piwik no script img

Ökumenischer KirchentagDank Corona online

In Sachen Digitalisierung tappen die Amtskirchen im Neuland. Die Pandemie gibt einer trägen Institution den notwendigen Digitalisierungsschub.

Kirchentag daheim: Streaming zum Ökumenischen Kirchentag Foto: Jens Schulze/imago

Berlin taz | Über ein Jahr Pandemie haben wir schon hinter uns. Kein Präsenzunterricht, keine Kulturveranstaltungen, dafür Ausgangssperren, Teilzeit-Lockdown, strenger Lockdown – unser komplettes Alltagsleben wurde durcheinandergewirbelt. Die sozialen, ökonomischen, politischen Folgen aus dem Pandemiejahr sind derzeit nur schwer abzuschätzen. Klar ist: Sie werden mächtig reinhauen, jede Menge Scherben werden aufzukehren sein.

Mehr als einmal standen die Kirchen im Kreuzfeuer. Theater, Kinos, Konzerthallen, Schulen – alles geschlossen, während die Kirchen von Sonderrechten Gebrauch machen konnten. Gottesdienste fanden trotzdem statt. Natürlich mit Hygienekonzept. Die Kritik war enorm. Warum sollten die Kirchen öffnen, aber der lokale Sportverein nicht trainieren dürfen? Vielen kirchenfernen Menschen leuchtete diese Haltung nicht ein. Zumal es immer wieder Meldungen gab, dass Gottesdienste bundesweit zum Superspreader-Event wurden.

Also bewegten sich auch die beiden Amtskirchen langsam, behutsam Richtung World Wide Web. Gottesdienste wurden gestreamt, die Seelsorge wurde in den digitalen Raum verlagert. Die Synode der Evangelischen Kirche fand online statt, genauso wie die Konferenz des Synodalen Wegs. Und nun also ein Kirchentag in Pandemiezeiten. Auch noch ein ökumenischer. Vom 13. bis 16. Mai trifft sich die Kirchenszene virtuell. Gesteuert wird der Kirchentag von Frankfurt am Main aus und sendet in die ganze Welt.

Traditionell ist der gemeinsame Tag beider großer Amtskirchen weniger gut besucht als etwa der evangelische Kirchentag. Kein gemeinsames Singen vor Ort, keine wehenden Schals, keine Endlosschlangen bei der Essens­ausgabe – das alles sind Begebenheiten, die ziemlich sicher nur in der realen Welt, im gemeinsamen physischen Zusammentreffen funktionieren. Darauf müssen die Kir­chen­tags­en­thu­si­as­t:in­nen in diesem Jahr verzichten. Dank Corona fallen auch die gemeinsamen Fahrten von Gemeindemitgliedern* zum Kirchentag aus, spirituelles Erlebnis inklusive.

Hoffen auf neues Publikum

Wie aus einigen Gemeinden zu hören ist, verfängt auch ein Public Viewing zu den vielen politischen Diskussionen, zu Bibelexegesen und zu Kunstveranstaltungen nur wenig. Dabei senden die Ma­che­r:in­nen des ÖKT auf allen Kanälen per Livestream, über die sozialen Medien. Fakt ist schon jetzt, ein anderes Publikum wird sich zuschalten. Und zwar vor allem auch diejenigen, für die der Kirchentag in der realen Welt zum Handicap wurde. Barrierefreiheit war an vielen Orten nicht wirklich vorhanden.

Auch die Anreise fällt aus. Damit ist die Chance groß, dass sich diejenigen zuschalten, die in Pandemiezeiten dank fehlender Kinderbetreuung schon allen Urlaub verschossen haben. Bei aller Wehmut über die fehlende Heimeligkeit der Kirchentagsblase: Corona könnte für den Digi-Schub sorgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare