Noch keine EU-weite Tracing-App: Coronakrise erreicht EU-Spitze
Von der EU empfohlene Coronamaßnahmen greifen nicht. Viele EU-Staaten haben zwar Coronatests ausgeweitet, doch die Auswertung dauert zu lange.
Bald kam zwar schon wieder Entwarnung: Von der Leyen sei negativ getestet worden, erklärte ihr Sprecher. Schon am Mittwoch – nach nur zwei Tagen Quarantäne – will die CDU-Politikerin wieder die Arbeit aufnehmen. Dann sei die Ein-Wochen-Frist seit dem Risikokontakt abgelaufen, so ihr Sprecher.
Doch Brüssel ist verunsichert. Denn von der Leyen hatte am EU-Gipfel Ende letzter Woche teilgenommen – gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und 26 anderen Staats- und Regierungschefs. Die Vertretungen der EU-Staaten seien informiert worden, betonte der Sprecher.
Das Treffen selbst hatte eine Woche später stattgefunden als geplant – weil auch EU-Ratspräsident Charles Michel vorsorglich in Quarantäne musste. Auch Michel hatte eine Person getroffen, die sich später als infiziert erwies. Die beiden Fälle zeigen, dass die Coronakrise die Spitzen der EU erreicht hat.
Kontaktrückverfolgung kaum möglich
Besserung ist nicht in Sicht. Denn die von der EU empfohlenen Coronaschutzmaßnahmen greifen nicht. Die meisten EU-Staaten haben zwar die Tests massiv ausgeweitet. Doch selbst in Belgien, am Sitz der EU, kommen die Testlabors nicht mit der Auswertung hinterher. Vielerorts muss man mehrere Tage oder gar Wochen auf das Ergebnis warten. Die Rückverfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten wird so erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht.
Auch gibt es noch immer keine europaweit funktionierende Tracing-App und sind die verschiedenen Apps nicht miteinander kompatibel.
Die EU-Kommission hat jetzt erst angefangen, sich um die nötigen Schnittstellen zu kümmern. In der Erprobungsphase werden die Daten der Coronatests aus sechs EU-Ländern getauscht – darunter Deutschland, Italien, Tschechien und Dänemark. Frankreich ist nicht dabei, weil Paris ein anderes System mit zentralem Datenspeicher nutzt. Wann der EU-weite Austausch kommt, ist nicht absehbar.
Reisewarnungen nach nationalem Gutdünken
Ein Riesenproblem sind auch die nationalen Reisewarnungen. Jedes EU-Land erlässt sie nach Gutdünken, aufgrund von nationalen Interessen und Empfehlungen. Dies führt zu Chaos auf Bahnhöfen und Flughäfen, zu Verzweiflung in der Reisebranche und behindert auch die Arbeit der EU. Denn wegen deutscher Reisewarnungen sind etwa Reisen zur Kommission nach Brüssel praktisch unmöglich.
Der deutsche EU-Vorsitz hat zwar eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich um eine bessere Abstimmung kümmern soll. Doch die Experten streiten über die Datenbasis: Sollen nur die Infektionszahlen, oder auch die Daten über Covid-19-Kranke und Tote herangezogen werden? Eine Einigung ist nicht in Sicht.
Derweil schlagen immer mehr Länder Corona-Alarm. Besonders angespannt ist die Lage in Spanien, Frankreich und Tschechien. Aber auch in Dänemark, Ungarn, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg steigen die Zahlen stark an.
Dies hat eine Debatte ausgelöst, ob es erneut zu Beschränkungen bei Ein- und Ausreisen kommen sollte. Die EU stemmt sich dagegen. Eine erneute, unkoordinierte Schließung der Grenzen wie im Frühjahr müsse unbedingt vermieden werden, heißt es in Brüssel. Doch Ungarn hat schon dichtgemacht. Denn das letzte Wort haben die nationalen Regierungen – nicht die EU.
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