Neues zur Petition #FreeNahid: Einfach weggesperrt
Nahid Taghavi ist in Teheran zu zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Ihre Tochter kämpft von Deutschland aus um ihre Freiheit.
Am 27. Februar 2021 berichtete die taz über die Petition #FreeNahid auf Change.org. Mariam Claren wollte auf die Inhaftierung ihrer Mutter im iranischen Evin-Gefängnis im Norden Teherans aufmerksam machen. Nun wurde ihre Mutter am 4. August zu zehn Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer Frauenorganisation plus acht Monaten Haft wegen Propaganda gegen die iranische Regierung verurteilt. Wie geht es weiter?
Am 28. August postet Mariam Claren ein Video auf Twitter: Menschen halten Schilder in die Kamera. „FreeNahid“ und „Happy Birthday Mama“ steht darauf. Es ist der 67. Geburtstag ihrer Mutter Nahid Taghavi. Seit fast einem Jahr sitzt die Kölnerin im iranischen Evin-Gefängis. Taghavi besitzt die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit. Aber der Iran erkennt die deutsche nicht an, daher bekommt Clarens Mutter keinen konsularischen Zugang. Taghavi ist ein politisches Druckmittel, um Deutschland etwa beim Atomabkommen zu Zugeständnissen zu zwingen.
194 Tage saß Clarens Mutter in Einzelhaft in der berüchtigten Abteilung 2A des Gefängnisses. Der Trakt unterliegt der Aufsicht der Revolutionsgarde: Isolationshaft, Augenbinde, Kameraüberwachung. Das religiöse Oberhaupt hat die wahre Macht in Iran. Ali Chamenei ist seit 1989 „Oberster Führer“. Die Revolutionsgarde, auch Sepâh genannt, ist seine Streitmacht. Die Revolutionsgarde kontrolliere den Geheimdienst, die Wirtschaft und das Militär. „Es ist ein Staat im Staat. Meine Mutter ist Gefangene des Geheimdienstes“, sagt Claren.
Am 16. Oktober 2020 fuhr ein Krankenwagen vor der Wohnung ihrer Mutter in Teheran vor. „Jeder weiß, dass die Revolutionsgarde Krankenwagen benutzt“, sagt Claren. Um die wahre Absicht zu verschleiern. Nach ihrem Verschwinden findet Clarens Onkel in der verwüsteten Wohnung ein Schreiben, dass Nahid Taghavi festgenommen wurde. Eine Anklage gibt es monatelang nicht.
Im Evin-Gefängnis sollen Inhaftierte gefoltert worden sein
Seither kämpft Claren in Deutschland um die Freiheit ihrer Mutter – startet eine Petition, gibt Interviews, steht in Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und Amnesty International. Claren trifft sich auch mit internationalen Sendern, die die Iraner heimlich gucken. Laut Claren wäre alles besser als das staatliche Fernsehen. Drei Mal pro Woche darf sie mit ihrer Mutter telefonieren. Zehn Minuten. Ende Juli erkrankte ihre Mutter an Covid-19.
Ein Gerichtsverfahren in Iran hat nach Claren keinen Wert – es seien Scheinprozesse. Nur Tage nach der Urteilsverkündung im August wurde der Rechtsanwalt ihrer Mutter, Mostafa Nili, festgenommen. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Nili ist auf Menschenrechtsfälle spezialisiert.
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Am 22. August veröffentlichte die Hacker-Gruppe Edaalate-Ali (Alis Gerechtigkeit) nach ihrem Cyberangriff auf das Evin-Gefängis Videoaufnahmen, die teils Misshandlungsszenen zeigen. „Wir Angehörige saßen stundenlang vor den Videos und haben geguckt, wer da gerade gefoltert wird“, sagt Claren. Ihre Mutter bestätigte ihr am Telefon, dass sie seit dem Leak der Videos vermehrt nach ihrem Wohlbefinden gefragt werde.
Für Claren beginnt jetzt eine schwierige Zeit: ihre Mutter habe keinen Rechtsbeistand mehr, das Urteil wäre verkündet, und das Auswärtige Amt sei gerade mit Afghanistan beschäftigt. Claren kämpft weiter für ihre Mutter.
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