piwik no script img

OSZE-Treffen in NordmazedonienSchwierigkeiten statt Sicherheit

Die OSZE befindet sich in einer Dauerblockade, wie das aktuelle Treffen erneut zeigt. Russland ist dabei, die Ukraine und andere Länder dafür nicht.

Skopje, 30.11.2023: der russische Aussenminister Sergei Lawrow beim OSZE-Ministertreffen Foto: Sebastian Gollnow/reuters

Berlin taz | Die Stimmung beim Ministerratstreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje war am Donnerstag gedrückt. „Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine steht im Widerspruch zu allem, was dieser Organisation lieb und teuer ist“, sagte Nordmazedoniens Außenminister Bujar Osmani zum Auftakt des Treffens.

Nicht nur der Gastgeber Nordmazedonien muss bei der Veranstaltung, die einmal im Jahr stattfindet, einen Spagat hinlegen. Denn anders als im vergangenen Jahr in Polen ist jetzt auch wieder Russlands Außenminister Sergei Lawrow anwesend.

Osmani fühlte sich bemüßigt klarzustellen, dass Lawrow nicht nach Skopje, sondern zur OSZE komme. Als OSZE-Vorsitzland empfange man alle Teilnehmerstaaten und Partner, hatte Osmani gesagt. Da hatten die Ukraine, Polen sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen ihr Kommen jedoch bereits abgesagt. Warschau bezeichnete Russlands Anwesenheit inakzeptabel.

Nachdem, was Lawrow am Donnerstag geäußert hat, dürften sie sich bestätigt fühlen. Die OSZE werde im Grunde zu einem Anhängsel der Nato und der EU gemacht, sagte Lawrow. Die Organisation stehe „am Rande des Abgrunds“ und es stelle sich die Frage, ob eine „Wiederbelebung“ sinnvoll sei.

Nicht mal Planungssicherheit

Zwar ist die OSZE nicht tot. Spätestens sei dem Beginn von Russlands Angriffskrieg am 24. Februar 2022 befindet sich die Organisation jedoch in einer Art Dauerblockade. Die OSZE, die am 1. August 1975 gegründet wurde und 57 Staaten umfasst, ist stark eingeschränkt. Der Grund dafür: Für die meisten Mandate brauchte es einen Konsensbeschluss der Mitglieder – genau daran krankt es.

So hat die OSZE seit zwei Jahren keinen regulären Haushalt mehr. Zwar wird die Arbeit fortgesetzt, doch von Planungssicherheit kann keine Rede sein. Der Posten für den OSZE-Vorsitz 2024 ist noch vakant. Den Zuschlag könnte Malta erhalten. Einer Kandidatur Estlands hatte sich Russland mehrmals in den Weg gestellt.

Auch bei der Besetzung von wichtigen Leitungsposten hakt es. Die Amtszeiten für vier davon, darunter jener von Generalsekretärin Helga Schmid aus Deutschland, laufen am 3. Dezember aus. Laut der Website „Security and Human Rights Monitor“, sei ein Vorschlag Nordmazedoniens zur Verlängerung der Amtszeiten um ein Jahr am vergangenen Montag am Veto von Russland und Belarus gescheitert.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte ihre Anwesenheit in Skopje mit der Notwendigkeit von mehr Zusammenarbeit begründet. Jede Mühe lohne, um die OSZE zu erhalten. Ob und inwieweit das Ministerratstreffen dazu wird beitragen können, ist noch unklar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Hier hat Baerbock völlig Recht: 》BundesaußenministerinAnnalena Baerbock (Grüne)hatte ihre Anwesenheit in Skopje mit der Notwendigkeit von mehr Zusammenarbeit begründet. Jede Mühe lohne, um die OSZE zu erhalten.《

    Und dassdie Ukraine, Polen sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauenihr Kommen abgesagt, Warschau Russlands Anwesenheit als inakzeptabel bezeichnet hat, führt in die Zeit vor dem Einmarsch Russlands zurück, als Putin von der Nato Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa gefordert hat.

    Was das Sicherheits- und Verteidigungsbündnis glatt abgeschlagen hat - immer noch ist die Frage offen, ob die Nato, trotz der Drohkulisse, des russischen Aufmarschs an den Grenzen, die Gefahr eines Krieges unterschätz hat - was ein Versagen in Hinsicht auf Sicherheit wäre -, oder ob das Verteidigungsbündnis den Krieg sehenden Auges in Kauf genommen hat - was, ginge es um Psychologie, als passiv-aggressiv bezeichnet werden kann www.aok.de/pk/maga...essives-verhalten/

    Polens Absage, an der Konferenz teilzunehmen, muss jedenfalls durch die alte, rechtspopulistische PIS-Regierung erfolgt sein, und ich finde wirklich, dass dringend in den Blick genommen werden sollte, inwiefern osteuropäischer Nationalismus einer Lösung dieses Konflikts im Wege steht.

    • @ke1ner:

      Das sicherpolitische Versagen begann schon bei der Ablehnung der NATO-Beitrittsgesuche der Ukraine und Georgiens.

      • @metalhead86:

        Bitte berücksichtigen, dass 2008 jeweils 2/3 der Bevölkerung gegen einen Beitritt war. Und jetzt mal ganz im Ernst; was wäre passiert wenn die Nato die Ukraine aufgenommen hätte. Russland hätte vor dem Eintritt die Ukraine und Georgien besetzt.

        • @Alexander Schulz:

          Wo nehmen die sie 2/3 her?



          Und warum hat sich Russland dann überhaupt gegen die Mitgliedschaft ausgeprochen?



          Und wieso hat Russland nicht das Baltikum rechtzeitig vor den dortigen Beitritten überfallen?



          Und wieso passierte der Überfall auf Georgien so kurz nach der Ablehnung?

          Die NATO ist die beste Abschreckung gegen Russland.

    • @ke1ner:

      "als Putin von der Nato Verhandlungen über eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur in Europa gefordert hat." Das hat er nicht er hat gefordert das sich die NATO aus ganz Osteuropa zurückzieht und keine neuen Mitglieder aufnimmt und von den USA Verhandlungen über die Aufteilung Europas in Einflusszonen.

      Russland hat Bedingungen gestellt nicht verhandelt. Die NATO hat gemeinsame Verhandlungen über Abrüstungen angeboten, und Rüstungskontrolle. Russland hat daraufhin Krieg angefangen.

      • @Machiavelli:

        Hier www.ostinstitut.de...ropa_OL_2_2021.pdf

        (Pdf), unter der Überschrift "Die russische Forderung nach Sicherheitsgarantien



        und der Aufbau einer Sicherheitsarchitektur in Europa" lässt sich in einer Veröffentlichung des Ostinstituts Wismar eine detailliertere Analyse der seinerzeitigen Forderungen Putins finden.

        • @ke1ner:

          Die Forderungen, ein de facto Ultimatum über dessen Einzelheiten Russland nicht bereit war zu verhandeln und bei dem Russland nichts anbat. Russland wollte ein formelle Ausrede haben um Krieg zu führen. Genauso wie die Sovietunion formell mit Finnland 1939 verhandelt hat.



          Das bisschen Ausrüstung und Truppen was die NATO vor dem Krieg in Osteuropa hat war noch nicht mal genug für eine Verteidigung geschweige den einen Angriff auf Russland.

          Es anzunehmen hätte bedeutet die NATO in eine Zweiklassen Allianz zu unterteilen. Russland hätte jederzeit im Baltikum und Polen einmarschieren können und die NATO hätte nicht adäquat reagieren können. Vorallem warum?



          Die NATO hatte keine großen Aufrüstungspläne, es hatte sich weltpolitisch nichts verschlechtert für Russland als fünf oder zehn Jahre zuvor, tatsächlich war Amerika weniger präsent in Europa also zuvor.

          Hätte Russland ernsthaft eine neue Sicherheitstruktur haben wollen hätte es in Vorkasse gehen müssen d.h. Rückzug aus der Ukraine für Truppenreduzierung der NATO, Abzug eigener Atomwaffen aus Kalinigrad etc. für Anbzug von Atomwaffen aus Deutschland etc.

      • @Machiavelli:

        Leider stimmt das so nicht. Auch hier möchte ich nochmal auf die Rede von Stoltenberg verweisen.



        Putin fortderte, dass die NATO ihre Infrastruktur aus den neuen östlichen Ländern inkl Soldaten zurückzieht (es ging nicht um einen kompletten Rückzug oder Austritt).



        Und die Abrüstungskontrollen, die angeboten worden sind klamerten viele Bereiche aus.



        Der russische Angriffskrieg ist unentschuldbar und eine kathrastophe, aber zu behaupten, dass man alles von westlicher Seite diplomatisch versucht hat ihn zu verhindern trifft nicht zu.

        • @Alexander Schulz:

          Ohne Soldaten und Infrastruktur sind die östlichen Mitgliedsstatten nicht zu verteidigen, marschiert Russland dann im Baltikum ein fallen die Staaten in 48h. Dann was? Die baltischen Staaten gehen halt, und nicht ganz ohne Grund davon aus, das der Rest der NATO sie nur verteidigt wenn sie von Tag 1 an durch eigene Truppen involviert ist. Dass sich ansonsten dir Stimmen durchsetzen die sagen man solle jetzt keinen fritten weltkrieg anfangen. Und nochmals warum will Russland diesen Rückzug so sehr das es deswegen einen Krieg mit der Ukraine (?) Anfängt? Die NATO bedroht russland nicht,sie nimmt Russland die Möglichkeit im post-sovietischen Raum als imperialistischer Akteur zu agieren.

        • @Alexander Schulz:

          "dass man alles von westlicher Seite diplomatisch versucht hat ihn zu verhindern trifft nicht zu."



          Damit haben Sie recht. Die NATO hat Putin nicht ihre Selbstauflösung zugesichert.



          Ich bin übrigens der Ansicht, dass selbst das den Krieg nicht verhindert hätte. Putins Forderungen waren ja so erkennbar unerfüllbar, dass sie IMO einfach den Zweck hatten, einen "Kriegsgrund" zu konstruieren, für einen Angriff, den Putin in der Form spätestens 2020 (meine persönliche Einschätzung) beschlossen hat.

        • @Alexander Schulz:

          " Putin fortderte, dass die NATO ihre Infrastruktur aus den neuen östlichen Ländern inkl Soldaten zurückzieht (es ging nicht um einen kompletten Rückzug oder Austritt). "

          Das mag ihr Verständnis der Buchstaben sein, effektiv war das aber eine Forderung nach freier Hand bis zur Elbe.

          • @metalhead86:

            Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich fand Putins Forderung unangebracht, trotzdem würde ja nachwievor die Beistandsklausel gelten. Hintergrund mag sein, dass Russland sich schon seit Jahren darüber ärgert, dass das Verzichten auf Stationierung westlicher Truppen durchs Rotationsprinzip (legal) umgangen wird.



            Man kann da natürlich schlecht nachgeben, aber unnötige Provokation hätte man auch einfach unterlassen können. Fakt ist, dass man auf ein Ultimatum nicht eingehen darf und kann. Fakt ist aber auch, dass Russland historisch gesehen durchaus an Verhandlungen interessiert war - so wurde zb das Ende von ABM sehr bedauert. Wir vergessen oft, dass Russland Anfang der 00er Jahren stark an einer Zusammenarbeit mit dem Westen interessiert war. Leider sind da kaum westliche Länder drauf eingegangen. Ein Versuch wäre es aber wert gewesen. Natürlich kann es sein, dass wir dann heute die gleiche Situation haben, es hätte aber auch alles ganz anders laufen können.

        • @Alexander Schulz:

          " Putin fortderte, dass die NATO ihre Infrastruktur aus den neuen östlichen Ländern inkl Soldaten zurückzieht (es ging nicht um einen kompletten Rückzug oder Austritt). " Ja damit Osteuropa schutzlos zurücklässt? Nachdem Russland schon zweimal zu dem Zeitpunkt in der Ukraine einmarschiert war? Und was bot Russland im Gegenzug?

  • Lawrow ist ein würdiger Vertreter eines höchst verachtenswerten Landes, dessen Chef Kriegsverbrecher, Multimörder, notorischer Lügner und Terrorist ist, obwohl er zuletzt wegen Xi nicht mehr mit Atom gedroht hat wie vorher häufig.

  • Manchmal frage ich mich ob Sergei Lawrow das alles selber glaubt was er da von sich gibt. Der Auftritt in der OSCE ist ohne Beispiel und unfassbar peinlich. Mit welcher Chuzpe Lawrow die Vertreter der Ukraine als "Nazis" bezeichnet und die Welt so auf den Kopf stellt.

    Lawrow erinnert mich auch an den Irakischen Informationsminister "Comical Ali". Mit dem Unterschied das Letzterer etwas unterhaltsamer als Lawrow war.

    • @Tom Lehner:

      Lawrow ist Propagandist nicht Diplomat, das ist seit dem Fall Lisa klar, Außenpolitik bestimmt Putin und sein innerster Kreis, da gehört Lawrow nicht dazu.

      • @Machiavelli:

        Das war eine rhetorische Frage.

      • @Machiavelli:

        Selten kann ich Ihnen zustimmen wie bei diesem Kommentar. Jedoch sollte vielleicht noch hinzugefügt werden, dass leider generell der Anteil von Diplomaten in der Aussenpolitik geringer wird, leider auch bei Demokratien.

        • @Alexander Schulz:

          Multipolare Weltordnungen sind von Gewalt geprägt da die Machtverhältnisse ständig im Fluss sind, gibt es eine Weltmacht findet Diplomatie mehr oder weniger nach deren Regeln statt, gibt es eine bipolare Weltordnung findet Diplomatie zwischen den Blöcken statt, in einer multipolaren Weltordnung ist alles ständig im Fluss und das macht Gewalt deutlich verführerischer als langsame Diplomatie.

          • @Machiavelli:

            Hier muss ich Ihnen auch schon wiedersprechen. Es gibt einen Grund dafür warum es seit 1991 mehr Kriege gab als in drei Jahrzehnten davor. Leider ist eine unipolare Weltordnung immer kriegerischer, da es nur noch einen "Player" gibt der frei agieren kann und es auf der anderen Seite viele kleinere Player gibt, die diesen Zustand ändern möchten.



            Am besten wäre natürlich eine multipolare Weltordnung von "Playern", die ähnliche Wertevorstellungen haben, aber das ist leider unrealistisch.

            • @Alexander Schulz:

              " Hier muss ich Ihnen auch schon wiedersprechen. Es gibt einen Grund dafür warum es seit 1991 mehr Kriege gab als in drei Jahrzehnten davor. Leider ist eine unipolare Weltordnung immer kriegerischer, da es nur noch einen "Player" gibt der frei agieren kann und es auf der anderen Seite viele kleinere Player gibt, die diesen Zustand ändern möchten. "

              Es starben aber deutlich mehr Menschen in Kriegen 1960-1991, als 1991-2022. Gerade die Phase amerikanischer Hegemonie 2000-2010 sah relativ wenig Tote.

              ourworldindata.org/war-and-peace

              1960-1991 war auch keine multipolare sondern eine bipolare Welt. Wenn sie ein Beispiel für eine mutlipolare Welt haben wollen: Dreißigjähriger Krieg, 1. und 2. Weltkrieg, 3 Königreiche in China, etc.

              Die Natur einer unilateralen Ordnung ist das niemand die Macht hat den Hegemon wirklich herauszufodern das sorgt für Frieden. Alle multipolaren Weltordnungen waren von extremer Gewalt geprägt. Alle, in der gesamten Menschheitsgeschichte. Das Pentarchie funktionierte auch nur weil die Gewalt in den Kolonien stattfand und selbst die sah den Krimkrieg, deutsche Kriege 1860, 1866 und 1870.

              Man muss sich auch nur mal einige der Player in der multipolaren Weltordnung anschauen:



              Russland: Imperialistisch



              Türkei: beansprucht die Hälfte des Mittelmeers und spielt mit Ansprüchen auf Nachbargebiete



              Iran: In fast jedem Nachbarland mit Milizen präsent.



              Saudi-Arabien: Gerade einen sehr brutalen Krieg im Yemen geführt.



              China: Grenzstreit mit fast allen Nachbarn.



              Frieden? Illusorisch.

              • @Machiavelli:

                "Gerade die Phase amerikanischer Hegemonie 2000-2010"

                Ich bin normalerweise nicht so kleinlich und im Wesentlichen auch bei Ihnen, aber eine Sache ist wichtig:

                Die amerikanische Hegemonie hatte ihren Zenit in den 1990er. Ab 2001 begann der stete Abstieg und parallel dazu der Aufstieg Chinas.



                Die Kriege haben die USA nicht gestärkt aber dafür deren Konkurrenten massive aufbauhilfe gegeben - Der Afghanistankrieg war effektiv mehr im russischen Interesse (Ablenkung des zentralasiatischen Islamismus von Russland und China - Toleranz gegen harte Antiterrormaßnahmen), der Irakkrieg hat vor allem Iran gestärkt und die irakischen Ölfelder unter russisch/chinesischem Einfluss gebracht, Libyen genau das gleich in grün.

                • @Chris McZott:

                  Auch die Zeit 1990-2000 war friedlicher als das zuvor. Vor allem viel friedlicher als alle multipolaren Ordnungen die wir davor hatten.