Niederlandes angehende Regierung: Neue Koalition will mehr Atomkraft
Die neue Koalition in Den Haag gibt sich sozial, will mehr Klimaschutz, mehr Mindestlohn, mehr Wohnungen. Bei der Energie macht sie eine heftige Wende.
![Mark Rutte mit Koalitionspartner auf einer Bühne mit Mikrofone Mark Rutte mit Koalitionspartner auf einer Bühne mit Mikrofone](https://taz.de/picture/5283087/14/29067677-1.jpeg)
Mit großen Ambitionen wollen der alte und neue Premier Mark Rutte und sein in den kommenden Wochen zu formendes Kabinett nun das Ruder herumreißen. Der Klimaschutz und auch der zu hohe CO2-Ausstoß sollen endlich ernsthaft angegangen werden, man will bezahlbare Wohnungen bauen, das Gesundheitssystem verbessern, mehr Chancengleichheit und in die Bildung investieren. Auf den ersten Blick klingt das auffällig sozial und ökologisch für eine Koalition, in der erneut Ruttes VVD den Ton angibt – die für Austerität steht und vor nicht zu langer Zeit für ein Tempolimit von 130 auf den Autobahnen plädierte.
Der neue Koalitionsvertrag enthält nun einen um siebeneinhalb Prozent höheren Mindestlohn, bis zu 100.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon mindestens zwei Drittel zu moderaten Preisen zu mieten oder zu kaufen. Kinderbetreuung soll zu 95 Prozent gratis werden, die vor Jahren abgeschaffte Basisfinanzierung für StudentInnen wird wieder aufgenommen. 60 Milliarden Euro will man in Klimaschutz und die Lösung der CO2-Krise stecken. Zudem gibt es in Den Haag künftig ein eigenes Ministerium für Klima und Energie.
Was Letztere betrifft, machen die Niederlande eine auffällige Kurskorrektur: Die Koalition plant den Bau zweier neuer Atomkraftwerke, dazu soll die Laufzeit des bestehenden in Borssele verlängert werden. Ein Schritt, der nicht nur auf den Abschied vom Groninger Erdgas und die aktuelle Energieunsicherheit zurückgeht, sondern auch darauf, dass Atomkraft neuerdings als klimafreundliche Energiequelle gehandelt wird.
Sigrid Kaag, Chefin der liberalen D66, sagte bei der Vorstellung, der Koalitionsvertrag zeuge von „sozialem Gefühl“ und einem „progressiven Blick auf die Zukunft“. Kaag war für eine sozialere Politik mit mehr BürgerInnennähe angetreten. Auch Premier Rutte fordert seit Monaten eine „neue Verwaltungskultur“ – eine Folge der Kindergeld-Affäre, bei der rund 20.000 Eltern zu Unrecht als SozialbetrügerInnen gebrandmarkt wurden und die im Januar zum Rücktritt der letzten Regierung führte.
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