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Umgang mit der AfDAbgrenzen ohne auszugrenzen

Gastkommentar von Wolfgang Weber

Die demokratischen Parteien finden kein Mittel gegen Höcke & Co.. Die AfD zu integrieren, ist angesichts deren Extremismus zu riskant. Was dann?

AfD-Mitglieder sehen sich im Aufwind, wie dieser Delegierter in Magdeburg am 30.07.2023 Foto: Sebastian Willnow/dpa

A uf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg machten fast alle relevanten Medien der AfD den Hof. Höcke, der ungekrönte Führer der Partei, war der Magdeburger Medienliebling. Wo er ist, sind die Kameras und Mikrofone. Wenn schon eine AfD-Stimme einfangen, dann bitte eine radikale. Zumal die sogenannten Gemäßigten sich in Magdeburg zurücklehnten und schwiegen.

Inhaltliche Diskussionen, etwa über die Frage nach einem Austritt Deutschlands aus der EU oder zum Verhältnis der Partei zur Nato, konnten die Stimmung nicht trüben. Sie fanden nicht statt. Die Stimmung in der AfD ist so gut wie lange nicht. Umfragehoch reiht sich an Umfragehoch – trotz oder wegen programmatischer und personeller Radikalität. So gibt es eine doppelte Problemlage. Was macht die AfD mit der potenziellen Macht? Und wie gehen die anderen Parteien und der Staat mit ihr um?

Die Machtoptionen der AfD sind begrenzt. Nur als Teil einer Koalition kann sie in Regierungsverantwortung kommen. Wie das angesichts der zunehmenden Radikalisierung möglich sein soll, ist ungeklärt.

Die Partei hat sich in eine splendid isolation manövriert. Sie gefällt sich ganz gut in der Rolle als radikale Außenseiterin. Aber sie wird damit auch ihre jetzigen Unterstützer enttäuschen. Umso mehr sie von der Macht spricht, umso mehr wird sie entweder weiter randständig bleiben oder sie muss sich wie ein Teil ihrer europäischen Schwesterparteien anpassen.

Wolfgang Schroeder

ist Professor für Politik­wissenschaften an der ­Universität Kassel. 2022 erschien von ihm „Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechts­populismus in Deutschland“ bei Campus. 2017 erschien von ihm die Studie „Die Arbeit der AfD in den ­Landtagen“.

Wer ist die AfD? Trotz der Dominanz des rechtsextremen Flügels gibt es auch die anderen. Die eine konservative Partei rechts von der Union wollen, die die anderen Parteien abgeschrieben haben, die Unzufriedenen etc. Aktuell arrangieren sie sich mit der Dominanz der Radikalen und ordnen sich unter. Im Weggehen sehen sie keine Alternative. Weil niemand auf die wartet. Wenn sie Mandat und Einfluss behalten wollen, dann geht dies nur mit der AfD. Außerhalb dieser Partei gibt es für sie keinen beruflichen und politischen Erfolg.

Für die demokratischen Parteien zeigen sich vier mögliche Strategien des Umgangs mit der AfD. Die radikalste ist die der Ausgrenzung. Die Forderungen nach einem Verbot der AfD werden lauter. Doch dieser Weg ist riskant, die Hürden für ein Parteiverbot in Deutschland sind – berechtigterweise – hoch.

Es ist daher fraglich, ob sich Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung trauen werden, einen Verbotsantrag zu stellen. Angesichts der Stärke der AfD, gerade in Ostdeutschland, wäre das ein riskantes Unterfangen.

Zweitens gibt es die Möglichkeit des Umarmens und der Kooperation. Durch die Übernahme von Teilen der Programmatik der AfD, insbesondere im Feld der Migrationspolitik, sollen AfD-Wähler zurückgewonnen und die Partei so geschwächt werden. Dieser Weg ist riskant. Denn er birgt die Gefahr, dass eine partielle Übernahme von AfD-Positionen diese im Diskurs aufwertet und so im Gegenteil die Partei eher stärkt als schwächt.

Drittens ist denkbar, nur punktuell mit der AfD zu kooperieren und in einzelnen Sachfragen Anträgen der Partei zuzustimmen oder bei konkreten Fragen zusammenzuarbeiten. Doch auch hier besteht die Gefahr einer Normalisierung der Partei.

Die vierte Strategie besteht im „Abgrenzen, ohne auszugrenzen“. Das heißt anzuerkennen, dass die Mandatsträger der AfD demokratisch gewählt sind. Deshalb können sie nicht aus dem Diskurs ausgegrenzt werden, deshalb kommt ein Parteiverbot nicht infrage. Doch angesichts der demokratiefeindlichen Positionen der AfD scheidet auch eine Kooperation klar aus.

Aktuell entsteht durch die irrlichternden Einlassungen des CDU-Vorsitzenden Merz der Eindruck, eine Kooperation mit der AfD sei auf kommunaler AfD zumindest in einzelnen Fragen unproblematisch. Es stimmt, dass es in Kommunalparlamenten oft um Sachfragen wie den Unterhalt von Straßen, den Bau von Feuerwehrhäusern oder die Sanierung von Schulen und Turnhallen geht.

Doch daraus sollte man nicht ableiten, die kommunale Ebene wäre weniger bedeutend und eine Kooperation mit der AfD dort kein Problem. Die Kommunen sind Schulen der Demokratie, 200.000 Man­dats­trä­ge­r:in­nen sind hier aktiv. Die Machtübernahme der Nazis startete übrigens nicht im Reichstag, sondern in den Thüringer Kommunalparlamenten. Eine konkrete Abgrenzung von der AfD muss also in den Kommunalparlamenten starten, sonst wird sie nicht funktionieren. Und das ist nicht leicht, weil sich die handelnden Personen lange kennen und sich teilweise vertrauen.

Zugleich erleben sie die Interventionen ihrer Parteien als „wirklichkeitsfremd“. Weil das so ist, bedarf es intensiver Debatten, die nicht leicht sind und auch nicht immer das erwünschte Ergebnis haben. Auch deshalb, weil vielfach nicht der extremistisch völkische Kern gesehen wird, sondern der Protest und das nachvollziehbare Unbehagen. Wird die AfD in den Kommunalparlamenten als normal betrachtet, spricht auch nichts mehr dagegen, sie auf Landes- und Bundesebene zu wählen.

Unsere Geschichte mahnt uns zu besonderer Verantwortung, den Aufstieg der AfD auf allen Ebenen zu verhindern. Andererseits macht man es sich zu leicht, eine Partei, die von bis zu 20 Prozent der Bür­ge­r:in­nen gewählt wird, einfach nur als rechtsextrem zu sehen und zu verbieten.

Der richtige Umgang besteht daher im oben beschriebenen „Abgrenzen, ohne auszugrenzen“: klare Position gegen die AfD beziehen, keine Kooperation mit ihr, aber kein völliger Ausschluss aus dem Diskurs. Wenn die Partei Anträge stellt, die sinnvoll erscheinen und denen von den demokratischen Parteien auch zugestimmt werden kann, dann sollten diese einen eigenen Antrag mit eigener Begründung formulieren.

Das ist das Gebot der wehrhaften Demokratie. So bleibt eine sachorientierte Politik auf kommunaler Ebene möglich, ohne dass die AfD legitimiert und normalisiert wird.

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5 Kommentare

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  • Schade. Ich hatte mir vom Herrn Professor zumindest irgendeinen neuen Gedanken zu dem Thema erhofft.

    Sein Fazit ist vielleicht wirklich das kleinste Übel, aber es birgt auch eine Gefahr. So wie ich es verstanden habe, schlägt er vor, im Falle eines unterstützenswerten Antrags der AfD diesen abzulehnen um ihn dann später selbst wieder ein- und, mit Unterstützung aller anderen Parteien, durchzubringen. Das wird jeden AfD-Sympatisanten in seiner Meinung bestätigen, dass es dringend die absolute Mehrheit braucht um diesen sinnlosen Scheindemokratiezirkus zu beenden. Und manch anderer wird dazu sagen "Kindergarten!", die Demokratie ebenfalls weniger respektieren und ggf. nicht mehr wählen gehen.

  • Prinzipiell ja. Das eine oder andere finde ich aber naiv:

    "Durch die Übernahme von Teilen der Programmatik der AfD, insbesondere im Feld der Migrationspolitik, sollen AfD-Wähler zurückgewonnen und die Partei so geschwächt werden. Dieser Weg ist riskant. Denn er birgt die Gefahr, dass eine partielle Übernahme von AfD-Positionen diese im Diskurs aufwertet und so im Gegenteil die Partei eher stärkt als schwächt."

    - dieser Prozess ist doch mittlerweile voll im Gang: dass Wohnheime für Geflüchtete wieder brennen liegt mitunter daran!

    "Aktuell entsteht durch die irrlichternden Einlassungen des CDU-Vorsitzenden Merz der Eindruck ..."

    - ich halte das nichr für ein Versehen, sondern für Strategie: der Hauptgegner sind ja die Grünen, da kann man sich doch mal der Abrissbirne AfD bedienen -- collateral damages be damned.

  • Was dann. fragt der Autor.



    Eine andere Politik wäre die Lösung.



    Solange viele der Rentner und Rentnerinnen die Früchte ihrer Arbeit im Abfall suchen müssen, solange es für sehr viele Menschen keinen ausreichenden Lohn gibt, keine bezahlbaren Wohnraum und, und,und, solange wächst die Unzufriedenheit und Wut.



    Es wäre relativ leicht, die Farbe braun zu übermalen.



    Ich bin sehr besorgt über diese Entwicklung Richtung AfD.



    Die Leute wollen nur weg von den bisherigen Parteien. Sie würden auch ein Kaninchen wählen.



    Das Programm der Nazis kennen die wenigsten.



    Denn jetzigen politisch Verantwortlichen fehlt jegliches Gespür. Wandern im Westerwald und radeln im Osten. Ich könnte schreien. Kann das Universum ihnen nicht mal einen kräftigen Tritt ins Hinterteil geben. Bitte schnell!

  • "Wenn die AfD Anträge stellt, die sinnvoll erscheinen und denen von den demokratischen Parteien auch zugestimmt werden kann, dann sollten diese einen eigenen Antrag mit eigener Begründung formulieren."



    Klingt sinnvoll. Was ist, wenn es nur eine logische Begründung gibt, die die AfD schon in ihrem Antrag formuliert hat? Bei Kommunalthemen wie Schwimmbadsanierung oder Errichtung eines Zebrastreifens wäre das durchaus realistisch? Dann trotz der selben Position dagegen stimmen?

  • Ich glaube, die AfD ist schon sehr deutlich auf dem Misthaufen der großen Koalitionen von SPD und CDU/CSU gewachsen. Ohne große Not wurden mehrfach Regierungen gebildet, die demokratisch nich sinnvoll waren, weil der Bundestag immer zu 60 bis 80 Prozent aus Abgeordneten der Regierung bestand.

    Das wäre m.M. Puntk 1 Nieder wieder Große Koalition Punkt 2 wäre inhaltlicher dicke Bretter bohren, wenn Steuern nicht effektiv in der gesamten Bevölkerung erhoben werden, wenn viele Aufgaben nur durch die Einkommenssteuer in der Mitte der Bevölkerung generiert werden, sorgt das für viel Frust. Zu Punkt 2 daher Punkt 3 deutlich besser für gerechtere Verhältnisse sorgen, alleine der soziale Wohnungsbau ist ein einzigartiges Versagen, es kommt nicht, was gebraucht wird und selbst wenn das bekannt wird, passiert immer noch sehr sehr wenig.

    Man könnte sagen: Regierungen neigen dazu Mini-Dinge aufzublasen. Alleine in der Sozialpolitik gibt es kaum nennenswerte Fortschritte. Beispiel 2022 ging die Inflation los, sie ging hoch, hoch, die Bezieher von SGB II-Leistungen bekamen zum 1.01.2023 eine Erhöhung, unterhalbt der Steigerungen des Vorjahres.

    Noch ein Beispiel die öffentlichen Arbeitgeber haben dem Öffentlichen Dienst das Gehalt gekürzt, darauf sind sie sogar stolz, Folge: Viele Behörden, Unternehmen und staatl. Organisationen können die Stellen nicht mehr besetzen, vieles bleibt einfach liegen.

    Die AfD gewinnt auch, weil die Regierungen sehr wenig stringend und effektiv arbeiten. Es fällt der AfD ziemlich leicht, ihren Inhaltsmüll zu radiieren, weil die Regierung nicht glänzt. Dieses Sich-Durchwurseln-mit-Mittelmäßigkeit kostet Vertrauen, das soll es ja auch. Viele Parteien stellen auswechselbare, regelrechte glattgebügelte Wische-Waschi-Kandidaten auf. Innerparteiliche Diskussionen sinken stark, gerade bei SPD, CDU und CSU gibt es eine sonderbare Harmonie intern. Neues kommt so kaum in die Diskussion und viele Mandatsträger freuen sich über den Stillstand, die AfD auch.