Olaf Scholz in Äthiopien: Der rote Teppich fehlt
Als erster westlicher Politiker seit Kriegsbeginn besucht Olaf Scholz die Afrikanische Union. Konkrete Zusagen macht der Kanzler bislang nicht.
![Scholz geht auf einem Blumentteppich, dahinter die Kanzlermaschine Scholz geht auf einem Blumentteppich, dahinter die Kanzlermaschine](https://taz.de/picture/6245651/14/32742364-1.jpeg)
Mit rotem Teppich wird Olaf Scholz in Äthiopien nicht empfangen. Der Kanzler wandelt auf einem Teppich aus Blumen, als er am Donnerstag der Regierungsmaschine am Flughafen der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba entsteigt. Doch Flower-Power-Feeling will trotzdem nicht aufkommen.
Erstens ist Scholz zu Gast bei einem Mann, dem Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden, beim Ministerpräsidenten und einstigen Hoffnungsträger Abiy Ahmed. Und zweitens ist mitten in den Reisevorbereitungen ein neuer Konflikt ausgebrochen – der blutige Machtkampf in Sudan.
Der deutsche Bundeskanzler ist nun der erste westliche Politiker, der seit Beginn des von Sudans zwei mächtigsten Generälen angezettelten Bürgerkriegs zum Amtssitz der Afrikanischen Union (AU) nach Addis Abeba reist. Der Bürgerkrieg im Sudan ist natürlich auch Gesprächsstoff beim Treffen mit dem AU-Komissionsvorsitzenden Moussa Faki. Die AU ist das Pendant zur Europäischen Union – wenn auch mit 55 Mitgliedern deutlich vielstimmiger und entsprechend entscheidungsunfreudiger. Dennoch ruhen viele Hoffnungen auf der AU, die in Sudan vermitteln will.
In der Bundesregierung heißt es, man freue sich, dass die AU die Rolle des Vermittlers für sich reklamiert habe und sozusagen im Fahrersitz sitze. Klingt ein bisschen wie: „Macht mal, wir drücken Euch die Daumen.“
Libyen darf sich nicht wiederholen
Immerhin hatte die AU im äthiopischen Bürgerkrieg 2022 die Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Tigray-Volksbefreiungsarmee vermittelt. Mit Erfolg. Kriegt sie das Kunststück auch im Sudan hin? Ausgemacht ist das nicht, denn die AU ist uneinig. Als AU-Mitglieder beanspruchen sowohl Äthiopien als auch Kenia die Rolle als regionale Vormacht für sich, haben auch eigene Angebote als Vermittler gemacht.
Scholz besucht jetzt beide. Doch sein erster Gang führt ihn zum Amtssitz der AU-Kommission, einem gewaltigen Bau aus Glas und Stein, erbaut von China. Hier trifft Scholz am Nachmittag den AU-Kommissionsvorsitzenden Faki, Afrikas Pendant zu Ursula von der Leyen. Moussa Faki hatte am Dienstagnachmittag ein Sondertreffen der AU zu Sudan einberufen. Dort hatte man erneut vereinbart, mit vereinten Kräften auf einen Waffenstillstand hinzuarbeiten. Nach dem Treffen mit Scholz erklärte Faki jetzt: „Die internationale Gemeinschaft kann uns im Sudan-Konflikt unterstützen, indem sie mit einer Stimme spricht anstatt verschiedene Initiativen zu starten, die alles verkomplizieren.“ Man wolle keinen Frieden wie in Libyen, eine solche Tragödie müsse vermieden werden.
Wie Deutschland die afrikanischen Länder dabei unterstützen kann? Deutschlands Stimme werde gehört, „was immer ihr tut, tut es mit uns“, bittet der Sudan-Sprecher der AU, Mohamed El Hacen Lebatt. Die Botschaft ist klar: Westlich dominierte Friedensmissionen wie zuletzt die kläglich gescheiterte UN-Mission in Mali sind nicht erwünscht. Stattdessen solle die internationale Gemeinschaft Druck auf die Kriegsparteien und ihre Unterstützer ausüben, fordert der AU-Sprecher. Wer gemeint ist, verrät er nicht, bekannt ist aber, dass etwa Ägypten den sudanesischen Armeechef Abdelfattah al-Burhan unterstützen soll.
In Deutschland ist man durchaus gewillt, der AU in ihren Bemühungen um einen Waffenstillstand in Sudan unter die Arme zu greifen. Konkrete Zusagen machte Scholz in Addis Abeba jedoch nicht. Er versprach lediglich „alle Unterstützung Deutschlands für eine friedliche Konfliktbeilegung“. Das betrifft wohl in erster Linie Geld und Know How. Falls die AU tatsächlich eine eigene militärische Mission startet, könnte es aber auch bald um Waffenlieferungen gehen.
Scholz hatte jedoch eine andere frohe Botschaft im Gepäck: Deutschland wolle sich dafür stark machen, dass die Afrikanische Union einen Sitz in den G20 bekommt, also im Club der Industrie- und Schwellenländer. „Das gebietet der Respekt vor dem Kontinent“, so der Kanzler, der in Afrika schwer um Augenhöhe bemüht ist. Es dürfte die Rolle der AU auf jeden Fall aufwerten. Bisher ist Südafrika das einzige afrikanische G20-Mitglied.
Im Vorfeld der Reise hieß es aus Regierungskreisen, Scholz wolle zunächst ein besseres Verständnis für die Dynamik des Sudan-Konflikts gewinnen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hatte gewarnt, dass sich dieser auf die gesamte Region ausweiten könnte. Auch AU-Sprecher Lebatt warnte vor einer „Krise im Herzen von Afrika“. In der deutschen Regierung ist man ebenfalls der Ansicht, dass der Machtkampf im Sudan auch Europa etwas angeht. Droht er doch die eh schon fragile Region weiter zu destabilisieren. Die Folge könnten neue Migrationsbewegungen sein.
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