Öffentlicher Nahverkehr und Coronavirus: Huch, da hustet wer!
Ohne U- und S-Bahn geht nichts im Berliner Nahverkehr. Wie ist dort die Stimmung nach dem ersten bestätigten Coronavirus-Fall?
Wie verhält sich also die Berliner U-Bahn-Klientel in der jetzigen Situation, da Sars-CoV-2 nun auch in Berlin offiziell bestätigt wurde? Auffällig ist: Jedes Husten sorgt für mindestens einen strengen Blick an die entsprechende Person. Die besonders Ängstlichen setzen sich eine Reihe weiter nach hinten. Personen mit Atemmasken, die man allerdings selten sieht, sorgen für wirkliche Unruhe.
In China werden ganze Orte desinfiziert, um eine Ausbreitung des Virus zu vermindern. Wie sieht es denn mit der Desinfektion bei der BVG aus? Nachfrage bei Petra Nelken, Sprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe. Die BVG wolle da keine „falsche Sicherheit vermitteln“, sagt sie; ein solches Vorhaben wäre schlicht „illusorisch“. Angesichts der etwa 3 Millionen Fahrgäste pro Tag sei es „schlichtweg nicht möglich“, Flächen zu desinfizieren.
Die Devise lautet Selbstschutz
Pandemiepläne habe das Unternehmen zwar, doch bisher habe „keiner die Krise ausgerufen“, so Nelken. Ein Krisenstab sei bei Innensenator Andreas Geisel und Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD) einberufen worden. Sollte Geisel den Notstand ausrufen, werde der Verkehr stillgelegt. Bis dahin könne jede*r BVG-Fahrer*in selbst genug tun, um sich zu schützen, sagt Nelken.
Fragt man am S- und U-Bahnhof Friedrichstraße konkret nach, wie die Stimmung an Tag eins des Coronavirus ist, hört man häufig, es werde „viel zu viel Panik gemacht“. Eine 69-Jährige aus Berlin verwundert es, dass es erst jetzt Berlin treffe. Auf die Nachfrage, ob sie selbst Hamsterkäufe tätige, kommt aber ein entschiedenes „Ja, natürlich!“. Vorbereitet möchte sie auf jeden Fall sein. Sie hoffe, dass die Regierung rechtzeitig Maßnahmen treffe, „wenn der Notstand ausgerufen wird“.
Frau in der U-Bahn
Ein 30-jähriger Mann mit Kinderwagen erzählt, er habe weniger Angst vor dem Virus selbst als vor den irrationalen Reaktionen der Leute. Wasservorräte habe er trotzdem schon vorsorglich in seinem Keller deponiert. Eine ältere Frau ruft dazwischen: „Ick mach mich da nich’ krank mit! Nee danke!“
Auf der Rückfahrt in die Redaktion stehen am Ende des U-Bahn-Waggons zwei junge Frauen. Sie sprühen mit Desinfektionsmittel wild um sich – sie sind gut gewappnet im Risikogebiet unterwegs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“