Oppositionelle über Wahl im Iran: „Frauen selbst bringen den Wandel“

Trump hatte recht und Irans Reformer sind machtlos, sagt die iranische Oppositionelle Faezeh Haschemi Rafsandschani. Sie hofft auf Druck von unten.

Frauen sitzen auf einer Treppe im Iran

Frauen im Iran verzichten trotz möglicher Sanktionen auf ein komplett verdeckendes Kopftuch Foto: Vahid Salemi/dpa

taz: Frau Haschemi Rafsandschani, Sie haben vor der Wahl vom vergangenen Freitag zum Boykott aufgerufen. Warum?

Faezeh Haschemi Rafsandschani: Weil ich keine Hoffnungen in die Reformer setze. Wir haben immer für die Reformer gestimmt, damit sie etwas verändern können. Die vergangenen vier Jahre hatten sie ihre Sitze, aber sie konnten nichts tun. Sie wurden mehr wie die Konservativen. Also: Wen hätten wir jetzt wählen sollen?

Ist durch den Boykott nicht eine Chance vertan? Der gemäßigte Kandidat Hemmati ist Wirtschaftsprofessor und hätte das Potenzial gehabt, die Wirtschaft zu verändern.

Hemmati war bereits in der Regierung. Er war Zentralbankchef und in seiner Amtszeit hat das Geld seinen Wert verloren. Hätte er irgendwas dagegen unternehmen wollen, hätte er es in seiner Amtszeit machen können. Warum sollten wir ihm jetzt glauben, dass er etwas verändert? Solange mein Vater noch da war, dachten Reformer, dass jemand sie unterstützt, aber jetzt beugen sie sich den Konservativen.

geboren 1962, ist die Tochter des ehemaligen iranischen Prä­sidenten Akbar Ha­sche­mi Rafsandschani, der das Land von 1989 bis 1997 regierte. Sie saß dreimal im Gefängnis, zuletzt zwischen 2012 und 2013. Im Jahr 2021 erschien ihr Buch, in dem sie Irans Justizsystem anprangert.

Aber auch unter der Präsidentschaft Ihres Vaters Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gab es Morde an Dissidenten.

Wenn jemand Präsident ist, hat er nicht gleich die Kontrolle über alle Bereiche. Während Chatamis Präsidentschaft zum Beispiel wurden viele Zeitungen geschlossen – aber es war nicht seine Schuld, sondern die des Informationsministeriums. Als ich sechs Monate lang im Gefängnis war, haben andere Insassen mir gesagt, dass während der Präsidentschaft meines Vaters Bahai als Minderheit nicht verfolgt wurden. Mein Vater hat sein Bestes versucht, um die Menschenrechte zu wahren.

Haben Sie sich als Präsidentschaftskandidatin registriert?

Nein. Und hätte ich es gewollt, wäre ich nicht zugelassen worden, weil ich im Gefängnis gewesen bin.

Auf Clubhouse sagten Sie, Donald Trumps Wiederwahl wäre für Iran besser gewesen. Doch unter Trump haben sich die Fronten verhärtet. Wäre es nicht im Interesse der Iraner*innen, zu diplomatischen Beziehungen zurückzukehren, damit die Sanktionen gelockert werden?

Während der 40 Jahre nach der Revolution haben wir nur dann Veränderungen gesehen, wenn wir unter Druck gesetzt wurden. Nach dem Interview (auf Clubhouse, Anm. d. Red.) habe ich viele positive Reaktionen bekommen. Die Menschen auf der Straße sagen: „Amerika ist nicht der Feind, der Feind ist die Regierung innerhalb Irans.“

Die Revolutionsgarden haben auch nach dem Abkommen (Atomabkommen von 2015, Anm. d. Red.) ihr Raketenprogramm ausgebaut und weiter eine aggressive Außenpolitik verfolgt. Zum Beispiel fließt das Geld der iranischen Menschen in Raketen nach Syrien, Libanon und Gaza. Deshalb mochten wir den Druck, den Trump ausgeübt hat. Ich bin nicht einverstanden mit dieser aggressiven Außenpolitik und ich bin gegen unsere Einmischung im Jemen und in Syrien.

Aufgrund Ihrer Bekanntheit haben Sie besondere Freiheiten, das System zu kritisieren.

Ich habe keine politische Position, um etwas zu verändern. Ich nehme auf, was die Menschen sagen und äußere meine Kritik in den Medien. Ich wurde sogar von der Universität geschmissen und ins Gefängnis gesteckt.

Wie weit kann die Frauenbewegung in Iran realistisch kommen?

Wenn Menschen den Druck erhöhen, muss die Regierung etwas verändern. In Teheran zum Beispiel tragen manche Frauen kein Kopftuch beim Autofahren oder auf der Straße. Manche Frauen haben damit angefangen, sie sind dafür ins Gefängnis gekommen, und nun machen es immer mehr. Sie haben auch dafür gekämpft, ins Stadion gehen zu dürfen. Der Sportminister hat sie nicht reingelassen, aber die Polizei hat die Türen des Stadions geöffnet, die Fifa hat gedroht, das Nationalteam von Wettbewerben auszuschließen. Die Zahl der Frauen, die sich auflehnen, wird größer. Die Frauen selbst bringen den Wandel, die Regierung kann sie nicht mehr kontrollieren.

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