Österreich kündigt Gasvertrag: Späte Scheidung von Gazprom
Jahrelang abhängig von russischem Gas nutzt Österreichs Energiekonzern einen Lieferstopp für den Ausstieg – kurz bevor die Ukraine ohnehin den Transit beendet.
Die Vorgeschichte: Die OMV war mit der Gazprom im Clinch, weil Gazprom die vereinbarten Liefermengen im Jahr 2022 nicht eingehalten hatte. Infolge der Invasion in der Ukraine hat Russland ja immer wieder am Gashahn gedreht, um die Preise – mit Erfolg – in die Höhe zu treiben.
Die OMV zog vor ein schwedisches Schiedsgericht, wo sie im November recht bekam: Das Gericht sprach der dem österreichischen Unternehmen 230 Millionen Euro Schadenersatz von Gazprom zu. Als die OMV daraufhin ankündigte, diese Summe mit laufenden Zahlungen zu verrechnen, stellte Gazprom die Lieferungen unvermittelt ein. Was die OMV nun zum Anlass nahm, den Liefervertrag nun einseitig aufzukündigen. Dieser Schritt wurde am Donnerstag kommuniziert.
Rechtlich einwandfreier Ausstieg
Der OMV gelang damit zweierlei: Sie hat einen rechtlich wohl einwandfreien Grund gefunden, aus dem Vertrag auszusteigen. Schließlich war es die Gazprom selbst, die sämtliche Lieferungen freiwillig eingestellt hat. Zweitens gelang der OMV ein einigermaßen Gesicht wahrender Ausstieg im Licht der österreichischen Öffentlichkeit. Das börsenotierte Unternehmen habe notgedrungen alle Verträge eingehalten und das – günstigere – russische Gas ja zwangsläufig kaufen müssen, so die bisherige Argumentation. Nun aber sei auf Gazprom kein Verlass mehr.
Die OMV verweist zudem darauf, sich nach Februar 2022 auf einen möglichen Lieferausfall vorbereitet und alternative Bezugsquellen erschlossen habe. Die Versorgung Österreichs sei daher seit langem auch aus nicht-russischen Quellen sichergestellt. Es stellt sich bloß die Frage: Warum kommt der Ausstieg erst jetzt?
Fast das gesamte Erdgas kommt aus Russland
Denn klar ist: Österreich ist eines der letzten EU-Länder, das fast sein gesamtes Erdgas aus Russland bezogen hat. Zwischen 80 und 90 Prozent waren es in den letzten Monaten, die Menge stieg im Lauf des Jahres 2024 sogar noch. Während andere Länder wie Deutschland oder Italien die Pipelinegas-Importe aus Russland beendeten, machte die schwarz-grüne Bundesregierung keine Anstalten, sich rasch von russischem Gas zu trennen.
Zwar hat die grüne Energieministerin Leonore Gewessler die Versorgungssicherheit erhöht, etwa mit einer strategischen Gasreserve. Im Grunde waren aber alle Beteiligten froh, wenn es um das Thema wieder ruhig wurde. Schließlich hat Österreichs Industrie jahrzehntelang vom billigen russischen Gas profitiert. Nicht ohne Grund galt Österreich als „nützlicher Idiot“ Putins, wie etwa der Economist schrieb.
Ein früherer Ausstieg sei nicht möglich gewesen, argumentierten Bundesregierung und OMV unisono – schließlich habe es sich um einen langfristigen „Take-or-Pay“ Vertrag gehandelt. Österreich hätte auch zahlen müssen, wenn es kein Gas abnimmt, so das Argument. Dass die Gazprom aber seit 2022 selbst mehrfach Lieferungen drosselte oder ganz unterbrach, fällt dabei unter den Tisch. Die OMV hätten wohl, so vermuten Experten, schon zu einem deutlich früheren Zeitpunkt vor ein Schiedsgericht ziehen können. Warum sie das nicht tat? Eine taz-Anfrage an die OMV blieb unbeantwortet.
Weiter russisches Gas über die Gasbörse
Mit dem Ende des OMV-Vertrags kommt freilich immer noch russisches Erdgas in Österreich an – die tatsächliche physische Liefermenge hat sich kaum reduziert. Die OMV kann also weiterhin Gas über die Gasbörse kaufen, wenn auch teurer als mit dem bisherigen Vertrag. Auch die anderen österreichischen Kunden, etwa viele Landesenergieversorger, beziehen weiterhin russisches Gas.
Wohl aber nicht mehr lange: Russisches Gas fließt ja über Pipelines in der Ukraine und der Slowakei nach Österreich. Mit Ende 2024 endet jedoch der Gas-Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland, der nicht mehr verlängert werden soll. Ab Anfang Januar wird voraussichtlich also gar kein russisches Gas mehr in Österreich ankommen.
Profit für Russlands Kriegskasse
Die OMV hat also so lange wie nur möglich vom billigen russischen Gas profitiert. Und nun einen rechtlich sauberen Ausstieg aus vermeintlich freiwilligen Stücken „geschafft“, der ohnehin wenige Wochen später ins Haus gestanden wäre. Ende gut, alles gut?
Nicht ganz, denn profitiert hat auch Putins Kriegskasse bis zum Schluss: Mehrere Hunderte Millionen Euro flossen von Österreich nach Russland – Monat für Monat.
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