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Nichtspender über Organspenden„Das sind immer noch meine Organe“

In Deutschland werden immer weniger Organe gespendet. Warum ist das so? Ein Nichtspender schildert seine Bedenken.

Ist ein Angehöriger schwer erkrankt, muss seine Familie sich plötzlich mit dem Sterben beschäftigen Foto: dpa
Interview von Ebru Tasdemir

taz: Herr Barthel, vor sechs Monaten haben Sie eine Patientenverfügung ausgestellt, in der Sie explizit angeben, Ihre Organe nicht spenden zu wollen. Warum?

Sven Barthel: Vor einem Jahr ist mein Geschäftspartner schwer erkrankt. Ich musste mich ad hoc mit den Themen Krankheit und Tod ­beschäftigen und habe gesehen, wie sehr das eine Familie in ­Schwierigkeiten bringen kann. Als ­Selbständiger bin ich es gewohnt, Dinge in die Hand zu nehmen und ­vorauszuplanen. Ich will, dass meine Angehörigen wissen, was mit meinem Körper ­geschieht. Auch für mich selbst möchte ich sicherstellen, dass mein Körper nach meinem Tod so bleibt, wie er ist.

Warum ist Ihnen das wichtig?

Wenn ich tot bin, bin ich das nicht nur im Kopf, sondern auch mit dem Körper. Auch wenn ich ­hirntot bin, sind das immer noch meine Organe. Das ist eine sehr persönliche Sache. Auch meine Frau könnte damit nicht umgehen; sie ist sehr emotional. Deswegen möchte ich sie vor einer solchen Entscheidung beschützen. Ich spende aber regelmäßig Blut.

Hatten die Medienberichte über Organskandale in den vergangenen Jahren einen Einfluss auf Ihre Entscheidung?

Nein, das nicht. Aber im Zuge der letzten Migrationsbewegung nach Deutschland habe ich gelesen, dass Geflüchtete ihre Flucht auch mit der Entnahme ihrer gesunden Organen finanzieren. Meiner Meinung nach wirft das ein schlechtes Licht auf die Organtransplantationen. Ich weiß allerdings nicht, in welchem Umfang das sein soll.

Im Interview: Sven Barthel

Der 47-Jährige ist selbstständig und Vater von zwei kleinen Kindern. Sein Name wurde auf seinen Wunsch hin von der Redaktion geändert.

Mal angenommen, ein Familienmitglied wäre plötzlich auf eine Organspende angewiesen. Was dann?

Ich würde hoffen, dass dann jemand da ist. Oder mich ­selber zur Verfügung stellen. Aber meine generelle ­Entscheidung gegen eine Organspende werde ich wohl nicht ändern.

Was denken Sie, warum mangelt es an Spenderorganen?

Die ­aktuelle Situation entsteht denke ich auch dadurch, dass der Tod in unserem Alltag kaum thematisiert wird. Wir sind so mit Leben beschäftigt, dass wir uns die Frage nicht stellen, ob wir spenden wollen oder nicht. Für mich habe ich das jetzt ­geklärt. Und kann damit leben.

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23 Kommentare

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  • So lange die Skandale nicht aufgearbeitet sind und Wiederholungen ausgeschlossen sind, gibt's nix! Letztendlich werden in Deutschland Leute profitieren, die sich stets einer solidarischen Gemeinschaft widersetzen, aber das noetige Geld haben, um sich Bescheinigungen jeglicher Art kaufen zu können.

  • Warum wird hier impliziert, dass die Bereitschaft, Organe zu spenden sinkt und gestern im taz-Artikel hieß es noch in de Überschrift "Die Zahl der Organspender sinkt. Die Bereitschaft zur Organspende ist aber bei den Menschen selbst nicht gesunken."

    Jetzt auf Sven B. rumzuhacken, nur weil er nicht spenden möchte, find ich auch nicht so pralle - es ist nun mal seine eigene Entscheidung...

    Ich bin theoretisch Spender, aber wenn cih morgen sterbe, schaut ihr alle in die Röhre, weil der Spendeausweis weg ist... Ich würde quasi als schlechter Mensch sterben..?!

  • Th. Friedrich hat es getroffen: Zentrales Register, in dem jeder eintragen kann, ob & was. Und Bonuspunkte für langejährige Spendenbereitschaft bei der Empfängerauswahl.

    • @s0r:

      Mir ist es eigentlich egal, was mit meinem Körper nach meinem Tod geschieht, aber solange ich lebe, will ich eines nicht:

      Organe eingepflanzt bekommen.

       

      Muss ich jetzt meinen Spenderausweis vernichten.

  • Wer seine Organe mit ins Grab nehmen, aber selbst bedient werden möchte, wenn ein Ersatzteil den Geist aufgibt, ist ein Schmarotzer. Deshalb sollte die Bereitschaft zur Spende zentral erfasst werden. Wer nicht spenden will, sollte im Bedarfsfall auf den Wartelisten hinter allen Patienten landen, die seit Jahren potentielle Spender waren.

    • @Thomas Friedrich:

      Herrn Barthel als Schmarotzer zu bezeichnen finde ich falsch - der Mann hat Bedenken und eine gewisse Vorstellung vom Körper, das macht ihn menschlich. Wer über Organspende redet mach sich angreifbar es ist zu widersprüchlich weil es zu komplex ist und zuviele Felder berührt. Komischerweise werden immer "harte" Antworten verlangt. Zudem hat die Sache einen Haken : Wer einmal auf einer Intensivstation nahe bei einem zukünftigen Organspender war und IHN bis zur Ausweidung betreut hat wer das ganze Procedere der Hirntodbestimmung usw. verfolgt hat ändert häufig seine Meinung, manchmal sein Blick auf die Menschen und den Apparat. Zudem die Frage ob ich selber spende ist oft leicht zu beantworten, viel schwerer Herr Friedrich ist die Frage : Würden sie auch die Organe Ihres Kindes freigeben, z. B. nach einem Motorradunfall ? Eine Frage die uns im Kern berührt.

  • Solange ich lebe habe ich Ansichten über alle möglichen Dinge des Lebens. Dazu gehört auch die Hoffnung, daß einiges von meinen Ansichten meinen körperlichen Tod überlebt. Da wäre es kontraindiziert, wenn jemand nur deshalb seine persönlichen Ziele, die meinen Zielen kraß widersprechen, weil er durch meine Organe weiterlebt.

  • Ja, die Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit ist nichts für Feiglinge.

    Es wäre allerdings zielführend diesem Artikel einen PRO-Organspendeartikel gegenüber zu stellen, schauen was in anderen Ländern besser läuft etc. usw.

    • @F.E.:

      In europäischen Ländern läuft gar nichts besser, man hat einfach eingeführt, jeder ist Spender, außer es gibt Widerspruch. Und dann vertraut auf die Faulheit der Leute.

  • 8G
    80198 (Profil gelöscht)

    Es ist ein Kulturproblem der KIRCHE. Es ist immer noch so, dassdie Mehrheit komplett vergraben werden möchte. Auch Verbrennung ist tabu. Daher müssen wir wirklich mehr über den Tod sprechen.

    • @80198 (Profil gelöscht):

      Sind sie Buddhist? Das ist die einzige Religion, die Organspende prinzipiell ablehnt (weil sie eine andere Vorstellung vom Vorgang des Sterbens hat, die Person demnach nicht "tot" ist, wenn nur das Herz aufhört zu schlagen oder der Hirntod eingetreten ist).

       

      Für die katholische und evangelische Kriche ist Organspende als Zeichen der Nächstenliebe durchaus gewollt. Auch der Islam und das Judentum (außer in der streng-orthodoxen Auslegung) stehen der Transplantation zustimmend gegenüber. Die Kirche hat somit mit dem Dilemma gar nichts zu tun.

      • @Cerberus:

        Meine katholische Tante hat sich noch geweigert, ihren Mann verbrennen zu lassen, obwohl das dessen Wunsch war. Grund war, dass es in der katholischen Kirche tatsächlich erst um 1970 rum möglich war, eine kirchliche Beerdigung zu erhalten.

         

        Desweiteren gibt es ausreichend völlig spinnerte Pietisten in diesem Land, die meinen, wenn sie ein Organ spenden, dann bei der Wiederauferstehung nicht vollständig wären.

         

        Religiöser Blödsinn ist nicht nur eine Sache der Moslems.

      • 8G
        80198 (Profil gelöscht)
        @Cerberus:

        Es gibt Gläubige Christen, die auch Nächstenliebe praktizieren. Viele Papierchristen sehen das emotional, wie im Artikel beschrieben und wollen nix hergeben. Genauso wie die Pegida Abendlandverteidiger nichts für Nächstenliebe übrig haben. Die Kirche sollte sich klar distanzieren von den Egoisten

  • "Wenn ich tot bin, bin ich das nicht nur im Kopf, sondern auch mit dem Körper. Auch wenn ich hirntot bin, sind das immer noch meine Organe."

     

    Wunderhübsch, jemand der am Stück kompostieren möchte. Möge er es genießen!

    Ich möchte das meine Organe in einer möglichen Neukonfiguration nochmal was erleben. :-)

  • Ein weiteres Mosaiksteinen, dass es schon länger in Richtung Ellbogengesellschaft geht.

  • Zitat: „Als Selbständiger bin ich es gewohnt, Dinge in die Hand zu nehmen und vorauszuplanen.“

     

    Aha. Nun ja. Ein Mann muss tun, was er tun muss. Manche „Dinge“ muss er planen und „in die Hand nehmen“. So will es unsere Kultur. Unsere Kultur will aber auch, dass er andere Dinge nicht plant oder in die Hand nimmt. Die muss er ausblenden auf Befehl unsrer Kultur, wenn er ein echter Mann sein will.

     

    Vielleicht muss man ja eine bestimmte Sorte Mensch sein, um als Selbständiger zu bestehen hier und heute. Fest steht aber, dass man bereit sein muss, die Konsequenzen seiner Entscheidung partiell zu ignorieren. Man darf zum Beispiel nicht darüber nachdenken, was im Ernstfall aus den eigenen Kindern werden soll, wenn in Bezug auf eine Organspende alle so denken wie man selber denkt. Auf Gleiches Recht für alle muss man sch... - äh: pfeifen.

     

    Ich kann und will mich derzeit nicht entscheiden. Brauch ich auch nicht. Der Gesetzgeber hat mir die Entscheidung abgenommen und an die Krankenkassen delegiert. So lange die nicht fragen, weil sie mich nicht verschrecken wollen, muss ich nicht antworten.

     

    Nein, ich vertraue „dem Gesundheitswesen“ nicht. So wenig wie ich Unternehmern oder der Gesamtgesellschaft traue. Ich habe nicht nur guten Erfahrungen gemacht mit all dem. Aber ich liebe meine Kinder. Die mit dieser Liebe verbundene Hoffnung ist größer als mein Misstrauen. So lange man mich also nicht dazu zwingt, werde ich nicht entscheiden, dass ich niemals spenden werde. Denn: Eine angestellte Frau wie mich lässt unsere Kultur durchaus mit ein paar offenen Fragen leben.

     

    Ein Trost ist mir bei all dem, dass ich im Ernstfall nicht enttäuscht werde. Wenn ich nicht schon zu Lebzeiten befürchte, dass all meine Mitmenschen kleine Barthels sind, hab ich gar kein Problem. Nach meinem Tod kann's mir schließlich egal sein, wenn ich doch falsch entschieden habe mit meiner Nichtentscheidung.

  • "Nein, meine Organe spend' ich nicht!!"

     

    Ist ja wie beim Suppenkasper!

     

    Warum so egoistisch? Wenn man tot ist, kann man auch ruhig funktionierende Organe spenden; drüben auf der anderen Seite braucht man sie eh nicht.....

    Aber dann schreien, wenn man selbst an der Reihe ist und dringend ein Organ benötigt......

     

    Ist wie beim Fluglärm oder Billigfliegern.....großes Geschrei, aber dann für 17,95 nach Malle.....

  • Organspende nur für Reiche? Nein Danke .

  • Sobald die Bürgerversicherung eingeführt wird gehöre ich zu den ersten die einen Organspendenausweis ausfüllen werden. Aber so lange wie ein 2-Klassen Medizinsystem haben gibt es nichts.

     

    p.s. Weiß jemand ob man einen Organspendeausweis nur auf GKV-Empfänger beschränken kann.

    • @insLot:

      Nein, das ist auch mein Problem.

       

      Sie können nicht bestimmen, wer Ihre Organe bekommen soll. Sie können somit auch dem nächsten Hitler das Weiterleben ermöglichen (Wobei das Weiterleben mit fremden Organen auch nicht unbedingt ein Vergnügen sein muss.).

       

      Es wäre eine Idee, wenn sich Interessengruppen zusammentun könnten, die sagen, wir geben unsere Organe gegenseitig ab, aber nur innerhalb unserer Gruppe.

    • @insLot:

      Sie wissen schon, dass das Organverteilungssystem abseits der Krankenversicherung organisiert ist? Es gibt EINE Liste für ALLE, die ein Organ benötigen. Dass es korrupte Ärzt*innen gibt steht auf einem anderen Blatt, ließe sich mit der Bürger*innenversicherung aber auch nicht verhindern.

       

      Also bitte keine Mythen verbreiten

      • @LesMankov:

        Beeindruckendes Missverständnis.

         

        Inslot schreibt, dass er/sie es nicht einsieht, dass eben WEIL es nur eine Liste für alle gibt, die Gefahr besteht, dass jemand ein Organ von ihm bekommt, der sich zuvor auf Kosten der Gesellschaft aus der solidarischen Krankenversicherung verabschiedet hat.

        Gäbe es aber eine Bürgerversicherung, dann würde diese Möglichkeit nicht mehr bestehen. Jeder Deutsche wäre Mitglied in der solidarischen Versicherung, und damit würde (von Spenden ins Ausland abgesehen) auch automatisch keiner, der ein Organ bekommen kann, sich egoistisch privat versichert haben.

         

        Solange es möglich ist, sich nicht mit seinen Mitmenschen zu versichern, sondern gegen sie, solange will Inslot nichts tun, was solchen Leuten möglicherweise seine Organe zukommen lässt.

         

        Muss man nicht gut finden, sollte man aber verstehen können.

    • @insLot:

      Das wäre auch nicht fairer. Ich bin privat versichert, will das aber nicht. Gibt allerdings keine andere Möglichkeit bei meinem Arbeitgeber...

       

      (Ach, ich bin übrigens Organspender. Wenn ich tot bin, brauche ich den Körper ja nicht mehr ;))