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Olaf Scholz’ Indien-BesuchNahe und ferne Hoffnungen

Natalie Mayroth
Kommentar von Natalie Mayroth

Wirtschaftlich erhoffen sich beide Länder einiges voneinander. Doch Beanstandungen zu heiklen Themen, etwa der Ukraine, machte Olaf Scholz kaum.

Gegenseitige Erwartungen beschränken sich auf wirtschaftliche Fragen Foto: AP Photo/Manish Swarup

D ass er um Indien wirbt, daraus macht Olaf Scholz keinen Hehl. Indien habe einen großen Aufschwung genommen, so eines der ersten öffentlichen Statements des Bundeskanzlers auf seinem zweitägigen Staatsbesuch in Indien. Er schwärmte auch von der deutsch-indischen Partnerschaft für grüne und nachhaltige Entwicklung und äußerte sich positiv über Indiens G20-Präsidentschaft.

Schon länger wird über Indien als alternativer Wirtschaftspartner zu China diskutiert, nach der Pandemie mehr denn je. Dennoch funkte es zwischen beiden Staaten bisher noch nicht so richtig. Immerhin 1.800 deutsche Unternehmen gibt es in Indien, Deutschland ist Indiens größter Handelspartner in Europa. Aber was das Wirtschaftsvolumen angeht, kann Indien dem Konkurrenten China nicht das Wasser reichen. Langfristig soll sich das ändern.

Während Modi auf Investitionen hofft, die Arbeitsplätze im Land schaffen, hat Scholz im Besonderen „indische Talente“ im Blick. Das Migrations- und Mobilitätsabkommen mit Indien soll dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken. Dass es Deutschland mit dem Ausbau der Beziehungen nun ernst ist, unterstreicht die Anreise mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation. Unter den Vorständ:innen, die mit nach Delhi und Bengaluru reisten, herrschte durchaus Euphorie. Wenn die deutsche Wirtschaft nun mitzieht, wäre das also im Interesse von Scholz und Modi. Delhi pocht auf mehr wirtschaftliche Aktivitäten im eigenen Land.

Das 1,4 Milliarden Menschen umfassende Indien wächst und braucht daher mehr Arbeitsplätze für die relativ junge Bevölkerung. Deutschlands Interesse liegt auch darin, Indien unabhängiger von Russland zu machen. Beanstandungen zu heiklen Themen machte Scholz deshalb kaum, betonte aber die Schwere des russischen Angriffskrieges. Ein mögliches Joint Venture für den Bau von U-Booten in Indien könnte die Partnerschaft stärken und letztendlich ein Zeichen gegen Chinas Dominanz im Südchinesischen Meer setzen. Indien auf die Seite des Westens im Ukraine­krieg zu ziehen, scheint dagegen in weiter Ferne.

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Natalie Mayroth
Reporterin
Natalie Mayroth schreibt seit 2015 für die taz. Seit 2017 berichtet sie aus Indien und Südasien. Sie kam damals mit einem JournalistInnen-Stipendium nach Indien. In München absolvierte sie 2014 ihren Magister in Europäischer Ethnologie, Soziologie und Iranistik. Natalie Mayroth ist deutsch-iranischer Herkunft.
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3 Kommentare

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  • Man stelle sich mal vor, Indiens Regierungschef Modi kommt nach Deutschland und fordert Deutschland auf, seine Beziehungen zu den USA einzustellen weil die seiner Ansicht nach mit ihren Drohnen Terror betreiben. Man würde das entweder als schlechten Scherz empfinden oder wäre empört über diese Einmischung in nationale Politik.

    Wenn es aber umgekehrt ist, Scholz nach Indien reist und Indien auffordert, seine Beziehung zu Russland wegen des Ukraine Krieges einzustellen, finden das in Deutschland alle volkommen in Ordnung und sind empört, wenn Modi nicht folgt.

    In den Augen deutscher Medien und Politiker werden Länder wie Indien offenbar immer noch als unterentwickelte Länder betrachtet die gefälligst das zu machen haben was der Westen ihnen aufträgt.

  • Die Inder werden den Teufel tun, sich auf eine Seite ziehen zu lassen. Um Herrn Jaischankar, den Außenminister zu zitieren:



    "Europe must stop thinking that the worlds problem are not their problems, but europes problems are the problems of the world"



    und



    "I am a diplomat. My Job description is to further my national interest and work towards a long term path to peace"

    Indien sieht sich als en Akteur einer multipolaren Welt. Wer Partner sein will, ist willkommen.

  • Es scheint vielleicht überraschend,



    aber das nennt man/frau " diplomatisch".



    Die gemeinsamen Interessen werden betont.



    Zusammenarbeit wird in den Vordergrund gerückt.



    Wenn Zusammenarbeit existiert und ein Vertrauensverhältnis entstanden ist, können vorsichtig auch mal die Differenzen angegangen werden.



    Eigentlich für menschliches Zusammenleben völlig normal, funktionieren diese Umgangsformen auch international.



    Angesichts der Prägung der Gesellschaft durch Trolle, Klug(...)er- und (a) sozialen Medien, ist solch ein grundlegendes Verhalten, für Einige, neuerdings außergewöhnlich.