Norbert Walter-Borjans über CDU-Vorsitz: „Wir kommen auch mit Laschet klar“
Der neue CDU-Vorsitzende sei kein Organisationstalent, sagt SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Echte soziale Inhalte habe Armin Laschet nicht zu bieten.
taz: Herr Walter-Borjans, tut es Ihnen leid, dass BlackRock-Mann Merz nicht CDU-Chef geworden ist?
Norbert Walter-Borjans: Merz hat zwar am Samstag noch mal gezeigt, dass er selbst in seiner Partei Leute verprellen kann. Das ist aber nicht unser Kriterium für die Profilierung der SPD. Wir kommen auch mit Armin Laschet klar.
Aber Laschet ist mit seiner Bergmannsfolklore ein schwieriger Gegner. Er klang wie eine Kopie von Johannes Rau – versöhnen statt spalten.
Ich halte gerade in der Pandemie viel von versöhnen statt spalten. Laschet setzt diesen Bezug auf Johannes Rau bewusst ein. Es gibt aber einen Unterschied zwischen dieser Fassade und der realen Politik, die Schwarz-Gelb in NRW macht. Die Wirtschaft zu entfesseln steht dort ganz oben auf der Agenda. Die CDU fordert in der Pandemie ein Moratorium bei Klima- und Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten. Auch das ist Laschet – hinter der Bergmannsmarke seines Vaters.
Sie kennen ihn aus NRW. Wo sind seine Schwächen?
Verlässliche Organisation ist nicht seine Stärke. Das hat er immer wieder gezeigt – von verlorengegangenen Klausuren eines von ihm geleiteten Seminars bis zum Durcheinander an den NRW-Schulen in Coronazeiten. Sachkunde, Hartnäckigkeit und Vermittlungsfähigkeit beim Verhandeln, egal ob mit den Ländern oder den Staatschefs weltweit – das haben Angela Merkel und Olaf Scholz. Bei Armin Laschet hätte ich in Sachen Krisenmanagenent einen eher unruhigen Schlaf.
Wird sich mit Laschet etwas für die Groko ändern?
Laschet schreibt ja gesellschaftlichen Zusammenhalt groß. Wir werden ihn beim Wort nehmen. CDU und CSU mauern gerade da bei einer Reihe von Themen in der Groko.
Erwarten Sie Unterstützung bei der Entschuldung der Kommunen, die die SPD will?
Ja, die hat Laschet ja bisher gutgeheißen. Damit fischt er im Reservoir sozialdemokratischer Wähler. Jetzt werden wir sehen, ob hinter der Überschrift auch Inhalte stecken. Das Papier von Laschet und Spahn zeigt: Mit ihrem „Belastungsmoratorium für die Wirtschaft“ erklären sie das Gemeinwohl zum lästigen Kostenfaktor.
Rechnen Sie im Streit der Groko über das Lieferkettengesetz mit einer Einigung?
Wir sind dazu bereit. Was aber mit uns nicht geht, ist, dass nur Großunternehmen erfasst werden und die Handelsbeziehungen hinter dem unmittelbaren Warenexporteur im Dunkeln bleiben. Es muss ausgeschlossen sein, dass Uiguren in Zwangsarbeit Baumwolle pflücken, aber ein „sauberer“ Tuchproduzent in China die Baumwolle an uns vermarkten darf. Wir sind kompromissbereit.
Die NGOs sagen uns: Die Lage ist mitunter so schlimm, es ist besser, einen Kompromiss zu schließen, als mit der reinen Lehre nichts zu erreichen. Aber ein Kompromiss, der nichts erreicht, ist die schlechteste Lösung.
Es gibt auch Streit über das Umwandlungsverbot von Mietwohnungen und das Lobbyregister. Gibt es eine Einigung?
68, ist neben Saskia Esken einer der beiden Bundesvorsitzenden der SPD. Von 2010 bis 2017 war Walter-Borjans Finanzminister in Nordrhein-Westfalen im Kabinett von Hannelore Kraft.
Beim Umwandlungsverbot hatten wir ja schon eine Einigung. Doch Seehofer tut einfach so, als gäbe es die nicht. Das muss sich ändern. Beim Lobbyregister bewegen sich CDU und CSU nicht. Offenbar haben da einige gute Gründe, zu verhindern, dass man künftig weiß, welche BlackRock-Lobbyisten an Gesetzen mitstricken wollen.
Am Mittwoch wird Joe Biden als US-Präsident vereidigt. Was bedeutet das für Deutschland?
Die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen Umgang. Mit Kontroversen auf Augenhöhe.
Bleibt die Forderung, dass US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden sollen?
Ja, die sind kein zeitgemäßer sicherheitspolitischer Beitrag mehr. Wir wollen ein atomwaffenfreies Europa.
Die Bundesregierung will dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag aber nicht beitreten. Auch Heiko Maas ist dagegen. Was sagen Sie?
Es hilft ja nichts, gegen die Partner zu agieren. Wir sollten in einem ersten Schritt als Beobachter an der diesjährigen Konferenz teilnehmen und dort Einfluss nehmen.
Das sieht Maas anders.
Heiko Maas will vor allem keinen deutschen Alleingang. Das respektiere ich. Deutschland muss sich in der Nato für friedensfördernde Lösungen einsetzen.
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