Neuseelands neue Labour-Chefin: Und die Familienplanung?
Wenige Stunden ist Jacinda Ardern im Amt. Und was interessiert die Presse an Neuseelands Labour-Chefin? Ihr politisches Programm jedenfalls nicht.
Es dauerte nur wenige Stunden, bis es um ihren Uterus ging: Die neue Chefin der neuseeländischen Labor-Partei, Jacinda Ardern, wurde am Dienstagvormittag ins Amt gewählt, am Dienstagabend saß sie dann in einer nationalen Polit-Talkshow und musste sich zu der Frage äußern, ob sie denn Familienpläne habe. Ist in etwa so, als hätte Anne Will im März Martin Schulz gefragt: „Hey, 100 Prozent, krasses Ergebnis, aber jetzt sagen Sie mal, sind Sie noch zeugungsfähig?“
Gut, Talkshow-Moderator Jesse Mulligan hatte sich alle Mühe gegeben, die Frage in einen unverfänglichen Kontext zu stellen: „Viele Frauen in Neuseeland sind mit dem Dilemma konfrontiert, sich für eine Familie zu entscheiden oder für eine Karriere.“
Stimmt. Und stimmt auch, dass Politikerinnen wichtige Vorbilder sein können, um Frauen zu helfen, genau mit diesem Dilemma umzugehen. Trotzdem hätte man der neuen Oppositionsführerin an ihrem ersten Arbeitstag auch Fragen zu ihrem politischen Programm stellen können. Die neuseeländische Labour-Partei verzeichnete zuletzt äußerst schlechte Umfragewerte und erhofft sich von dem Wechsel an der Spitze einen Auftrieb.
Oder, wenn es denn unbedingt persönlich werden soll: Ardern ist Ex-Mormonin und bezeichnet sich heute als Agnostikerin, sie ist DJ und mit 37 Jahren die jüngste Labor-Chefin. Darüber gäbe es eine Menge zu quatschen, aber 37 – da rappeln bei den TalkshowredakteurInnen erst mal stellvertretend die biologischen Uhren.
Einfach diskriminierend
Ardern blieb gelassen, allerdings nicht mehr, als sie am nächsten Morgen in einer Radioshow dieselbe Frage aufgetischt bekam, dieses Mal von Moderator und Ex-Cricketspieler Mark Richardson.
Richardson befand, es sei das Recht eines Arbeitsgebers, die Familienpläne von Frauen in dem Moment zu erfahren, wo er sie einstellt. Schließlich müsse er ja Vorkehrungen treffen, wenn seine Arbeitskraft ausfällt.
Ardern entgegnete, es sei „inakzeptabel im Jahr 2017 zu fordern, dass Frauen diese Frage am Arbeitsplatz beantworten“. Streng genommen ist die Frage nicht nur inakzeptabel, sondern einfach diskriminierend. Denn genau wie Deutschland hat auch Neuseeland ein Antidiskriminierungsgesetz, das Arbeitgebern verbietet, BewerberInnen wegen ihres Geschlechts die Chancengleichheit zu verweigern. Heißt: Es muss zumutbar sein, dass eine Arbeitnehmerin – oder ein Arbeitnehmer, hoho – mal ausfällt, weil sie oder er ein Kind erwartet. So etwas passiert ja in der Regel nicht von heute auf morgen. Mutterschaftsurlaub ist sogar viel besser plan- und vorhersehbar als manche Kündigung. Oder, nur als Beispiel, als der überraschende Rücktritt von Arderns Vorgänger Andrew Little – mit dem die Partei offenbar spontan ganz gut umgegangen ist.
Warum also die ganze Fragerei? Nicht etwa, weil Neuseeland sich rechtzeitig dafür wappnen muss, seine Oppositionsführerin wegen plötzlich einsetzender Wehen zu verlieren. Sondern weil sie eine Frau ist. Und bei Frauen in der Politik wird automatisch das Frausein zum Thema gemacht wird. Das gilt nicht nur für die Insel im Südwestpazifik, sondern allgemein: Politikerinnen sind automatisch Frauenrepräsentantinnen, ob sie nun wollen oder nicht. Und müssen bei jedem Frauenthema brav Rede und Antwort stehen, ob sie nun wollen oder nicht.
Klar, das Private ist politisch und PolitikerInnen sind dazu da, auch diese Themen zu diskutieren. Aber dann soll man doch Alexander Dobrindt auch mal fragen, ob er je eine Frau im öffentlichen Nahverkehr belästigt hat. So als Mann.
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