Obdachlosencamp Rummelsburger Bucht: Nach der Räumung
Von Freitag- auf Samstagnacht wurde das Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht geräumt. Linke und Grüne bewerten die Situation unterschiedlich.
Mittlerweile stehen auch in einem Hostel an der Boxhagener Straße sowie auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf jeweils 100 Plätze für Obdachlose bereit. Das Hostel an der Köpenicker Straße, das bislang bis zu 100 Menschen aufnahm, gibt nun bis zu 120 Menschen Obdach.
Hönicke wird von Aktivist:innen sowie einzelnen Politiker:innen kritisiert – unter anderem dafür, dass die Aktion zu spontan, ohne Dolmetscher:innen und mitten in der Nacht stattgefunden habe. „Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass wir mehr Zeit gehabt hätten“, sagt Hönicke am Montag der taz. „Aber zu dem Zeitpunkt, als klar war, dass wir eine Unterkunft haben, konnte ich es nicht mit mir vereinbaren, zu warten.“ Hönicke stehe zu seiner Entscheidung. „Es war keine Räumung. Kein Mensch wurde rausgetragen.“
Norman Wolf, Vorsitzender der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg, sagt der taz: „Es war richtig, den Menschen eine Unterkunft zu geben.“ Über das Wie müsse er mit dem Kooperationspartner SPD noch mal reden. „Es war klar, dass es kalt wird. Deshalb fragt man sich, ob das vorher hätte besser kommuniziert werden können.“
Von einer Räumung will auch Wolf nicht sprechen: „Es war eine Hilfsaktion“, sagt er. Die Wagenplätze, die teilweise schon geräumt worden sind, könnten temporär in der Nähe wieder aufgebaut werden, darüber sei man noch in Verhandlung. Im Mittelpunkt sieht Wolf die Rolle des Eigentümers: „Natürlich trägt der Sozialstadtrat vor Ort eine Verantwortung, aber den Eigentümer würde ich nicht aus der Verantwortung ziehen.“
Wurde wegen des geplanten Aquariums geräumt?
Der Eigentümer des Grundstücks sieht vor, auf der Fläche ein großes Aquarium zu bauen – Coral World. „Der Eigentümer hat aber allein dadurch eine Verpflichtung den Menschen vor Ort gegenüber, weil sie schon so lange dort leben, dass ein Wohnrecht entstanden ist.“ Wolf findet, dass es „die ehrliche Variante wäre, dass der Eigentümer die Fläche dem Land Berlin zurückgibt“.
Philipp Ahrens, Kreisvorsitzender und Pressesprecher der Grünen in Lichtenberg, rückt weniger die Eigentümer als die Obdachlosen in den Mittelpunkt: „Ob die Rummelsburger Bucht geräumt wurde, um die Coral World zu erschaffen, ändert für die geräumten Menschen nichts.“ Es spiele keine Rolle, ob der Kälteschutz oder die Interessen der Eigentümer hinter der Räumung stünden, denn „die Leute mussten weg und nicht jeder Mensch wurde mit dem gemachten Hilfsangebot erreicht“.
Ahrens bereitet besonders große Sorge, dass man von vielen Obdachlosen nicht wisse, wo sie hingegangen seien. „Wir wissen das nur von dem Teil, der ins Hostel gegangen ist.“ Ahrens bestreitet nicht, dass eine Unterbringung in Hostels und ein Hilfsangebot gut seien. „Aber es gibt viele Gründe, warum Leute nicht in Unterkünfte gehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja