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Ökologischer Fußabdruck beim EssenPesto ist nicht gleich Pesto

Besonders bei verarbeiteten Lebensmitteln ist schwer erkennbar, wie schlecht sie für die Umwelt sind. Forscher:in­nen versprechen nun Abhilfe.

Einmal einen gesunden Planeten, bitte! Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Die eingeschweißte Bio-Gurke oder ihr plastikfreies, aber pestizidbelastetes Äquivalent? Der Gang durch den Supermarkt kann kompliziert werden, wenn man sein Essen (auch) nach ökologischen Faktoren aussuchen will. Aber am schwierigsten wird es, wenn es nicht nur um ein Grundnahrungsmittel geht, sondern um weiterverarbeitete Produkte. Die Verpackung mal beiseite gelassen: Man weiß ja kaum etwas über deren Inhalt, also über die genaue Menge der einzelnen Inhaltsstoffe.

Ein Team um den Ernährungswissenschaftler Michael Clark von der Uni Oxford will Abhilfe schaffen: Die For­sche­r:in­nen haben mehr als 57.000 Lebensmittel aus britischen und irischen Supermärkten auf ihren Öko-Fußabdruck untersucht.

Eingeflossen sind sowohl der klimaschädliche Treibhausgas-Ausstoß als auch der Flächenbedarf, Wasserverbrauch sowie die sogenannte Eutrophierung. So nennt es die Ökologie, wenn sich etwa aus Düngern Stoffe wie Stickstoff oder Phosphor zu stark in Gewässern anhäufen, was zur „Veralgung“ führen kann. Herausgekommen ist ein Index, mit dem sich Lebensmittel von 0 bis zur besonders schädlichen 100 einordnen und damit vergleichen lassen.

Ihre Ergebnisse bestätigen auch noch mal die Basics: Tierische Produkte wie Fleisch, Fisch und Käse sind umweltschädlicher als Obst und Gemüse oder Brot. Am schlechtesten schneidet Beef Jerkey ab, also getrocknetes Rindfleisch.

Vermeintlich ähnliche Produkte ökologisch unterschiedlich

Um die schiere Menge der Produkte auszuwerten, haben die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen einen Algorithmus entwickelt. Der wies auch verarbeiteten Lebensmitteln mit mehreren Zutaten auf Basis öffentlich zugänglicher Informationen ihre wahrscheinliche Zusammensetzung zu und ermittelte daraufhin den Öko-Wert.

Teils gab es überraschende Ergebnisse bei vermeintlich ähnlichen Produkten: Zum Beispiel schnitten verschiedene Arten Pesto sehr unterschiedlich ab. Das Entscheidende dabei war die Menge an Nüssen, deren Anbau oft mit hohem Wasserverbrauch einhergeht. Bei fertiger Lasagne war der Fleischgehalt relevant sowie auch die Art des Fleischs. Kekse macht ein hoher Schokoladenanteil weniger umweltfreundlich.

Die Diskrepanzen bestätigen also, dass es für Ver­brau­che­r:in­nen sehr schwer ist, bei verarbeiteten Lebensmitteln bewusste Entscheidungen zu treffen.

Vegetarische oder vegane Fleischersatzprodukte schnitten deutlich besser ab als ihre tierischen Vorbilder. Sie wiesen nur zwischen einem Zehntel und einem Fünftel der Umweltauswirkungen auf.

Die Au­to­r:in­nen haben die Lebensmittel auch mit Nährwert-Tabellen abgeglichen und sind zu dem Schluss gekommen: In vielen Fällen gehen Nahrhaftigkeit und geringer Öko-Schaden sogar Hand in Hand. Natürlich gibt es Ausnahmen: Limonaden zum Beispiel kommen auf einen sehr niedrigen, also guten Index-Wert, denn sie bestehen ja größtenteils nur aus Wasser und Zucker.

Die For­sche­r:in­nen sehen ihren einfach verständlichen Index von 0 bis 100 als Möglichkeit zur Kennzeichnung von Lebensmitteln. Dass sich Ver­brau­che­r:in­nen in Deutschland so etwas tatsächlich wünschen, legt der aktuelle Ernährungsreport des Bundesagrarministeriums nahe. Der zeigte Mitte Juli, dass sich fünf Sechstel der Deutschen beim Einkaufen für Klima und Umwelt interessieren, mehr als ein Viertel sich aber zu wenig informiert fühlt.

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8 Kommentare

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  • Wichtiges Thema und interessante Studie, aber arg lang und schwer zu lesen. Außerdem betrachtet sie ausschließlich in Großbritannien und Irland verkaufte Produkte. Die Ergebnisse lassen sich nur bedingt auf Nahrungsmittel hierzulande übertragen, denn es gibt „nationale“ Unterschiede auf dem Lebensmittelmarkt - nicht nur wegen der Unterschiede bei kulinarischer Tradition, Klima und Landwirtschaft, sondern auch wegen gesetzlicher Bestimmungen. Hinzu kommt, daß Fertigprodukte globaler Konzerne unter demselben Namen den Geschmäckern der Märkte angepaßt werden. Chips XY sind also hier salziger, da süßer und dort etwas umami.

    Als Konsument ist mir diese Flut an Informationen zu viel, ich halte mich beim Einkauf an drei einfache Prinzipien: saisonal, regional, geringer Verarbeitungsgrad - fertig! Und wenn ich doch mal Pesto kaufen wollte, dann würde ich hier nachschauen:

    de.openfoodfacts.org

    Die Datenbank verzeichnet für den deutschen Markt aktuell über 500 (!) Pesto-Produkte mit Nutri-Score, Nova-Wert und Eco-Score sowie allen vom Hersteller veröffentlichten Daten. Nicht zu allen Produkten vollständig, denn die Datensammlung erfolgt nach dem Wiki-Verfahren. Aber nützlich! Unentschieden vor dem Regal mit 20 Pesto-Sorten? Ein Blick ins Smartphone, schon fällt die Entscheidung leichter.

    Mir fällt die Entscheidung noch leichter: ich gehe vorbei und brauche auch kein Smartphone zum Einkaufen, sondern meine Augen, Nase und Hände. DIY daheim, ohne den Verpackungsplunder.

  • Ich würde diesen verarbeiteten Mist nie kaufen.

    Man kann fast alles selbst herstellen. Gerade Pesto aus dem Glas finde ich geschmacklich widerlich.

    Und man muss kein Meisterkoch sein, um es selbst herzustellen.

    Am besten gleich einen ganzen Liter, mit ordentlich Olivenöl drin hält das ewig.

  • Interessieren ja, danach handeln auch? Wie kann die Liste aktuell bleiben, wo sich doch Märkte und auch Rezepturen rasch ändern können oder lassen? Palmöl ist ein kompliziertes Beispiel, die mögliche Zweitverwertung von Fetten aus der Nahrungsmittelproduktion ein anderes. Der Begriff der Veredelung von Produkten sollte in jedem Fall auf den Prüfstand.

  • Eine ordentliche Kennzeichnung wäre toll. Also bestimmt, für die armen Doofen, die weiterverarbeitete Lebensmittel regelmäßig zu sich nehmen. Denen sei der Index schnell geschenkt.

  • Der ermittelte Wert kommt dann als Steuer oben drauf (planetary Abfucksteuer) und fertig ist der Lack!

    • @Christoph Buck:

      Das wäre tatsächlich die beste Lösung.

  • "Zum Beispiel schnitten verschiedene Arten Pesto sehr unterschiedlich ab. Das Entscheidende dabei war die Menge an Nüssen, deren Anbau oft mit hohem Wasserverbrauch einhergeht. Bei fertiger Lasagne war der Fleischgehalt relevant sowie auch die Art des Fleischs."

    Je schlechter der "ökologische Fußabdruck", desto besser also die Produkte? Pesto ohne Pinienkerne (Nüsse sind ja schon billiges Ersatzprodukt) und Parmesan, oder Lasagne ohne Rind ist ja offensichtlicher Mist, bei dem der Hersteller alles, was Geld kostet weggespart hat.



    "Wasserverbrauch böse" ist ohnehin das größte Stuss-"Argument"...

  • verbraucher wünschen sich vieles. Die Macht der Lebensmittellobby ist jedoch nicht zu unterschätzen.

    Am Ende wird das Label verhindert oder es wird so kompliziert, das keiner mehr versteht, was es eigentlich darstellt.

    Siehe Nutri Score