Offensive im Süden Gazas: Israels Armee kommt Rafah näher
Israel hat die Kontrolle über den Grenzübergang Rafah übernommen. Dabei soll es sich noch nicht um die angekündigte Bodenoffensive handeln.
Der Bodenoffensive, die in der Nacht zum Dienstag begann, war eine erste Evakuierungsphase von Zivilisten aus Ost-Rafah vorausgegangen. Am Montag hatte das israelische Militär dort Flugblätter abgeworfen und mit SMS und Aufrufen in den Medien zum Verlassen des Gebietes aufgerufen. Nach israelischen Angaben beschränken sich die Aktivitäten der Bodentruppen in Rafah bisher auf diesen Ostteil der Stadt, in dem sich auch der Grenzübergang nach Ägypten befindet.
Der Grenzübergang war bisher immer wieder geöffnet: Zur Ausreise für Doppelstaatler aus Gaza. Zur Ausreise derer, die es schafften, die horrend hohen Summen von über 5.000 US-Dollar zusammen zu bekommen, die das ägyptische Grenzregime für die Ausreise verlangte. Und für Hilfslieferungen, die teils über den Grenzübergang Kerem Schalom zwischen Gaza und Israel sowie einen weiteren Grenzübergang in Nordgaza, sowie über Rafah abgewickelt wurden.
Nun ist der Übergang geschlossen, wie das Hilfswerk OCHA der Vereinten Nationen monierte: Ihnen sei der Zugang nach Gaza via Rafah verweigert worden. Der gesamte Treibstoff für den Gazastreifen wird durch Rafah geliefert, OCHA warnte, dass der vorhandene Treibstoff in Gaza nur noch für einen Tag reiche. Die Weltgesundheitsorganisation erklärte außerdem, dass Israel auch für Kranke und Verwundete den Grenzübergang Rafah geschlossen habe. Deren Ausreise sei derzeit somit nicht möglich.
Noch nicht die angekündigte Bodenoffensive
Auch der Grenzübergang Kerem Schalom ist laut der Website der COGAT – die israelische Behörde, die sich um die Hilfslieferungen nach Gaza kümmert – seit dem Beschuss von Soldaten nahe des Übergangs am Sonntag noch immer geschlossen. Auch am Dienstag flogen erneut Geschosse aus Rafah Richtung Kerem Schalom, verletzt wurde niemand.
Die derzeit stattfindende Operation sei noch nicht die von Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigte Bodenoffensive, berichtet die israelische Online-Zeitung The Times of Israel in Berufung auf eine Quelle im israelischen Staatsapparat. Was derzeit in Rafah passiere, diene dazu den Druck auf die Hamas zu erhöhen, einem Geisel-Deal zuzustimmen. Offiziell gab Israel an, trotz der Offensive einem Deal gegenüber weiterhin offen zu bleiben.
Über einen Deal verhandeln Israel und die Hamas über die Vermittler Katar, Ägypten und die USA seit Wochen. Er soll erreichen, dass Geiseln aus Gaza freigelassen werden, dafür sollen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen. Die Crux an dem Deal ist aber der von der Hamas im Gegenzug für die Freilassung der Geiseln ebenfalls geforderte Waffenstillstand. Israel will lediglich einer temporären Waffenruhe zustimmen.
Montagabend, als auch die Offensive des israelischen Militärs begann, gab die Hamas an, einem Deal zuzustimmen. Israel reagierte prompt: Der von der Hamas akzeptierte Vorschlag sei wiederum für Israel inakzeptabel.
Die Pläne einer Bodenoffensive auf Rafah hatten in den USA schon vor ihrem Beginn für Unmut gesorgt. Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte am Montag: Man werde eine Offensive auf Rafah, wie Israel sie sich vorstelle, nicht unterstützen. Und obwohl das Weiße Haus immer wieder betonte, dass es fest an der Seite Israels stehe, wurden die Meinungsverschiedenheiten in den vergangenen Wochen immer unübersehbarer. Nach Berichten des Wall Street Journals soll die US-Regierung unter Präsident Joe Biden nun die Lieferung von im Februar an Israel verkauften Waffen und Munition hinauszögern – zeitgleich mit dem Aufbau diplomatischen Drucks.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten