Nutzerzahlen auf X: Umbruch mit Nebenwirkungen
Der Plattform X gehen prominente Mitglieder abhanden. Darüber kann man spotten – aber wichtiger und besorgniserregender ist der Boom von Tiktok.
D er Deutschlandfunk, der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland und die Maus, also die orangefarbene aus der Sendung – sie alle haben der Plattform X, formerly known as Twitter, in den vergangenen Tagen den Rücken gekehrt. Nach einem Exodus in Wissenschaftskreisen scheinen nun auch zunehmend Multiplikator:innen X nicht mehr auszuhalten oder als obsolet zu betrachten.
Weiteres Zeichen eines beschleunigten Niedergangs: Ein wichtiger Investor hat jüngst erneut Abschläge auf die eigenen Anteile verbucht. Demnach wäre die Plattform aktuell nur noch rund 12,5 Milliarden US-Dollar wert. Kaufsumme waren bei der Übernahme durch Elon Musk vor über einem Jahr 44 Milliarden gewesen.
Der Niedergang hatte von Anfang an ein gewisses Popcorn-Potenzial. Zum einen, weil man Plattformen normalerweise eher bei ihrem Weg zur marktbeherrschenden Stellung zuschauen kann als bei der Selbstzerstörung. Zum anderen, weil Neueigentümer Elon Musk in der Vergangenheit nicht gerade als sympathischer, fairer, überlegter und die Arbeitnehmerrechte respektierender Unternehmer aufgefallen wäre.
TikTok als neue politische Kommunikationsplattform
Doch aller Schadenfreude zum Trotz: Was die politische Kommunikation angeht, ist eine andere Plattform maßgeblich geworden: Tiktok. Das ist nicht unbedingt von Vorteil. Denn Tiktoks Algorithmus scheint extreme Inhalte noch einmal mehr zu begünstigen. Und die langen und tiefen inhaltlichen Diskussionen, die Twitter in seinen Sternstunden hatte, gibt das Videoformat auf Tiktok schlicht nicht her.
Das Jahr dürfte insgesamt spannend werden, was die Entwicklung der Branche angeht: So will Meta für seinen Dienst Threads eine Anbindung ans Netzwerk Fediverse und damit an die Non-Profit-Alternative Mastodon schaffen. Das könnte Mastodon neuen Schub geben – oder die aktuell noch freundliche und konstruktive Diskussionskultur killen. Und schließlich werden in diesem Superwahljahr absehbarerweise mit künstlicher Intelligenz erstellte Inhalte die Kanäle fluten. Auch angesichts dessen wird es eine große Rolle spielen, wie die EU ihre neuen Plattformregeln durchsetzt – auch renitenten Akteuren wie Musk gegenüber.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs