piwik no script img

Oberbürgermeisterwahl in StuttgartÖkosozial vergeigt

Benno Stieber
Kommentar von Benno Stieber

Weil das linke Lager zerstritten ist, hat Stuttgart jetzt einen CDU-Mann als Stadtoberhaupt. Klimalisten sollten sich Frank Nopper genau anschauen.

Wahlplakat vom neuen CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper Foto: Arnulf Hettrich/imago

B ürgermeisterwahlen gelten in Baden-Württemberg als Persönlichkeitswahlen. Aber ohne dem frisch gewählten Stuttgarter CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper zu nahe zu treten: Der bisherige Rathauschef der schwäbischen Kreisstadt Backnang wird nicht wegen seines Auftritts Nachfolger von Fritz Kuhn. Er hat am Sonntag allein gewonnen, weil sich das politische Lager links der Mitte mal wieder zerstritten hat.

Zuerst haben die Grünen den symbolträchtigen Posten in der Landeshauptstadt nur halbherzig verteidigt und eine Kandidatin aufgestellt, die nicht einmal grüne Hochburgen in der Stadt für sich gewinnen konnte. Die SPD hatte sich derweil lieber für einen verdienten, aber wenig charismatischen Stadtrat entschieden, statt ihrem jungen und ehrgeizigen Präsidiumsmitglied Marian Schreier eine Chance zu geben. Der ging dann unabhängig und bedroht von einem Parteiausschlussverfahren ins Rennen.

Schreier erwies sich nach dem ersten Wahlgang und dem Rückzug der Grünen-Kandidatin als einziger Kandidat, der die Mitte-linken Stimmen hätte bündeln können. Doch Hannes Rockenbauch, langjähriger Stadtrat, Galionsfigur des Stuttgart-21-Widerstands und Kandidat des linksökologischen SÖS, war nicht bereit, über Schreiers Anzüge und Gelfrisur hinwegzusehen und mit ihm ein Bündnis für ein ökologisches Stuttgart zu schmieden.

Man kann Rockenbauchs Bündnisunfähigkeit als Egotrip oder linken Populismus bezeichnen. Jedenfalls hat er damit einem Oberbürgermeister ins Amt verholfen, der Klimaschutz auch irgendwie wichtig findet, aber sonst für ungebremsten Autoverkehr steht.

Bei allen Unterschieden zwischen Kommunal- und Landespolitik: Potenzielle Wähler der neuen „Klimaliste“, die in Baden-Württemberg zur Landtagswahl im März antreten will, sollten sich das politische Scheitern des ökosozialen Lagers in Stuttgart ganz genau anschauen. Am Ende könnte ihre Stimme, trotz bester Motive, den Grünen und vielleicht auch der Linkspartei entscheidende Prozentpunkte kosten und dafür sorgen, dass die CDU wieder den Ministerpräsidenten stellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Benno Stieber
taz-Korrespondent BaWü
Benno Stieber ist seit 2015 Landeskorrespondent der taz in Baden-Württemberg. In Freiburg als Österreicher geboren, lebt er heute als eingefleischter Freiberufler wieder im badischen Landesteil. Er ist Absolvent der "Deutschen Journalistenschule" in München und hat dort auch Geschichte und Politik studiert. Er schrieb unter anderem für die "Financial Times Deutschland", hat einen erfolgreichen Berufsverband gegründet und zwei Bücher geschrieben. Eins über Migranten nach der Sarrazin-Debatte und eins über einen Freizeitunternehmer aus dem Südwesten.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Nachdem Marian Schreier sich weigerte zugunsten der Kandidatin Veronika Kienzle – als gemeinsame Kandidatin des sog. ökosozialen Lagers - seine eigene Kandidatur zurückzuziehen, war die Kandidatur von Hannes Rockenbauch (SÖS) folgerichtig für den 2. Wahlgang. Schreiers Botschaften waren schlicht zu dünn für die WählerInnen einer Landeshauptstadt, die dringend ein glaubwürdiges Engagement für Ökologie und Klimagerechtigkeit benötigen. Immerhin hatten dann mehr als 35 000 WählerInnen (17,8 %) genau diese Einschätzung. Die m. E. massive Werbung der Grünen in Stuttgart zugunsten des Kandidaten Schreier machte ein besseres Ergebnis unmöglich. Ob jetzt im Gemeinderat eine ökosoziale Mehrheit dem CDU-OB ab 2021 den Weg in eine überlebensfähige Zukunft weisen kann, liegt insbesondere an den RätInnen der Grünen und der SPD.



    Mein Rat an den Kommentator Benno Stieber: Mehr Sachkenntnis über Schwaben und Stuttgart würde helfen. Backnang ist keine Kreisstadt – führt aber den Titel Große Kreisstadt - und die CDU will die nächste Ministerpräsidentin stellen! Sogar schon die Lektüre der STNZ hätte hier Klarheit gebracht, nachlesen bei KONTEXT brächte Erkenntnis.

  • Supi, den Kommentar hätte das Lügenblatt BLÖD nicht besser schreiben lassen können. So so, alles nur eine Frage des Haargels und der Kleidung, dass der Herr aus Südbaden den Links-Ökologen in Sturgard nicht genehm war?! Also der junge Mann, den die SPD zuerst rauswerfen wollte, der von einer PR-Agentur aus der Schweiz quasi an der SPD vorbei nominiert wurde? Das hat Zukunft! Und das Linksökologische 'Lager'. Der Bergriff wurde zuletzt in der Ära des realexistierenden Sozialismus benutzt - das Ende ist bekannt. Es gibt ganz reale Unterschiede zwischen dem, was die Grünen, die SPD und SÖS-Linke in Stutgart und BaWü wollen. Aber es geht um die Fleischtöpfe der Macht. Eine SPD, die politisch im Ländle längst abgemeldet ist, wird um jeden Preis in eien Koalition wollen - egal mit wem. Kretschmann, die Automobilindustrie im Nacken, will im Ländle 'Papst' bleiben und küsst dafür jeden Diesel. Hinter ihm macht sich der Tübinger 'Ich mag keine Schwarzen auf dem Fahrrad' Palmer bereit, ihn zu beerben. Und über Inhalte spricht sowieso keiner - auch die taz nicht.

  • "Am Ende könnte ihre Stimme, trotz bester Motive, den Grünen und vielleicht auch der Linkspartei entscheidende Prozentpunkte kosten und dafür sorgen, dass die CDU wieder den Ministerpräsidenten stellt."

    Das wird nach gegenwärtigem Stand so oder so passieren; Kretschmann ist einfach nicht grün genug. Und seine Abwahl wird den Grünen hoffentlich deutlich zeigen, dass der Parteinachwuchs recht hat, und man mit schwartzgrünen Kinkerlitzchen keine Klimapolitik und generell keine progressive Politik und Zukunftsfähigkeit hinbekommt.

    Bei der Bundestagswahl wird es aber entscheidend sein, wieviele Stimmen die "Klimalisten" den R2G-Parteien abziehen und unter der 5%-Hürde versenken. Denn die aktuellen Umfragen zeigen, dass allein von der CDU/CSU-WählerInnenschaft noch ein signifikanter Anteil glaubt, 2021 wäre Corona schlagartig vorbei - und diese Leute werden noch bitterer von der Politik von Merkel, Spahn, Laschet und Söder enttäuscht sein als Restdeutschland.

    Wenn man sich anschaut, wie gut in Europa - selbst in den am schlimmsten betroffenen Staaten - die Maßnahmen der Regierungen wirken, und demgegenüber sieht, dass Deutschland nunmehr das kontinentale Schlusslicht in der Pandemiebekämpfung ist, dann ahnt man schon, dass auf die "Union" 2021 so einiges zukommt. Als Kanzlerkandidaten haben sie nur einen Covid-Verharmloser, drei Covid-Versager, und einen Nichtsundniemand aufzufahren. Und "Mutti" wird es auch nicht mehr reißen, die hat nach diesem Desaster mit Ansage fertig. Dass die BuReg von Japan als Vorbild redet - dem einzigen Land in Ostasien, das das Virus ums Verrecken nicht in den Griff bekommt - sagt schon alles.

    Aber trotzdem: R2G wird nur einen knappen Vorsprung hinbekommen; jede Stimme zählt!

  • Wie soll denn so eine Nachfolgewahl funktionieren, wenn schon Jahre zuvor kein Kandidat in den eigenen Reihen aufgebaut wird - vermutlich war die grüne Spitze zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ja, natürlich gehört zum politischen Überleben auch eine Portion weniger Ego dazu - aber auch nicht zu wenig; siehe Nopper "Was zählt OB-Erfahrung" ist ja wohl stark übertrieben.



    Bei so wenig professionell vorbereiteter Personalie in allen Reihen kann nur die zweite Reihe gewinnen.



    Nur weil die Grüne Spitze und Partei die Nachfolge "vergeigt" hat, sollte die Schuld nicht bei den anderen gesucht werden. Wie unprofessionell ist denn das schon wieder.

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    Schreier als drittplazierter hätte die Möglichkeit gehabt, zugunsten von Kienzle zu verzichten. War ihm kein Nachdenken wert. Stieber weiß dafür angeblich genau, daß Schreier der einzige gewesen sei, der "nach dem ersten Wahlgang ... die Mitte-linken Stimmen hätte bündeln können." Rockenbauch hätte für Kienzle verzichtet. Schreier nicht. Als Schreiber der Financial Times kennt Stieber sicher die Werber Schreiers. Diese Herrschaften, denen der Kauf von Kandidaten nachgesagt wird, hätte man in einem informativen Artikel erwähnen können. www.kontextwochenz...nnection-7131.html



    Dazu paßt, daß Schreiers Bündnisunfähigkeit Stieber konsequenterweise gar nicht auffällt.

    • @96177 (Profil gelöscht):

      In der Tat glaube ich, dass Kienzle bei gleichzeitigem Verzicht von Schreier und Rockenbauch eine gute Chance gehabt hätte.

      Analoges gilt jedenfalls aber auch für Schreier, der im ersten Wahlgang nur sehr knapp hinter Kienzle lag.

      Rockenbauch hingegen hätte auch bei Verzicht von Schreier nicht gewonnen, dafür polarisiert er einfach zu stark.

      Insofern halte ich den gegen Rockenbauch gerichteten Vorwurf des Egotrips durchaus für nicht unangemessen.

      Was aber auch nicht unerwähnt bleiben sollte: Nopper ist einfach nicht die Art von Konservativer, der linke Parteien zu einen vermag. Als Schreckgespenst taugt er einfach nicht.

      • 9G
        96177 (Profil gelöscht)
        @Grünspecht:

        Rockenbauch wollte gegen Kienzle nicht antreten, sondern den Weg für Sie freimachen. Kienzle hat zurückgezogen, weil eine Einigung auf einen Kandidaten wegen Schreiers Beharren, auf alle Fälle anzutreten, nicht möglich war. Die logische Folgerung daraus heißt dann tatsächlich: Egotrip von Rockenbauch?



        Im übrigen stellt sich nicht erst nach der Lektüre des Kontext-Artikels, ob Schreier links einzuordnen ist.

        • @96177 (Profil gelöscht):

          Nach dem Rückzug von Kienzle hatte Rockenbauch die Wahl, ob er durch seinen Rückzug Schreier eine Chance geben möchte oder aber nicht. Schreier hatte umgekehrt diese Option nicht. Nie und nimmer hätte nämlich Rockenbauch bei einer 1:1 Konstellation mehr Stimmen geholt als Nopper.

          Ob Schreier nun Ihrer Meinung nach "links" ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Unbestritten ist jedenfalls, dass er ein linkeres Profil hat als Nopper.

          Aber wie auch immer, jetzt hat Nopper das Ruder in der Hand. Mal sehen, ob er mehr draus macht, als sein grüner Vorgänger (der die Messlatte nicht wirklich hoch gehängt hat).

          • 9G
            96177 (Profil gelöscht)
            @Grünspecht:

            Ohne auf Inhalte einzugehen und das Sponsering von neoliberalen Schweizern zu erwähnen, rechnet Stieber Schreier umstandslos "dem linken Lager" zu. Motto: Alles was nicht CDU ist, ist links. Wenns so ist, gehts nur noch um rechnerische Prozente und Schlußfolgerungen derart: Egotrip vermasselt Prozente. Wo sind wir hingekommen mit solch angeblich politischen Kategorien in Zeiten, in denen in den nächsten noch bleibenden wenigen Jahren entscheidende Weichen gestellt werden müssen? Die CDUschen Herrenknechte haben vorführt, was ihnen dazu einfällt. Und eines läßt sich jetzt schon sagen: Nopper wird den Stil nicht revolutionieren.