Neuwiedenthal-Prozess: Stumme Zeugen

Das Verfahren um die Randale von Neuwiedenthal wird von Merkwürdigkeiten beherrscht. Angeklagter auf freiem Fuß.

Umstrittener Polizeieinsatz: Im Verfahren gegen Amor S. wackeln die Belastungszeugen. Bild: dpa

Im Prozess um die Randale von Neuwiedenthal hat ein Polizist den Angeklagten Amor S. entlastet. Im Verlauf des "aufruhrartigen Tumults" habe er gesehen, wie der Angeklagte durch Armbewegungen "beschwichtigend" auf die aufgebrachte Menschenmenge eingewirkte habe, sagte der Polizist. Amor S. wird beschuldigt, dem Polizisten Günter J. durch einen Fußtritt in die Augenhöhle mehrere Schädelbrüche zugefügt zu haben.

Überhaupt scheint sich in dem Verfahren eine Wende abzuzeichnen: Amor S. wurde Anfang der Woche aus der Untersuchungshaft entlassen. Zwar hält das Gericht ihn weiter für "dringend tatverdächtigt", sieht aber keine Fluchtgefahr mehr.

Hintergrund des Sinneswandels dürfte das merkwürdige Aussageverhalten der Polizeizeugen sein. So hatte der Zivilfahnder S., der als einziger Amor S. des Fußtrittes bezichtigt, vor Gericht behauptet: "Ich weiß genau, dass es so war." Auf Nachfragen von Amor S. Anwalt Uwe Maeffert verweigerte er jedoch dann die Aussage und machte von seinem "umfassenden Aussageverweigerungsrecht" Gebrauch - mit der Begründung, dass gegen ihn im Zusammenhang mit dem Einsatz in Neuwiedenthal ein Verfahren wegen Körperverletzung im Amt anhängig sei. S. soll dem festgenommenen "Wildpinkler" - Auslöser des Großeinsatzes - im Streifenwagen einen Faustschlag versetzt haben.

Ebenso verhält es sich mit dem Polizisten H, der zusammen mit Günter J. den "Wildpinkler" festnehmen wollte. Da der Mann, der in ein Beet uriniert hatte, sich der Festnahme widersetzte, hatte Günter J. mit dem Teleskop-Stab auf ihn eingeschlagen und damit die umherstehenden Anwohner provoziert.

Der Beamte H., der Amor S. nicht direkt belastet, verweigerte ebenfalls die Auskunft auf Fragen über die Umstände des Einsatzes - der "Wildpinkler" hat gegen ihn Anzeige wegen Körperverletzung erstattet.

Der verletzte Polizist Günter J. hatte zunächst vor Gericht zu seiner Verletzung Teilangaben gemacht. Er habe in dem Handgemenge, das der Festnahme des "Wildpinklers" folgte, den Bruder des Angeklagten mit einem Griff zu Boden gebracht. Im Verlauf des Gerangels habe er plötzlich einen "dumpfen Schlag" an den Kopf verspürt.

Inzwischen hat Günter J. über seinen Nebenklageanwalt Walter Wellinghausen mitteilen lassen, dass auch er "umfassend" die Aussage verweigert, die noch nicht abgeschlossen war - für alle Phasen des umstrittenen Polizeieinsatzes.

Für Verteidiger Uwe Maffert entwickelt sich das Verfahren zur "Totgeburt", da durch das Aussageverhalten der Polizisten "Angaben nicht hinterfragt werden können". So bestehen für Maeffert "erhebliche Zweifel", dass der Zivilfahnder S. überhaupt den Vorfall gesehen hat. Denn von Kollegen ist er direkt am Geschehen nicht wahrgenommen worden.

Der Polizist S. kennt den Angeklagten Amor S. seit Jahren. Er hält ihn wegen Vorstrafen für einen Intensivtäter und hat mal zu ihm gesagt: "Wir sind die Guten und ihr seid die Bösen - der Sumpf der Straße."

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