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Nutzerzahlen auf XUmbruch mit Nebenwirkungen

Kommentar von Svenja Bergt

Der Plattform X gehen prominente Mitglieder abhanden. Darüber kann man spotten – aber wichtiger und besorgniserregender ist der Boom von Tiktok.

Elon Musk spricht mit Medienvertretern während des KI-Sicherheitsgipfels in Bletchley Park, Großbritannien Foto: Leon Neal/pool via reuters

D er Deutschlandfunk, der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland und die Maus, also die orangefarbene aus der Sendung – sie alle haben der Plattform X, formerly known as Twitter, in den vergangenen Tagen den Rücken gekehrt. Nach einem Exodus in Wissenschaftskreisen scheinen nun auch zunehmend Mul­ti­pli­ka­to­r:in­nen X nicht mehr auszuhalten oder als obsolet zu betrachten.

Weiteres Zeichen eines beschleunigten Niedergangs: Ein wichtiger Investor hat jüngst erneut Abschläge auf die eigenen Anteile verbucht. Demnach wäre die Plattform aktuell nur noch rund 12,5 Milliarden US-Dollar wert. Kaufsumme waren bei der Übernahme durch Elon Musk vor über einem Jahr 44 Milliarden gewesen.

Der Niedergang hatte von Anfang an ein gewisses Popcorn-Potenzial. Zum einen, weil man Plattformen normalerweise eher bei ihrem Weg zur marktbeherrschenden Stellung zuschauen kann als bei der Selbstzerstörung. Zum anderen, weil Neueigentümer Elon Musk in der Vergangenheit nicht gerade als sympathischer, fairer, überlegter und die Arbeitnehmerrechte respektierender Unternehmer aufgefallen wäre.

TikTok als neue politische Kommunikationsplattform

Doch aller Schadenfreude zum Trotz: Was die politische Kommunikation angeht, ist eine andere Plattform maßgeblich geworden: Tiktok. Das ist nicht unbedingt von Vorteil. Denn Tiktoks Algorithmus scheint extreme Inhalte noch einmal mehr zu begünstigen. Und die langen und tiefen inhaltlichen Diskussionen, die Twitter in seinen Sternstunden hatte, gibt das Videoformat auf Tiktok schlicht nicht her.

Das Jahr dürfte insgesamt spannend werden, was die Entwicklung der Branche angeht: So will Meta für seinen Dienst Threads eine Anbindung ans Netzwerk Fediverse und damit an die Non-Profit-Alternative Mastodon schaffen. Das könnte Mastodon neuen Schub geben – oder die aktuell noch freundliche und konstruktive Diskussionskultur killen. Und schließlich werden in diesem Superwahljahr absehbarerweise mit künstlicher Intelligenz erstellte Inhalte die Kanäle fluten. Auch angesichts dessen wird es eine große Rolle spielen, wie die EU ihre neuen Plattformregeln durchsetzt – auch renitenten Akteuren wie Musk gegenüber.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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11 Kommentare

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  • Lange musste ich warten, doch jetzt ist Bluesky schneller, schöner und dort sind die Leute, denen man folgen möchte. Dagegen für Threads, oder sollte es Threats heißen? braucht man ein Instagram Account. Das muss nicht sein. Mein Tipp: jetzt wechseln, Bluesky rockt!

  • vielen Dank für den Artikel.



    Der Link im letzten Absatz bei "die Non-Profit Alternative Mastodon" führt zu einem gar nicht passenden Artikel (der ist über Bluesky). Passender wäre bspw. dieser Artikel: taz.de/Twitter-Alt...Mastodon/!5893407/

    • @caos_:

      Man kann sich letztlich bei beiden Diensten anmelden. Mastodon ist prima, nur der erste Seitenaufbau dauert bei mir ewig.

  • Gut geführte Mastodon Instanzen schließen die Beförderung von "Threads" komplett aus. Ein wichtiges Auswahlkriterium, also: Augen auf bei der Serverauswahl!

    • @Jolo:

      Das ist eben das Problem. Es wird gewünscht, den eigenen Server aufzusetzen. Besser wären jedoch Instanzen, die zusammengehören. Ideal wäre die Kreisebene. Statt sich selbst eine Kommunikationsplattform zu basteln, sollten Kreise oder Sportverbände Server anbieten, wo dann auch die Offiziellen erreichbar sind. Damit wäre eine transparente Verwaltung möglich, die sonst undenkbar ist.

  • Ich seh das so, das es keine Rolle spielt, welche kommerzielle Plattform eins benutzt, da _alle_ Plattformen sowohl Engagement als auch Nutzungsdauer steigern müssen/wollen (weil das nunmal die Metriken sind, die für Werbetreibende interessant sind) und dementsprechend ihre Inhalts-Algos auf Polarisierung und das User-Interface auf "Addictiveness" optimieren. Kombiniert mit sog. (Micro) Targeted Advertisement (das genau die Datenhalden benötigt, über die sich alle Geheimdienste hocherfreut die Hände reibt) ist _jede*r_ Nutzer*in kommerzieller Plattformen (as well as any smartphoneuser) de Facto ein Spitzel für diese und hilft (Geheimdienst-)Datenbanken mit Informationen (wer kommniziert mit wem, worüber. Bewegungsprofile und und und vgl. zig Veröffentlichungen zu Datamining. Aktuelles Beispiel: media.ccc.de/v/37c...er_datenindustrie) zu füllen, für die früher Millionen von (bezahlten) Spitzeln in Kneipen, Vereinen oder sonstwo hätten sitzen müssen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist sei den genigten Leser*innen selbst zu bewerten überlassen :)

  • TikTok ist chinesisch. Übrigens hat elon gestern gepostet das die Seite neue Aufrufrekorde erreicht hat. Der GEZ finanzierte Deutschlandfunk hat sich dagegen hat sich dagegen von X verabschiedet. Soviel Meinungsfreiheit wie auf X tut manchmal weh - hier muss man selber erst mal paar rechtsradikale Sperren dann ist gut. Der Pressekodex der für mich entscheidet was ich wissen darf hat sich schon 2015 als falsch erwiesen. Das ist genau das was die Leute nicht wollen.

  • Klar, Musk ist nicht besonders sympathisch, das ist Zuckerberg auch nicht, der ist nur nicht so laut.



    Wem gehört eigentlich TicTok?

    • @Jesus:

      .. sicher versucht ByteDance alles, um Unabhängig zu bleiben, doch der chinesische Staat nutzt seinen direkten Zugriff. Es ist die direkte Fortsetzung staatlicher Propaganda, der dort seine KI testet.

    • @Jesus:

      Das chinesische Unternehmen ByteDance ist die Muttergesellschaft der Kurzvideo-App TikTok.