Neues aus der CDU: Friedrich, der Geschrumpfte
CDU-Chef Friedrich Merz kann gleichzeitig sich und der Partei ein Bein stellen. Generalsekretär Carsten Linnemann steigert den Unterhaltungswert der Partei.
D ie Minderjährige, die zu meiner Hausgemeinschaft gehört, findet mich neuerdings bewundernswert, und zwar ganz ohne Ironie. Wie ich ein Auto lenken und gleichzeitig kuppeln, blinken, mit all den Fußpedalen zurechtkommen, auf die Schilder achten und mich auch noch mit ihr streiten kann – es ist wie ein Wunder.
Ich stelle hierzu fest: Ich bin über die positive Kompetenzzuschreibung freudig überrascht. In der Adoleszenz ihres Kindes wird man als Erziehungsberechtigte im Ansehen ja eher zusammengeschrumpft. Man fühlt sich irgendwann nur noch wie eine Miniatur der Mutterausgabe, die man früher einmal war. Und nun endlich eine Anerkennung meiner Multitasking-Fähigkeiten!
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass andere Erwachsene ebenfalls multitaskingfähig sind. CDU-Chef Friedrich Merz kann beispielsweise gleichzeitig sich selbst und seiner Partei ein Bein stellen, während er Parteifreunde und -feinde gegen sich aufbringt und sowohl gegen als auch irgendwie ein bisschen für eine Zusammenarbeit mit der AfD ist. Das alles unter einen Hut zu bringen, sollen die mäkelnden Merkelianer Friedrich dem Geschrumpften erst einmal nachmachen!
Da sich Merz gerne mit leicht variierenden Ausgaben seiner selbst umgibt, hat er sich vor Kurzem einen anderen Multitasker als Generalsekretär an seine Seite geholt: Carsten Linnemann. Er ist nicht nur promovierter Volkswirt und Bundestagsabgeordneter, sondern auch Schauspieler und Comedian. In seinem Podcast stellt er einen Journalisten dar, der mit verschiedenen Gästen spricht, darunter auch – wer hätte das gedacht – Friedrich Merz.
Döner Hawaii
Ich habe mich diese Woche ebenfalls selbst interviewt und Folgendes gesagt: Dieses Merz-Linnemann-Gespräch „Interview“ zu nennen ist genau mein Humor! Noch mehr gelacht habe ich nur darüber, einen Podcast, in dem ja nur geredet wird, „Einfach mal machen!“ zu nennen. Und dann erst der Wortwitz. Allgemein bekannt ist natürlich, dass der CDU-Chef so authentisch wirkt wie Döner Hawaii. Aber dies hervorzuheben, indem Merz immer wieder „Authenzität“ statt „Authentizität“ sagt – wunderbar selbstironisch. Zitat Ende.
Über den neuen Unterhaltungswert der CDU sollte aber nicht vergessen werden, dass der wahre Großmeister des Multitasking ein anderer ist: Bundeskanzler Olaf Scholz, derzeit nach Diktat ins „befreundete Ausland“ verreist. Er kann gleichzeitig im Urlaub sein und nicht vermisst werden. Im Gegenteil. Vizekanzler Robert Habeck darf dann die Kabinettssitzung leiten. Da auch Finanzminister Christian Lindner Urlaub geplant hat, könnte der Grüne geschwind die Schuldenbremse ausbauen und durch eine technologieoffene Wärmepumpe ersetzen. Einfach mal machen!
Übrigens ist das auch Markus Söders Motto. Bayerns Ministerpräsident hat einfach mal gemacht, allein schon um einer Verschrumpfung – mehr oder weniger erfolgreich – entgegenzutreten. Das Machen gehört selbstredend dokumentiert. Insgesamt wurden 2022 laut Staatskanzlei 220.000 Euro für Hoffotografen ausgegeben.
Make-Up-Artisten
Natürlich gibt es da wieder die Nörgler vom Bund der Steuerzahler, die meinen, so viele händeschüttelnde und bierkrughaltende Söder-Fotos bräuchte es nicht. Die Steuerzahler sollten lieber froh sein, dass der CSU-Chef nicht auch noch einen Make-up-Artisten engagiert. Für ihre Visagistin hat Außenministerin Annalena Baerbock nämlich im vergangenen Jahr 137.000 Euro ausgegeben.
Zum Glück habe ich es da leichter. Die Minderjährige schminkt gern. Und zwar jeden, der nicht umgehend die Flucht ergreift. Auch Jungs, denn alles andere wäre ja diskriminierend. Man hat allerdings kein Mitspracherecht, was die Details angeht. Sie ist schließlich Künstlerin.
Perfekt gestylt ging es auch auf den Verkehrsübungsplatz; Kupplung, Bremse, Gänge, Lenkrad, Blinker und dann noch die Welt außerhalb des Wagens. Und all das will ja auch gesnappt werden. Multitasking ist eine Herausforderung. Jedenfalls sagt die Minderjährige noch: „Ich habe alles unter Kontrolle.“ Und fuhr los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut