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Öffentlich-Rechtliche in Dänemark„Bürgerliches Massaker“

Die dänischen Rechtspopulisten setzen sich durch: Die Rundfunkgebühr wird abgeschafft und „Danmarks Radio“ über den Staatshaushalt finanziert.

Werden Erfolgserien wie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ nun aus dem Programm gestrichen? Foto: WDR/ARTE France/Mike Kollöffel/DR/dpa

Stockholm taz | „Das hat nichts mit Medienpolitik zu tun“, empört sich Lars Wenge, Vorsitzender der dänischen Journalistengewerkschaft Dansk Journalistforbundet (DJ): „Dafür gibt es nur ein Wort: Massaker am dänischen Public-Service.“ Wie die Regierung in Kopenhagen dem mit Abstand größten Medienunternehmen des Landes nun die Mittel kürze, sei „schlicht und ergreifend eine Katastrophe“.

Am Freitag präsentierte der dänische Finanzminister Kristian Jensen das Resultat monatelanger Verhandlungen der Regierung mit der Dänischen Volkspartei über die Zukunft von „Danmarks Radio“ (DR), dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen. Das Ergebnis, das auch für das DJ-Präsidiumsmitglied Henrik Friis Vilmar „viel schlimmer als erwartet“ ausfiel: In Dänemark wird die Rundfunkgebühr abgeschafft und Danmarks Radio künftig über den Staatshaushalt finanziert. Dabei wird das DR-Budget schrittweise im Laufe der kommenden fünf Jahre um ein Fünftel, umgerechnet 105 Millionen Euro, gekürzt.

Damit setzte sich die rechtspopulistische Dänische Volkspartei durch. Die steht als zweitstärkste Kraft zwar außerhalb der rechtsliberal-konservativen Regierung von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen, wird von dieser aber regelmäßig für parlamentarische Mehrheiten gebraucht. Sie hatte mit Erfolg verlangt, die von der Regierung ursprünglich geplante DR-Budgetkürzung von 12,5 Prozent auf 20 Prozent hochzuschrauben.

Das sei nicht akzeptabel, meinen beispielsweise die oppositionellen Sozialdemokraten, die sich zwar ebenfalls Kürzungen vorstellen konnten, aber nicht, „wenn das in der Praxis mehrere Hundert Stunden weniger an Dokumentationen, Nachrichten und am Kinderprogramm bedeutet“, wie ihr medienpolitischer Sprecher Mogens Jensen kritisierte.

Unter Parteien und in der Öffentlichkeit wesentlich weniger kontrovers als der „wahnwitzige Kahlschlag“ – so Jacob Mark, Mediensprecher der Linkssozialisten –, ist die Abschaffung der Rundfunkgebühr, die auch von der Linksopposition schon länger als „unsolidarisch“, weil unabhängig vom Einkommen, in Frage gestellt wird.

Bislang zahlt jeder dänische Haushalt umgerechnet 340 Euro im Jahr für die Rundfunkgebühr „Medielicens“. Ab 2019 soll der DR-Haushalt steuerlich finanziert werden. Allerdings nicht – wie seit 2013 in Finnland – über eine spezielle „Mediensteuer“, sondern über die Senkung der jährlichen persönlichen Steuerfreibeträge.

„Ein kleinerer Leuchtturm“ in der Medienlandschaft

Gegenüber der jetzigen Rundfunkgebühr würden damit außer bisherigen Schwarzsehern alle weniger zahlen, versprach der Finanzminister und rechnete Ersparnisse von jährlich 22 Euro für einen durchschnittlichen Zweipersonen- und bis zu 166 Euro bei einem Einpersonenhaushalt vor.

Die Regierung werde sich nicht einmischen, wo DR den Rotstift ansetze, um mit dem geschrumpften Budget klar zu kommen, betonte Kultusminsterin Mette Bock. „Sie müssen sich selbst überlegen, wie sie effektiver werden können.“ Trotz der von ihr selbst als „beispiellos“ bezeichneten Kürzungen erwarte man, dass DR auch in Zukunft ein „Leuchtturm“ in der Medienlandschaft sein werde , aber „ein kleinerer Leuchtturm“. Die Regierung wolle „eine bessere Balance zwischen den staatlich finanzierten und dem privaten dänischen Medienmarkt“ schaffen. Um „zuverlässige Informationen zu liefern“ bedürfe es „nicht unbedingt staatlicher Medien“.

Dass die Regierung nun einfach einen Kürzungsprozentsatz verordne, ohne sich offenbar Gedanken über Konsequenzen gemacht zu haben, kritisierte DR-Generaldirektorin Maria Rørbye Rønn, und auch die liberale Politiken bezeichnet dieses Vorgehen als „unseriös“: Es sei „grotesk“, wenn man vom DR erwarte auch zukünftig hochwertiges Programm zu produzieren, aber nicht sage, wo genau denn dann gekürzt werden solle.

Die Tageszeitung Information hat ihre Vermutung, was jedenfalls auch hinter den von ihr als „bürgerliches Massaker“ und „blutigen Schnitt“ charakterisierten Kürzungen steckt: Ein „reiner Rachefeldzug“ der Dänischen Volkspartei gegen den ungeliebten vermeintlichen „Linkssender“.

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12 Kommentare

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  • Die Entscheidung der dänischen Regierung fördert den staatlichen Einfluss. Die Rechtsegierung strebt Zuständen wie in Polen oder Ungarn an - demfür dient die Steuerfinanzierung. Aber das könnte der Regierung in Kopenhagen noch auf die Füße fallen. Laut EU könnte es sich bei der Finanzierung aus dem Staatsetat um eine unerlaubte Subventionierung und damit Benachteiligung der Kommerzsender handeln - und das kann allerdings untersagt werden als Verstoß gegen Wettbewerbsgleichheit. Für Gebühren oder Abgaben staatsfern organisierter Rundfunkanstalten gilt dieser Vorbehalt nicht.

  • Wie kann es sein, wenn ganze Gesellschaftskreise, gebildete und bestens informierte Menschen, überhaupt keine Medienterrorgeräte besitzen, dass sich in dieser Diskussion die Abnahme hartnäckig hält, Fernsehen und Radio , in welcher Form auch immer, seien grundsätzlich zum Überleben erforderlich?

    • @Oskar+-1:

      So so, "Ganze Gesellschaftskreise" vor allem Gebildete und "bestens Informierte" besitzen keine "Medienterrorgeräte. Fake-News, Richtig ist: In Deutschland gibt es 40,96 Millionen Haushalte (2016), in 38,32 Millionen davon gibt es zumindest ein TV-Empfangsgerät (93%). Und die 'Gebildeten' glotzen fast genauso so viel Information, Sport, Unterhaltung und Fiction wie diejenigen mit Volks-Hauptschulabschluss. Keine Ahnung, aber ne Meinung......

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @Oskar+-1:

      Es geht nicht um Sie oder mich, die wir auf ÖRR freimütig verzichten. Unsereins hat man eh abgeschrieben und nicht mehr auf dieser Rechnung.

      Es geht um den Rest des Pöbels auf den man (und sei's mit unterirdischen Angeboten) hofft, noch irgendwie Einfluss ausüben zu können

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Ursprünglich hängt die Idee eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks natürlich mit dem Wunsch nach wahren Nachrichten im richtigen Moment zusammen. Schauen wir uns jedoch die Veränderungen in der Presselandschaft seit der Maueröffnung an, herrscht zunehmend Desorientierung. Wer die Bild anschaut, ist doof, das ist noch immer so, aber ist der Spiegel noch aufklärerisch, ist die taz wirklich linksliberal???

    Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen - da muss man kein AfDler sein - Schwierigkeiten haben, subtile Propaganda von gut recherchierten Nachrichten zu unterscheiden.

  • Wenn auch in Deutschland die Rundfunkgebühr über die Steuern oder auf andere Weise bemessen am tatsächlichen Einkommen erhoben würde, nähme das den Kritikern sofort den Wind aus den Segeln. Denn die pauschale Erhebung benachteiligt die Einkommensschwachen und bevorteilt die Besserverdienenden.

     

    Müsste ein Durchschnittsverdiener nur ein paar Euro monatlich zahlen, wäre es sehr schwer, sich darüber aufzuregen.

    • @Mustardman:

      Bezieher mit geringem Einkommen sind von der Zwangsgebühr ausgenommen. Schon vergessen? Wenn sie mehr Verteilungsgerechtigkeit wollen, warum fragen sie nicht danach, wie viel Anteil das Fernsehen an den Millionengehältern der Fußballer hat und warum der Zuschauer hier keinen Einfluss geltend machen kann? Er bezahlt nämlich immer! Warum wird eigentlich nicht darüber diskutiert, wie viel Fernsehen eine Gesellschaft überhaupt braucht? Warum wird das werbefinanzierte Doof-TV nicht infrage gestellt? Bei all den Umwelt- und Klimaproblemen die wir dem Konsumwahn zu verdanken haben? Shoppen, shoppen über alles ist mit Sicherheit keine Lösung. Nichts anderes propagiert das werbefinanzierte Free-TV. Nur ein einheitliches Bezahlfernsehen hat in einer Demokratie eine Existenzberechtigung. Alles andere ist Augenwischerei.

    • @Mustardman:

      Klingt vernünftig. Ich verfolge das Thema aber nur am Rande und bin gespannt auf Gegenargumente.

      • @jhwh:

        Das einzige Gegenargument ist die Realität.

         

        Traurigerweise gibt es in Deutschland wesentlich mehr Einkommensschwache als Besserverdienende.

         

        Wenn man nun also Mustardmans Modell, welches sinnvoll und gerecht ist, umsetzt hat man beim ÖRR zwei Möglichkeiten.

         

        1.) Man holt sich das Geld, das einen bei den Geringverdienern entgeht bei den Besserverdienenden zurück. Diese müssten dann aber so hohe Beiträge zahlen, das selbst sie sagen:"Wieviel soll das kosten? Seid ihr wahnsinnig?"

         

        2.) Der ÖRR spart Geld ein um die Geringverdiener zu entlasten ohne die Besserverdiener (ohne zu übertreiben) zu belasten. Irgendwie glaube ich nicht das so etwas passieren würde...

  • Ganz so schlimm, wie es sich anfangs angehört hat, scheint es nicht zu werden. Die Kosten für das Staatsfernsehen werden einfach nur anders eingetrieben, was dann immerhin auch die rechten Schwarzseher belastet.

     

    Einsparungen wird es vielleicht bei unpolitischen Daily-Soaps geben, nicht aber bei Abendnachrichten und Dokumentationen. Die Linkssozialisten bleiben also auf Sendung und können weiter für mehr Toleranz und weniger Fremdenfeindlichkeit kämpfen.

  • "Die Regierung wolle „eine bessere Balance zwischen den staatlich finanzierten und dem privaten dänischen Medienmarkt“ schaffen. "

     

    der private dänische Fernsehmarkt besteht hauptsächlich aus 2 kommerziellen Unternehmen, die ihren Sitz in London haben und nebenbei den gesamten skandinavischen Bereich bedienen. Man könnte sagen verwursten.

    Selbst die ÖR in DK, S und N senden über diese Plattformen.

    Der skandinavische Fernsehmarkt ist praktisch ein Absatzmarkt britischer Unternehmen. Amerikanische und britische Serien Untertitel drunter und fertig.

    TV4 in S und TV2 in DK sind die einzigen heimischen Privatsender, bessere Feigenblätter, da sie auch über Viasat und Canal Digital senden.

     

    Wie man da auf eigenes Programm verzichten kann, ist mir schleierhaft.

  • Das ist lupenreine neoliberale Politik. Durch Verkleinerung der ÖR wird Platz gemacht für das werbebefinanzierte Doof-TV. Da wird die Politik die Geister nicht mehr los, die sie einst gerufen hat. Oder will sie nicht mehr loswerden!