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Obama und die europäische LinkeDer treue Alliierte

Europas Grüne und Sozialdemokraten sehen in dem wiedergewählten US-Präsidenten einen Bruder im Geiste. Dies gilt nicht nur für die Vision vom Sozialstaat.

Finden sie die Friedensnobelpreisträger im Bild. Kleiner Tip: Es sind zwei Bild: dpa

ROM taz | In ganz Europa ist den Vertretern der linken Parteien ein Stein vom Herzen gefallen, als Obamas Wahlsieg feststand. In ihm sehen gerade die europäischen Sozialdemokraten und Sozialisten ebenso wie viele Grüne einen, der eigentlich genauso wie sie tickt.

Das gilt für die Bürgerrechte: Der alte-neue US-Präsident hat sich im Wahlkampf weit für die Rechte von Schwulen und Lesben aus dem Fenster gehängt. Er hat sich klar gegen die fanatischen Abtreibungsgegner aus den Reihen der Republikaner positioniert, und er zeigt sich, anders als die Republikaner, offen für eine Regelung zugunsten der etwa zwölf Millionen „illegal“ in den USA lebenden Einwanderer.

Das gilt für eine deutlich „europäischere“ Vision vom Sozialstaat, die die Democrats unter Obamas Führung zeigten, als sie zur Reform der Gesundheitsversorgung schritten, um endlich ein wenigstens halbwegs flächendeckendes Gesundheitssystem für alle Bürger einzuführen – ein System, das nicht umsonst für die Republikaner als angeblich „sozialistische“ Errungenschaft zum Roten Tuch im Wahlkampf wurde.

Das gilt nicht zuletzt für die Antworten, die in der Euro-Krise verlangt sind. Die US-Wirtschaft wächst, nicht zuletzt weil dort die erste Priorität eben nicht die Konsolidierung des Staatshaushaltes ist. Es war Tim Geithner, Obamas Finanzminister, der in den letzten Monaten immer wieder Angela Merkel und Wolfgang Schäuble auf die Pelle rückte, um eine Abkehr vom rigiden Austeritätskurs in der Euro-Zone einzuklagen.

Vorsichtiger Kurs

Das sind Positionen, die viel eher nach Hollande als nach Merkel klingen, die gerade bei den Linksparteien Südeuropas Beifall finden. Obama ist für sie in dieser Frage ein treuer Alliierter, der helfen kann, den Druck auf Merkel-Deutschland zu erhöhen.

Das gilt schließlich für die Weltpolitik: Obamas im Vergleich zu den Republikanern weit vorsichtigerer Kurs, zum Beispiel in der Iran-Frage, behagt der europäischen Linken weit mehr als die Mischung aus Isolationismus und Interventionismus, die womöglich bei einem Wahlsieg Mitt Romneys ins Haus gestanden hätte.

Da überrascht es nicht, dass sich so manche Teile der gemäßigten Linken in Europa – zum Beispiel in Italien, wo die Partei nicht umsonst schon heute „Partito Democratico“ heißt – sehr gut vorstellen können, ihre Beziehungen auch auf Parteiebene zu intensivieren.

Die Sozialistische Internationale liegt seit Jahren im Koma. An ihre Stelle könnte eine neue internationale Parteifamilie der „progressiven Kräfte“ treten – und die US-Democrats samt Präsident Obama wären in diesen Wunschträumen mit an Bord.

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7 Kommentare

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  • BG
    Bernd G.

    "Enteignung des Kapitals. Da sind sich praktisch alle einigermaßen einig."

    Ich hoffe nicht. Das Recht auf persönliches Eigentum ist eines der fundamentalen Rechte unseres Landes und eine wesentliche Triebfeder menschlichen Schaffens.

     

    Ich finde es auch bedenklich, einfach den Namen "sozialistisch" durch "progressiv" zu ersetzen und damit millionen von Toten auszublenden. Davon abgesehen ist an den Demokraten in den USA überhaupt gar nichts sozialistisch. Die sind eher als ultrakonservative Marktliberale zu verbuchen.

  • T
    Thy

    Also bitte, Obama ist definitiv nicht links. Über "links" kann man durchaus streiten, aber Obama isses sicher nicht. Man ist nicht schon links, nur weil man nicht so konservativ ist.

     

    Obama ist auch nur eine Marionette, ein Teil des Systems, des Kapitalismus (ja, ja, das klingt jetzt voll anarcho-autonom-krawall-mäßig). Für die Amis ist er wohl das geringere Übel im Vergleich zu den republikanischen Vollspinnern, aber im Grunde ist es egal, wer Präsident ist. Obama stellte Romney als "Anwalt der Reichen" dar, völlig richtig. Obama ist aber auch nichts Anderes. Mit einem Richtungswechsel hat(te) seine Wahl gar nichts zu tun. Obama ist Kapitalismus, die USA sind Kapitalismus. Und an sehr vielen Dingen KANN der Präsident gar nichts ändern, selbst wenn er wollte. Kapitalismus ist nun mal ungerecht.

     

    Und übrigens sehe ich auch Obama als Politiker kritisch, jetzt mal abgesehen vom Kapitalismus-Dingens. Guantanamo, Krieg dem Terrorismus, der "getötete" bin Laden, Abu Ghuraib, Irak, ...

  • M
    manfred (60)

    "Das gilt für die Bürgerrechte" - ja, besonders in Guantanamo oder für all die Drohnenopfer, über deren Leben und Sterben der Präsident im Alleingang und ohne jede rechtsstaatliche Grundlage entscheidet.

     

    "Das gilt für eine deutlich „europäischere“ Vision vom Sozialstaat..." - ja, wie Kennedy hat Obama erkannt, daß allzu viele soziale Spannungen die amerikanische Gesellschaft auch sprengen können. Daß das keine Theorie ist, zeigte die Bürgerrechtsbewegung der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Obama agiert nach dem Motto: Alles muß sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.

     

    "Das gilt schließlich für die Weltpolitik: Obamas im Vergleich zu den Republikanern weit vorsichtigerer Kurs, zum Beispiel in der Iran-Frage...". Das kann man auch anders sehen, Netanjahu beispielsweise meint, mit Obama an der Spitze sei es wesentlich leichter, die USA zu einem Waffengang gegen den Iran zu bewegen.

     

    Obama ist letztendlich der us-amerikanische Präsident und vertritt us-amerikanische Interessen. Solange die Arschkriecherei der europäischen "Eliten" kein Ende hat, werden wir immer nur die Befehlsempfänger des Weißen Hauses bleiben.

  • D
    Detlev

    Ich habe Obamas Bücher gelesen bzw. gehört und es hat mir gefallen, leider ist Obama bislang gescheitert und es sieht wieder nach erbarmungslosem Stillstand aus. Aber das Zeichen - manchmal wichtiger als der Inhalt - stimmt: Die USA sind heute anders als 1980 oder 1990. Es geht um die Bewahrung des amerikanischen Traums für eine breite, multikulturelle Mittelchschicht. Heute geht es in den USA nicht mehr um das große Dinge, viel Geld und Riesenautos, sondern der Mittelstand fürchtet um sein Überleben. Ich vermute, dass viele Mitt Romney nicht abkonnten, weil er diese Steuersenkungsideologie weiter betreiben wollte.

  • S
    St.Obama

    Europa ist ein super Vorbild was Finanzen angeht. Verteilen und besteuern bis nichts mehr da ist, außer für die obersten Parteibonzen. Sozialismus eben. Da könnte Obama bald gleichziehen.

  • V
    viccy

    @ Völker hört die Signale

    Danke für Deine Mühe. Ja, manchmal ist es doch befremdlich, wie wenig von routiniert-repetiv gebrauchten Worthülsen im Kern übrig bleibt, wenn man nur einmal mit scharfem Blick draufsieht. Den hast Du gezeigt.

  • VH
    Volker hört die Signale

    Jaja - dumm nur, dass "Sozialistisch" im Gegensatz zu "Progressiv" auch etwas bedeutet. Sozialistisch, dass ist Staatswirtschaft, Emanzipation der Arbeiterklasse, Enteignung des Kapitals. Da sind sich praktisch alle einigermaßen einig.

     

    Eine "Koalition der Progressiven" hingegen ist so sinnvoll wie eine "Koalition der religiösen Fundamentalisten", in der Hoffnung, man würde Evangelikale, Al-Kaida-Kämpfer und tibetische Theokraten schon irgendwie zusammenführen können.

     

    Progressiv nämlich bedeutet gar nichts. Beziehungsweise es bedeutet viel, sehr viel und überall etwas anderes. So viel, dass es nichts mehr bedeutet. Die Demokraten sind ebenso progressiv wie Die Linke, die FDP, die EZLN, Teile der KPCh oder die FARC. Die iranische Republik war zumindest am Beginn hochprogressiv, auch Baath oder MNLA sind progressiv. Dem Grunde nach war selbst die NSDAP progressiv.

     

    Zu behaupten, man könnte all diese Bewegungen und Parteien, oder auch nur eine kleinere Menge davon, in einer Sammlungsbewegung bündeln, ist entweder hoffnungslos naiv oder total bescheuert.

    "Progressiv" bedeutet genau genommen einfach "nicht konservativ" und beschreibt keine politische Agenda an sich. Die Konservativen haben insofern ja auch kein Programm, keine Agenda oder politische Philosophie - es ist nicht mehr als eine "rückwärts gewandte Utopie": "Früher war alles besser/das haben wir immer schon so gemacht, das lassen wir so". Was früher war, ist aber von Land zu Land unterschiedlich, Konservative wehren sich schlicht gegen den Fortschritt. Progressiv ist nun zu sagen: "Vielleicht war früher nicht alles schlecht, aber das heißt nicht, dass es nicht besser gehen kann" oder von mir aus auch "the times, they are a-changing". Progressive wollen die Zukunft gestalten - und wie soll die Zukunft aussehen? Dazu hat jeder Progressive nunmal eine ganz eigene Meinung...