OB-Stichwahl in Stuttgart: Kandidiert und blamiert
In Stuttgart könnte der nächste Oberbürgermeister von der CDU kommen. Das liegt weniger an Mehrheiten als am Versagen von SPD, Grünen und Bündnis Sös.
Eigentlich haben die ökologisch-fortschrittlichen Kräfte in der Landeshauptstadt eine Mehrheit in der Wählerschaft, wie die Zusammensetzung des Gemeinderats seit den letzten Kommunalwahlen zeigt. Und mit der Mehrheit aus SPD, Grünen und der Sös hat Kuhn auch sein Klimapaket für die Stadt durchgesetzt.
Doch für einen gemeinsamen Kandidaten hat es nicht gereicht. Wegen dieser Zersplitterung und der Schwäche der grünen Kandidatin Veronika Kienzle erhielt CDU-Mann Nopper im ersten Wahlgang 32 Prozent der Stimmen. Umfragen zum zweiten Wahlgang sehen ihn in der Stichwahl am Sonntag bei 37 Prozent.
Besonders für die Grünen ist das schon jetzt eine Niederlage mit Anlauf, die Fritz Kuhn mit seinem überraschenden Rückzug im Januar gestartet hatte. Kuhn war nach einer langen Politkarriere 2012 mit großen Erwartungen als erster Grüner in das Amt gewählt worden, hatte aber nach Meinung vieler dann eine wenig glanzvolle Amtszeit hinter sich gebracht. Wichtige Veränderungen der Stadt bei Verkehr und Wohnungen war er nur zögernd angegangen. Bei einer weiteren Kandidatur wäre seine Wiederwahl keineswegs sicher gewesen. Aber die Grünen hatten sich mit dem Bonus des Amtsinhabers zumindest gewisse Chancen ausgerechnet.
Promis wollten nicht
Kuhns Absage auf den letzten Drücker brachte die Grünen dann in Zugzwang. Schnell musste ein geeigneter Kandidat gefunden werden. Doch prominente VertreterInnen wie die fest in Stuttgart verankerte Landtagspräsidentin Muhterem Aras oder Cem Özdemir winkten rasch ab. Am Ende wurde dann die wenig charismatische und vielleicht auch mit zu wenig politischem Gewicht ausgestattete Stuttgarter Bezirksverordnete Veronika Kienzle zur Kandidatin.
Woran es bei den Grünen mangelte, das hatte die Stuttgarter SPD im Überfluss. Gleich zwei Sozialdemokraten gingen ins Rennen. Martin Körner, langjähriger Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat, war der offizielle, aber wenig charismatische Kandidat der SPD. Und quer zur Partei meldete sich auch der 29-jährige Marian Schreier als unabhängiger Kandidat. Der junge Bürgermeister der Bodenseegemeinde Tengen – immerhin im Präsidium der Landes-SPD – überging dabei alle Parteigremien und wäre deshalb fast aus der Partei ausgeschlossen worden.
Der erste Wahlgang Anfang November brachte dann für Veronika Kienzle enttäuschende 17 Prozent. Nur 2 Prozent dahinter landete überraschend stark der SPD-Querkopf Schreier. Bei den anschließenden Verhandlungen der KandidatInnen von Grünen und SPD, an denen auch der Sös-Kandidat und Anti-Stuttgart-21-Aktivist Hannes Rockenbauch teilnahm (im ersten Wahlgang 14 Prozent), wollte Kienzle trotz ihres schwachen Ergebnisses als gemeinsame Kandidatin von SPD, Grünen und Sös antreten.
Doch da spielte Schreier nicht mit, der sich nicht ganz unberechtigt als Einziger zutraut, Nopper zu schlagen. Kienzle zog enttäuscht zurück, der offizielle SPD-Kandidat Körner war schon vorher ausgeschieden. Sös-Mann Rockenbauch dagegen will nicht aufgeben. Für den Stuttgarter ist Schreier ein Neoliberaler, den er nicht unterstützen kann. In Schreiers Wahlprogramm könne man alles reinlesen, sagt Rockenbauch.
Der Spätzle-Kurz
Mit seinen gut sitzenden Anzügen, den weißen Turnschuhen und einem ebenso perfekt durchgestylten Wahlkampf („Der Junge kann’s“) kommt Marian Schreier tatsächlich eher wie die Spätzleausgabe von Sebastian Kurz daher. Die Unterstützung durch eine Züricher Werbeagentur und die Mitglieder in seinem sogenannten Sounding-Board, die der Operation Libero (OL) in der Schweiz nahestehen, wecken weitere Vorbehalte im linken Lager.
Denn das Schweizer Kampagnen-Netzwerk hat der rechtspopulistischen SVP bei Volksentscheiden zwar schmerzhafte Niederlagen beigebracht. Aber mit ihrer Wirtschaftsnähe steht OL auch in dem Verdacht, im Zweifel die Interessen der Großindustrie zu vertreten.
Die Stuttgarter SPD bleibt auch nach dem Rückzug ihres Kandidaten in Sachen Schreier gespalten. Dafür hat er nach Umfragen schon im ersten Wahlgang große Teile der Grünen-WählerInnen, vor allem der Jungen, für sich gewinnen können. Und so treten im zweiten Wahlgang mit Schreier und Rockenbauch nun zwei an, die es zumindest teilweise auf die gleichen WählerInnen abgesehen haben.
Landespolitik hält sich raus
Auf bemerkenswert großer Distanz bleibt die Landespolitik in diesem verwickelten Kampf um den prestigeträchtigen Oberbürgermeisterposten in der Landeshauptstadt. Ministerpräsident Kretschmann lieferte zwar pflichtschuldig ein Unterstützervideo für die grüne Veronika Kienzle, will aber in ihrem schwachen Abschneiden kein schlechtes Omen für die Landtagswahl im März erkennen. Von OB-Wahlen könne man keine politischen Trends ableiten, sagt er stoisch. Die Landes-CDU hofft, mit einem unerwarteten Erfolg in Stuttgart beweisen zu können, dass sie auch in Großstädten wieder Wahlsiege einfahren kann. Und die Landes-SPD schiebt den Schwarzen Peter für das unglückliche Taktieren den Stuttgarter Genossen zu.
Ausgerechnet Hannes Rockenbauch, der mit seinen Prozentpunkten Schreier verhindern und Nopper ins Amt helfen könnte, sagt selbstkritisch: „Das ökologische-soziale Lager hätte sich besser vor dem ersten Wahlgang auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt.“
Wie das geht, lässt sich westlich von Stuttgart beobachten. In Karlsruhe hat SPD-Oberbürgermeister Frank Mentrup beste Chancen, ab Dezember weitere acht Jahre regieren zu können. Mentrup war es 2012 mit Unterstützung von Grünen, Piraten und der Karlsruher Liste erstmals seit 1970 gelungen, der CDU das Oberbürgermeisteramt abzunehmen. Auch diesmal tritt er mit Unterstützung der Grünen an und gilt als aussichtsreichster Kandidat.
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