Olaf Scholz vor dem Bundestag: Der kühle Kanzler
Olaf Scholz stellt sich den Fragen der Bundestagsabgeordneten und verteidigt eisern die Impfpflicht. Die AfD macht mal wieder Krawall.
Denn kaum hat Kanzler Olaf Scholz am Mittwoch ein paar Worte gesagt, recken die AfD-Abgeordneten blau-weiß-rote Schilder hoch, auf denen „Freiheit statt Spaltung“ steht. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) droht – korrekt laut Geschäftsordnung des Bundestags – Ordnungsgeld und Verweis aus dem Saal an. Die AfD-Riege gehorcht und faltet die Protestplakate zusammen. Sie haben ihren Zweck ja erfüllt.
Die Rechtsaußen performen mal wieder für ihre sozialen Kanäle. Dort polemisiert die AfD gegen die neu eingeführte 2G-plus-Regel im Bundestag. Parallel zum Protestschauspiel gehen Social-Media-Beiträge online – gegen eine angebliche „Impf-Apartheid“ und einen „Anschlag auf die Demokratie“.
Beatrix von Storch sorgt schon vor der Plenumsdebatte für Aufsehen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek berichtet auf Twitter von einer Szene im Fahrstuhl. Von Storch sei telefonierend ohne Maske über Mund und Nase zugestiegen. Als sie eine Frau bat, die Maske richtig aufzusetzen, habe von Storch sie laut als „Gestapo“ beschimpft.
Ein Hauch von Arroganz
In der von der AfD beantragten Geschäftsordnungsdebatte zu den neuen Coronaregeln und der AfD-Opferinszenierung fand der Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei die richtigen Worte. „Von jedem Schulkind in Deutschland erwarten wir, dass es sich testen lässt. Und sie vergießen hier Krokodilstränen und schwadronieren über Einschränkungen. Das ist indiskutabel.“
Für Olaf Scholz ist es derweil die erste Fragestunde als Kanzler im Bundestag. Es geht kreuz und quer – von der maroden Autobahnbrücke in Lüdenscheid über die Atomenergie bis zum G7-Gipfel. Scholz, kein eloquenter Redner, schlägt sich recht gut. Und verteidigt vor allem die Impfpflicht, die, geht es nach ihm, bald für alle Erwachsenen gelten soll. Das Gesetz solle schnell kommen und unbürokratisch sein, so Scholz. Er fordert „eine zügige Beratung“.
Unionsabgeordnete kritisieren, dass Scholz es sich bei der Impfpflicht ziemlich einfach macht. Denn der Kanzler hatte im November zwar gesagt, dass ein Gesetz zur Impfpflicht bis März wünschenswert wäre, aber er tat dies nicht als Kanzler, sondern als SPD-Abgeordneter kund.
Die Impfpflicht sei, so Scholz, eine Gewissensentscheidung der Abgeordneten, die das per Gruppenantrag erledigen sollen. Scholz hält sein Vorgehen nach wie vor für richtig. „Ich habe der Debatte damit eine Richtung gegeben, die sie vorher nicht hatte“, sagt er donnernd selbstbewusst. Er sei für die Impfpflicht gewesen, als die meisten noch dagegen waren. Nun müsse das Parlament „demokratisches leadership“ übernehmen.
Alles klar also? Es bleiben doch ein paar Fragen offen. CDU-Mann Frei fragt, warum der Kanzler nicht die Kraft hat, auch ein Gesetz zur Impfpflicht vorzulegen, wenn er sich seiner Sache doch so sicher ist. Die schärfste Nachfrage stellt der CDU-Abgeordnete Günter Krings. Scholz tue so, als rede er hier „als Privatmann oder Parlamentarier“, dabei sei er in dieser Fragestunde Vertreter des Verfassungsorgans Bundesregierung. Und als solcher drücke er sich um Antworten. Für wen die Impfpflicht gelten soll und welche Sanktionen drohen, all das sei Aufgabe der Exekutive.
Außerdem, so Krings, sei unklar, warum die allgemeine Impfpflicht eine Gewissensentscheidung der Abgeordneten sei, die 2021 beschlossene Impfpflicht für das Pflegepersonal aber nicht. „Sind die Grundrechte von Pflegekräften weniger wert als die anderer Bürger?“
Scholz lässt sich nicht aus der Reserve locken. Er weist darauf hin, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dem Bundestag bei der Formulierung des Gesetzes bestimmt gerne helfen. Er sagt es ganz ruhig. Aber es klingt fast überheblich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut