Ökologischer Handabdruck: Die Hand ist der neue Fuß
Als Alternative zum Fußabdruck haben indische Umweltpädagog*innen den ökologischen Handabdruck entwickelt. Was steckt dahinter?
Der CO2-Fußabdruck ist allgegenwärtig. Er verbreitet das Bild, wenn jeder einzelne Mensch Emissionen einspart, können wir die Klimakrise aufhalten. Wirtschaft und Politik können sich dank dieser Erzählung – die vom Ölkonzern BP groß gemacht wurde – aus der Verantwortung stehlen. Einen Gegenentwurf bietet der ökologische Handabdruck.
Was ist der ökologische Handabdruck?
Der Handabdruck ist eine Maßeinheit und ein Symbol für nachhaltiges Handeln. Anders als der CO2-Fußabdruck, der Klimasünden einer Person auflistet, misst der Handabdruck den Einfluss nachhaltigen Handelns, der sich auch auf andere Menschen auswirkt. Ein simples Beispiel: Eine Biomülltonne für die Hausgemeinschaft bestellen. Ziel ist es, Strukturen und Regeln zu ändern. Anpacken statt Spuren hinterlassen.
Woher kommt die Idee?
Erstmals wurde der ökologischen Handabdruck 2007 vom Centre for Environment Education in Ahmedabad in Indien ins Leben gerufen. Seitdem wenden auch Forscher:innen in Deutschland ihn an.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Warum brauchen wir das?
Wer schon mal den eigenen CO2-Fußabdruck berechnet hat, zum Beispiel über den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, kennt eventuell das Gefühl von Machtlosigkeit. Egal wie wenig Auto man fährt oder wie vegetarisch man sich ernährt, der Fußabdruck in Deutschland bleibt groß. In unserer fossilen Gesellschaft ist es fast unmöglich, vollkommen umweltfreundlich zu leben.
Der ökologische Handabdruck soll dieser Frustration entgegenwirken, denn das persönliche Verhalten kann sich, unabhängig vom eigenen CO2-Konto, positiv auf das Klima auswirken. Der Handabdruck soll individuelle klimapositive Aktionen messbar machen, um Menschen aus einer Ohnmacht, die sie womöglich durch die Klimakrise empfinden, dazu zu bewegen zu handeln.
Wie finde ich heraus, wie groß mein ökologischer Handabdruck ist?
Konkrete Indikatoren für die Berechnung des persönlichen Handabdrucks gibt es noch nicht. Deshalb kann er nicht wie der CO2-Fußabdruck akkurat bemessen werden. Die Organisationen Brot für die Welt und Germanwatch entwickelten einen Test, der spielerisch helfen soll, den Handabdruck zu vergrößern. Mit sechs Fragen wird der aktivistische Charakter analysiert. Ein Beispiel: Das Catering beim Gemeindefest wird kurzfristig abgesagt, was machen Sie? Anhand der Antworten spuckt die Plattform Ideen für klimapositive Anstöße aus.
Wie kann ich meinen Handabdruck vergrößern?
Der Handabdruck vergrößert sich schon durch Handlungen im engen Umfeld, Lebensmittel retten für die WG zum Beispiel, vor allem aber durch klimapositives Anpacken, das viele Menschen betrifft. Ein Baumpflanzprojekt in der Stadt zu starten, lässt den Handabdruck genauso wachsen, wie sich für eine fleischfreie Mensa einzusetzen. Oder einen Konzern dazu bringen, den eigenen Handabdruck zu vergrößern: Wie wäre es mit Lastenrädern statt Firmenwagen von Audi?
Und was soll man jetzt davon halten?
Pro: Der Ansatz lenkt den Blick zumindest ein Stück vom Einkaufswagen weg auf die Möglichkeiten, Strukturen zu beeinflussen. Contra: Der Handabdruck bleibt eher ein theoretischer Impuls als ein echtes Gegenmodell zum CO2-Fußabdruck, solange er sich nicht konkret berechnen lässt. Denn erst die Zahl macht Fortschritt fassbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe