Ökostromprojekte vor dem Aus: „Märchenpeters Rechenkünste“
Umweltminister Altmaiers Pläne zur Kürzung der Subventionen für Erneuerbare Energien verunsichern die Investoren. Viele Projekte sind in Gefahr.
BERLIN taz | Sie ist hoch umstritten – und längst noch nicht beschlossene Sache. Trotzdem überlegen bereits reihenweise Investoren, wegen der drohenden „Energiepreisbremse“ der Bundesregierung, ihre Pläne zum Bau von Ökostromanlagen zu stornieren.
Da es in Deutschland derzeit „keine Rechtssicherheit“ gebe, haben die Stadtwerke München vorerst alle Investitionen in erneuerbare Energien abgeblasen. Wenn man damit rechnen müsse, dass bestehende Gesetze „in einem anstehenden Wahljahr nach Belieben geändert werden, dann sind derartige Investitionen in Deutschland nicht mehr möglich“, sagte Stadtwerkechef Florian Bieberach. Vor allem kritisierte er es als „Tabubruch“, dass Umweltminister Peter Altmaier (CDU) plane, die Vergütung für bestehende Anlagen zu senken.
Eigentlich wollten die Stadtwerke bis 2025 neun Milliarden Euro in Erneuerbare investieren. München sollte damit zur ersten Millionenstadt in Deutschland werden, die ihren Strom komplett ökologisch produziert.
Altmaier plant, mit mehreren Maßnahmen langfristig insgesamt 300 Milliarden Euro bei den Erneuerbaren einzusparen. Dazu gehören Eingriffe in die bestehende Vergütung, aber auch ein Einfrieren der Umlage für Ökostrom im Jahr 2014 und eine geringere Vergütung für Neuanlagen. Allerdings dürfte es kaum zur Umsetzung der inzwischen auch von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) getragenen „Energiepreisbremse“ kommen. Das Gesetz muss durch den Bundesrat – dort hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit.
Die Grünen spotteten bereits über „Märchenpeters Rechenkünste“. Dennoch säen Altmaiers Pläne Unsicherheit in der Branche: In Rheinland-Pfalz stehen laut Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) offenbar 100 geplante Windkraftanlagen vor dem Aus, insgesamt seien deshalb 7.000 Arbeitsplätze in ihrem Bundesland in Gefahr. Der Grund: Wegen der Pläne der Bundesregierung sähen derzeit viele Banken ein erhöhtes Investitionsrisiko. Dies führe zu höheren Kreditzinsen.
Hektische Gesetzesänderungen
Auch das Branchennetzwerk Windcomm Schleswig-Holstein geißelte am Wochenende die „häufig überfallartig bekannt gegebenen Änderungen zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz“ (EEG). Dadurch würden derzeit viele neue Windparkprojekte aufgeschoben. Dabei habe „die verlässliche EEG-Vergütung für einen Investitionsschub in ländlichen Regionen gesorgt“.
Die deutsche Autoindustrie warnte dagegen am Sonntag, sollte sich Energie weiter verteuern, seien Produktionsstandorte der Branche in Deutschland gefährdet. „Wenn die Unterschiede in einzelnen Wirtschaftsregionen zu groß werden, wirkt sich das langfristig auf Wachstum und Beschäftigung aus“, warnte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, in der Wirtschaftswoche. Auch die Opposition hielt das Thema am Köcheln: Hubertus Heil, Vizefraktionschef der SPD, sagte am Sonntag, die Energiepolitik Altmaiers sei die „Achillesferse dieser Bundesregierung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf