Österreichs Kanzler bei Putin: Nehammers Alleingang
Der österreichische Kanzler reist von Kiew nach Moskau, um den Frieden zwischen Russland und Ukraine einzufädeln. Was verspricht er sich davon?
Außerdem werde er die Kriegsverbrechen ansprechen, deren Spuren er am Wochenende in Butscha selbst vorgeführt bekam. „Die Initiative ist von mir ausgegangen“, gab Nehammer am Sonntag zu, nachdem die BILD-Zeitung die Sperrfrist für seine in einem Hintergrundgespräch angekündigte Initiative missachtet hatte. Seine Pläne seien mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz abgestimmt. Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sei informiert und einverstanden.
Ungeteilte Zustimmung gab es in der Ukraine aber nicht. Die BILD zitiert einen anonymen Diplomaten: „Was für eine Selbstüberschätzung des österreichischen Kanzlers, dass er ernsthaft glaubt, die Reise hätte zum jetzigen Zeitpunkt irgendeinen Sinn, nachdem Putin gezeigt hat, was für ein brutaler Kriegsverbrecher er ist.“
Nicht informiert war der Koalitionspartner in Wien. Entsprechend zurückhaltend äußerte sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): „Unter der Voraussetzung, dass der Besuch des Kanzlers innerhalb der Europäischen Union abgestimmt ist, könnte es einen Versuch wert sein“, hieß es in einem knappen Kommuniqué. Zurückhaltend kritisch reagiert auch die SPÖ. „Dem Kanzler ist hoffentlich bewusst, dass das Risiko auch für den außenpolitischen Ruf Österreichs hoch ist“, warnte Jörg Leichtfried, der stellvertretende Fraktionschef: „Am Ende des Tages zählt, welches Ergebnis bei diesem Gespräch herauskommt.“
Kritik in Österreich
Kein gutes Haar an der Initiative ließ FPÖ-Chef und Putin-Versteher Herbert Kickl: „Erst die Sanktions-Einpeitscherei, dann das überfallartige Ramponieren der Neutralität, dann die mit der Neutralität in Widerspruch stehenden Solidaritätsbesuche bei Selenski und Klitschko – und jetzt geht’s plötzlich nach Moskau.“
Auf ein Wunder hofft Nehammer nicht, aber „am besten gar nichts tun ist nicht mein Zugang.“ Er sieht sich als „Brückenbauer“ und er wolle nichts unversucht lassen, „dass es aufhört.“ Der bekannte Politologe und Russlandkenner Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck hält die Mission nicht für klug, wie er Sonntagabend in der Sendung „Zeit im Bild 2“ im ORF erklärte.
„In Moskau will keiner über einen Waffenstillstand reden oder auch nur denken“, so Mangott. „Es ist schwer nachvollziehbar, was sich der Kanzler von dieser Reise erwartet. Er hat nicht die Macht über die Bilder.“ Putin werde den Besuch für seine Propaganda nutzen, um zu signalisieren: „Ich bin nicht isoliert, es gibt Länder im Westen, die mit uns kooperieren.“
Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind getroffen. Das für 14 Uhr nach mitteleuropäischer Zeit geplante Gespräch findet nicht am berühmten weißen Tisch im Kreml statt, sondern in Putins Privatresidenz. Außer einem Foto soll es keine Bilder geben. Vor die Presse tritt Nehammer anschließend allein in der österreichischen Botschaft.
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