausforderung bei dem Roast, das zu suchen. Wenn ich in einem Gespräch bin, suche ich nicht bewusst, dann ist das Gespräch da.
Die neue Show: Es ist eine Mischung aus „Durch die Nacht mit“ (Arte) und einer Stand-up-Comedy-Show. Für die neue Sendung „Your Life Is a Joke“ trifft Oliver Polak einen Tag lang Prominente.
Konzept: Für die Treffen suchen sich die Gäste ihre Lieblingsorte aus. Während er mit der Rapperin Nura eine Rollerdisco besucht, schwimmt er mit dem Schauspieler Christian Ulmen im Berliner Heiligensee. Das dient Polak als Grundlage, um sie anschließend zu roasten, also zu verspotten.
Vorbild: Polak knüpft lose an die Show „Das Lachen der anderen“ an, für die er 2017 den Deutschen Fernsehpreis erhielt. Dafür besuchte er mit dem Autor Micky Beisenherz gesellschaftliche Randgruppen, die er mit einem auf sie zugeschnittenen Stand-up konfrontierte.
„Your Life Is a Joke“: ab 9. 11. auf Netflix
In Momenten, in denen jemand etwas erzählt, wie Jennifer Weist, die in der Sendung über ihren Vater spricht, dann weiß ich das nicht und dann frage ich noch mal nach. Weil mich das interessiert. Wenn ich mir die Folge nachher noch einmal angucke und überlege, worüber ich reden will, wo ist der Humor, dann gucke ich noch mal gezielter nach und baue die Zusammenhänge. Aber manchmal hat man natürlich schon in dem Moment eine Assoziation, dass man da schon die Punchline sieht.
Also schon während Sie mit den Leuten den Tag verbringen, denken Sie darüber nach, wie Sie sie fertigmachen können?
Es geht ja eben nicht darum, sie fertigzumachen. Das wollen Leute manchmal auf Twitter oder deutsche Kabarettisten, wo man sich fragt: Ging das hier noch um eine Punchline?
Die Roasts waren sehr wohlwollend, besonders verglichen mit Ihrem Programm früher. Das war ein sehr weicher, netter Oliver Polak. Hat sich Ihr Humor in den letzten Jahren verändert?
Nö. Grundsätzlich nicht. Ich war ja auch immer so. Aber manchmal hat man Phasen, wie Bands auch. Es ist normal, dass sich Dinge verschieben oder verändern, dass man Schwerpunkte auf etwas anderes legt. Das macht es auch für einen selbst interessanter.
In den letzten Jahren gab es ja einen breiten Diskurs über Comedy und Kabarett …
Ja, die Antwort darauf gibt es in meiner nächsten Show kommendes Jahr. Die heißt „Sorry für gar nichts“.
Stimmt, Sie haben 2017 schon öffentlich gesagt, dass Sie sich nicht entschuldigen …
Nein, ich habe gesagt, ich würde mich nie für einen Witz entschuldigen. Anders aber, wenn Sie da tränenüberströmt sitzen würden, weil Sie da irgendetwas getriggert oder verletzt hätte, dann würde ich nicht sagen: Pech gehabt. Da könnte ich mir vorstellen, dass ich sagen würde: „Es tut mir leid, dass es so etwas bei Ihnen ausgelöst hat.“ Aber ich würde mich grundsätzlich nicht für einen Witz entschuldigen.
Warum ist Roasten in Deutschland bislang nicht verbreitet?
Es gibt ja schon Roasts, aber noch nicht so viele. Wahrscheinlich lässt man das Roasten auch in Deutschland, weil man Angst hat, man könnte jemanden auf die Füße treten, obwohl der Kontext ja humoristisch ist. Das ist wieder dieses Ding zwischen Duckmäusertum und Größenwahn. Vielleicht glaubt man, dass, wenn wir zu viele Roastshows haben, die Deutschen einen dritten Weltkrieg starten, weil sie übertreiben (lacht).
Sie schaffen es, eine sehr intime Atmosphäre bei den Gesprächen in Ihrer Sendung zu schaffen. Kann man einer Person in einem Tag so nahe kommen, um sie roasten zu können?
Total. Ich habe mich in jeden meiner Gäste auf eine Art und Weise ein bisschen verliebt.
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