piwik no script img

Ohrfeige für Präsident MacronMehr als symbolisch

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron wurde geohrfeigt. Kein Zufall: In Frankreich artet soziale Konfrontation rasch in Gewalt aus.

Begegnungen mit der Bevölkerung können unerwartet verlaufen: Geohrfeigter Macron am Dienstag Foto: BFMTV/ReutersTV

Politiker sind es meist gewohnt, bei Wahlen im symbolischen Sinne eine „Ohrfeige“, „Watschen“ oder gar einen Tritt in den Hintern zu kriegen. Weniger häufig kommt es vor, dass einer buchstäblich eine geklebt bekommt, und das auch noch vor Publikum und laufenden Fernsehkameras. Genau das ist dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron passiert. Medien und Parteien aller Seiten reagieren voller Empörung. Manchmal ist diese aber vielleicht auch etwas gespielt oder geheuchelt. Noch ist der Vorfall Thema Nummer eins in den Schlagzeilen: Macron ist am Dienstag am Rande eines Besuchs in einer Hotelfachschule im Département Drôme von einem Mann tätlich attackiert worden.

Dies ist deutlich zu sehen auf den Aufnahmen für das Fernsehen, die nun rund um die Welt auf den Netzwerken zirkulieren. Der Angreifer und sein Begleiter sind sofort identifiziert und festgenommen worden. Beide sind laut Polizeiangaben 29 Jahre alt und kommen aus Saint-Vallier in der Drôme. Laut Le Figaro sollen beide in der Protestbewegung der „Gilets jaunes“ (Gelbwesten) aktiv gewesen sein. Aufgrund einer Hausdurchsuchung und einer ersten Analyse eines Computers glaubt die Polizei zu wissen, dass die beiden sich vor allem für Kampfsport und das Mittelalter interessieren. In den Netzwerken war der Angreifer, Damien T., angeblich vor allem mit Leuten der royalistischen extremen Rechten in Kontakt.

Präsident Macron ist seit letzter Woche zu einer „Tour de France“ aufgebrochen, um im Vorfeld der Kampagne für seine Wiederwahl im Frühling 2022 die Nähe mit den Bür­ge­r:in­nen zu suchen. Der Besuch in der Schule von Tain-L'Hermitage war die zweite Etappe dieser Rundreise. Wie auf den Videos ebenfalls zu sehen ist, entwischte er beim Verlassen der Schule buchstäblich seinen Leibwächtern, um, wie dies üblich ist, Hände schüttelnd seine An­hän­ge­r:in­nen zu begrüssen.

Dass der von ihm gesuchte Kontakt mit der Bevölkerung eine solche gewaltsame Form annehmen könnte, hat er sich dabei sicher nicht vorgestellt. Allerdings hat gerade die Protestbewegung der Gelbwesten wieder einmal gezeigt, dass in Frankreich soziale Konfrontationen rasch in Gewalt und Gegengewalt ausarten, und das hat sogar eine lange Tradition. 2002 hatte ein Rechstextremist mit einem Luftgewehr ein nicht lebensbedrohliches Attentat auf den damaligen Präsidenten Jacques Chirac verübt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!