Obama und Merkel beim G-7-Gipfel: Deutschland, der schönste Werbespot

Barack Obama lernt, eine Weißwurst zu zuzeln. Sieben Chefs gehen über eine Blumenwiese. Politische Themen gibt es auch.

Ein Mann und eine Frau laufen im Grünen.

Hach, wie schön: Angela Merkel und Barack Obama auf der grünen Wiese. Foto: dpa

ELMAU/KRÜN taz | Die Sache mit der Weißwurst hat geklappt, das kann der Landwirt Alois Kramer bezeugen. Der amerikanische Präsident schlitzte die Pelle längsseits auf und schabte das Fleisch elegant mit dem Messer heraus, so, wie es ihm der Ehemann der Bundeskanzlerin vorgemacht hatte. Bis vor wenigen Minuten saß Kramer noch neben Barack Obama auf einer Bierzeltbank.

Es waren Minuten, die Kramer so schnell nicht vergessen wird. Den knapp 2.000 anderen Einwohnern der Gemeinde Krün, Oberbayern, wird es ebenso gehen. Hier, auf dem Rathausplatz, treffen sich am Sonntagvormittag Angela Merkel und Barack Obama, bevor das G-7-Treffen begann. Eine „Begegnung mit Bürgern“ (Pressemitteilung) sollte es sein, wobei das etwas spontan klingt für eine gute Dreiviertelstunde, in der jede Sekunde genau orchestriert ist.

Gibt es überhaupt Spontanität, wenn sich ein US-Präsident und die Kanzlerin treffen? Wie viel an diesem G-7-Gipfel ist Inszenierung, wie viel echte Politik? Wird Politik zur leeren Hülle, wenn schöne Bilder alles überstrahlen, vom mächtigen Wettersteinkamm, den saftigen Wiesen, gut gelaunten Dirndl-Mädchen? Kramer ist jedenfalls aufgefallen, dass Obama nur alkoholfreies Bier trank, und „auch davon nur ein winziges Schlückchen“.

Der Zufall existiert beim Treffen der sieben Staatschefs nicht. Die Journalisten werden aus Garmisch-Partenkirchen in Transporthubschraubern der Bundeswehr hergeflogen. Keine Straßenblockade kann den Ablauf stören. Wie riesige Flugsaurier schweben die Maschinen auf eine Wiese in Krün herab, die Menschen in den Fenstern und auf der Straße filmen mit Smartphones. Überall Sicherheitsleute mit schwarzen Anzügen und Knopf im Ohr. Jeder Gully ist versiegelt, alle Straßen sind gesperrt.

Außerdem sind da: die Gebirgsschützen-Kompanie aus Walgau (grüne Trachtenjoppen). Der Trachtenverein Krün (graue Joppen). Die Alphornbläser, der Landrat, der Bürgermeister und dessen Tochter Antonia, die einen Blumenstrauß trägt und viel Verantwortung. Sie muss gleich Obama und Merkel begrüßen.

Die Einheimischen, die nicht in den Urlaub geflohen sind, nehmen die Gipfelshow erstaunlich gelassen. Neben dem extra aufgestellten Biergarten vor dem Rednerpult steht Franz Schubert, er trägt Lederhose und ist der Chef der Brauerei Karg, die das Bier spendiert hat. „Ich find’s großartig“, sagt er. „Hoffentlich schießen die Fotografen schöne Bilder von Obama mit meinen Gläsern.“ Die Präsidenten-Holzbank will Schubert hinterher in seinem Gasthof aufstellen.

Obama sagt „Grüß Gott“

Ein gigantischer Werbespot, vielleicht lässt sich der G-7-Gipfel so zusammenfassen. Regisseurin ist Angela Merkel, Protagonist ist Deutschland, das so gesund und fröhlich wirkt wie die Frau, die bei Landliebe die Erdbeerstückchen in den Joghurt rührt. Das Bild ist die Botschaft, und Merkel ist entschlossen, der Welt eine perfekte Republik zu zeigen. Die Natur wild, aber schön. Die Menschen weltoffen, aber bodenständig. Merkel friendly, aber top in Leadership.

Obama gewinnt den Rathausplatz mit zwei deutschen Wörtern für sich: „Grüß Gott!“ Dann reiht er Gag an Gag, er weiß, wie man Menschen für sich gewinnt. Gerade habe er die beste „Alpenhorn-Performance“ seines Lebens gehört, auch wenn er gestehen müsse, dass er keine Lederhose dabeihabe. Er schlägt vor, das Treffen mit den Staatschefs bei Bier und Brezeln unter freiem Himmel abzuhalten – nur mit den Sicherheitsleuten müsse man da ein bisschen verhandeln.

Obama streift in seiner Rede mehrere weltpolitische Themen, aber die wichtigste Botschaft ist einfach: Amerika und Deutschland stünden zusammen als „untrennbare Bündnispartner in Europa und rund um die Welt“. Beste Freunde, alles ist darauf abgestimmt. Obama und Merkel umarmen sich bei der Begrüßung, duzen sich demonstrativ, die Differenzen wegen der Geheimdienste werden behandelt, als seien sie nicht der Rede wert.

Von Krün aus fahren die beiden weiter, am Nachmittag steht die Begrüßung der anderen Regierungschefs auf dem Programm. Neben Schloss Elmau, einem Luxushotel in einem Tal ein paar Kilometer weiter, ist ein Pressezentrum in die Landschaft gesetzt worden. Eine mit Resopalplatten verkleidete Zeltkonstruktion, die nach dem Gipfel wieder verschwinden wird. Holztribünen bieten den Fernsehreportern Platz für ihre Aufsager mit dem Schloss und den Alpen im Hintergrund.

Schwarze-Anzug-Männer eskortieren jede Gruppe, und Pressebetreuer Enrico Hirsch gibt klare Anweisungen: „Wer vor mir läuft, für den ist der Termin sofort vorbei.“ Alle folgen brav.

„Good to see you again“

Bis zum Beginn des Events vergeht noch eine Stunde, in der sie die letzten Vorbereitungen beobachten dürfen. Aus dem roten Teppich vor dem Schloss entfernen Mitarbeiter noch die letzten Falten. Kurz bevor die Kanzlerin eintrifft, verschwinden alle Fahrzeuge und Personen, die das Bild vor dem perfekt ausgeleuchteten Schloss stören könnten.

Dann erscheint die Kanzlerin. Ein „Good to see you again“ für Barack Obama, ein etwas verfrühtes „Bon soir“ in Richtung François Hollande. Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer präsentieren sich als charmante Gastgeber. Direkt danach geht es zum traditionellen „Familienfoto“ auf einem Podest inmitten einer Blumenwiese.

Für einen kurzen Augenblick wird die perfekte Inszenierung gestört: Statt wie geplant zurück ins Schloss zu gehen, brechen Merkel und ihre acht Gäste – auch die EU-Repräsentanten Jean-Claude Juncker und Donald Tusk sind dabei – spontan zu einem kurzen Spaziergang auf, direkt vorbei am Pressetrupp, der von Sicherheitskräften hektisch vom Weg gescheucht wird. Doch wer weiß schon, ob nicht auch das genau so geplant war. Spontaneität und Entscheidungsfreude sind ja durchaus Beschreibungen, gegen die sich die Kanzlerin nicht wehren würde.

Brauchen könnte sie diese Eigenschaften auch bei den anschließenden Gesprächen. Ob beim Klimaschutz oder bei der Zukunft Griechenlands, in vielen Fragen sind sich die G-7-Chefs nicht einig. Was sie wirklich besprechen, wie die Stimmung ist, davon bekommt die Presse nichts mit. Doch auf eins können sich die Journalisten verlassen: Sie werden am Ende mit Sicherheit erfahren, wie erfolgreich und freundschaftlich das Treffen war. Schließlich überlässt das Bundespresseamt wenig dem Zufall.

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