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OB-Wahl in HannoverSPD mit Tränen in den Augen

Die Landeshauptstadt in Niedersachsen wird nicht mehr sozialdemokratisch regiert. Jetzt entscheidet es sich zwischen Grün und Schwarz.

Sieger erkennt am Start. Verlierer auch. Hansmann, Onay und Scholz Foto: dpa

Das Ergebnis ist so überraschend wie erwartbar: Belit Onay und Eckhard Scholz gehen nach der Oberbürgerwahl in Hannover am Sonntag in die Stichwahl. Der Grüne Onay und der parteilose Scholz, der für die CDU ins Rennen ging, liegen mit je 32,2 Prozent der Wählerstimmen gleichauf. Wie genau eine solche oder eine ähnliche Pattsituation aussehen könnte, war bis zum Schluss unklar. Dass es keine eindeutige Entscheidung geben würde, schien schon länger relativ klar. Für die niedersächsische Hauptstadt ist das Ergebnis in jedem Fall eine neue Erfahrung.

Doch der Sonntag dürfte sich vor allem aus einem anderem Grund stark in das politische Gedächtnis der Stadt einprägen: Die SPD, die in Hannover seit Ende des Krieges ungebrochen den Oberbürgermeister stellte, musste eine herbe Niederlage einstecken. Marc Hansmann, der einstige Stadtkämmerer, Vorstand des Energieversorgers Enercity, landete mit 23,5 Prozent Wählerstimmen weit abgeschlagen auf Platz 3. Das ist bitter – sowohl für Hansmann als auch für die SPD. So bitter, dass Hansmann den Tränen nahe war, als das Ergebnis verkündet wurde. Dass es für ihn, der mit der Stadt zwar eng verbunden, aber als SPD-Mann unter erschwerten Bedingungen angetreten ist, knapp werden würde, wusste er. Dass es so hart kommen würde, damit dürfte er nicht gerechnet haben.

Dieser Macht- und damit einhergehende Bedeutungsverlust der Sozialdemokraten in Hannover kommt nicht von ungefähr. Da ist zum einen die sogenannte Rathaus-Affäre, deretwegen diese vorgezogene Oberbürgermeisterwahl erst nötig geworden war. Stefan Schostok, der vorerst letzte SPD-OB, ist im Sommer wegen illegaler Gehaltszahlungen zurückgetreten. Die Affäre, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist, hat für den erheblichen Vertrauensverlust der Bürger*innen gegenüber der SPD gesorgt. Bürger*innen sprechen von „Misswirtschaft“, von „Gehaltserhöhungen nach Wunsch und Wille“, von „Vetternwirtschaft“.

Profil- und Farblosigkeit der SPD

Aber auch Hansmann als Person blieb in den vergangenen Monaten weitgehend unauffällig. Während der sportive Mann trotz seines offenen Lächelns stets ein wenig steif blieb, konnte insbesondere der Grüne Onay mit einer Art menschelnder Lockerheit die Wähler*innen für sich gewinnen. Ein Mantra, das viele Menschen in und außerhalb Hannovers singen: „Der ist so wahnsinnig sympathisch.“

Zum anderen spielt – ähnlich wie bei der Landtagswahl in Thüringen, bei der die SPD am Sonntag ebenfalls ein Rekordtief zu verbuchen hatte – die Bundespolitik eine starke Rolle. Die unglückliche Figur, die die Partei in der Großen Koalition abgibt, bleibt auch den Menschen jenseits der Berliner Republik nicht verborgen. Mehr noch, der Unmut über die Farb- und Profillosigkeit der SPD als kleiner Juniorpartner an der Seite einer mächtigen Union, überstrahlt alle Erfolge, die die SPD trotz allem für sich verbuchen konnte. Wo auch immer SPD-Leute in den vergangenen Wochen an Wahlkampfständen auftauchten, stets wurden sie vor allem zu bundespolitischen und kaum zu lokalpolitischen Themen befragt.

Hansmann will ab sofort wieder nur „Privatmann“ sein, wie er sagte. Die Stichwahl ist für den 10. November angesetzt.

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