Umgang mit der AfD: Abgrenzen ohne auszugrenzen

Die demokratischen Parteien finden kein Mittel gegen Höcke & Co.. Die AfD zu integrieren, ist angesichts deren Extremismus zu riskant. Was dann?

Ein Delegierter der AFD- Europawahlversammlung trägt ein T-shirt mit der Reiterfigur vom Wappen des Bördekreises mit AFD-Schriftzug

AfD-Mitglieder sehen sich im Aufwind, wie dieser Delegierter in Magdeburg am 30.07.2023 Foto: Sebastian Willnow/dpa

Auf ihrem Bundesparteitag in Magdeburg machten fast alle relevanten Medien der AfD den Hof. Höcke, der ungekrönte Führer der Partei, war der Magdeburger Medienliebling. Wo er ist, sind die Kameras und Mikrofone. Wenn schon eine AfD-Stimme einfangen, dann bitte eine radikale. Zumal die sogenannten Gemäßigten sich in Magdeburg zurücklehnten und schwiegen.

Inhaltliche Diskussionen, etwa über die Frage nach einem Austritt Deutschlands aus der EU oder zum Verhältnis der Partei zur Nato, konnten die Stimmung nicht trüben. Sie fanden nicht statt. Die Stimmung in der AfD ist so gut wie lange nicht. Umfragehoch reiht sich an Umfragehoch – trotz oder wegen programmatischer und personeller Radikalität. So gibt es eine doppelte Problemlage. Was macht die AfD mit der potenziellen Macht? Und wie gehen die anderen Parteien und der Staat mit ihr um?

Die Machtoptionen der AfD sind begrenzt. Nur als Teil einer Koalition kann sie in Regierungsverantwortung kommen. Wie das angesichts der zunehmenden Radikalisierung möglich sein soll, ist ungeklärt.

Die Partei hat sich in eine splendid isolation manövriert. Sie gefällt sich ganz gut in der Rolle als radikale Außenseiterin. Aber sie wird damit auch ihre jetzigen Unterstützer enttäuschen. Umso mehr sie von der Macht spricht, umso mehr wird sie entweder weiter randständig bleiben oder sie muss sich wie ein Teil ihrer europäischen Schwesterparteien anpassen.

Wer ist die AfD? Trotz der Dominanz des rechtsextremen Flügels gibt es auch die anderen. Die eine konservative Partei rechts von der Union wollen, die die anderen Parteien abgeschrieben haben, die Unzufriedenen etc. Aktuell arrangieren sie sich mit der Dominanz der Radikalen und ordnen sich unter. Im Weggehen sehen sie keine Alternative. Weil niemand auf die wartet. Wenn sie Mandat und Einfluss behalten wollen, dann geht dies nur mit der AfD. Außerhalb dieser Partei gibt es für sie keinen beruflichen und politischen Erfolg.

Für die demokratischen Parteien zeigen sich vier mögliche Strategien des Umgangs mit der AfD. Die radikalste ist die der Ausgrenzung. Die Forderungen nach einem Verbot der AfD werden lauter. Doch dieser Weg ist riskant, die Hürden für ein Parteiverbot in Deutschland sind – berechtigterweise – hoch.

Es ist daher fraglich, ob sich Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung trauen werden, einen Verbotsantrag zu stellen. Angesichts der Stärke der AfD, gerade in Ostdeutschland, wäre das ein riskantes Unterfangen.

Zweitens gibt es die Möglichkeit des Umarmens und der Kooperation. Durch die Übernahme von Teilen der Programmatik der AfD, insbesondere im Feld der Migrationspolitik, sollen AfD-Wähler zurückgewonnen und die Partei so geschwächt werden. Dieser Weg ist riskant. Denn er birgt die Gefahr, dass eine partielle Übernahme von AfD-Positionen diese im Diskurs aufwertet und so im Gegenteil die Partei eher stärkt als schwächt.

Drittens ist denkbar, nur punktuell mit der AfD zu kooperieren und in einzelnen Sachfragen Anträgen der Partei zuzustimmen oder bei konkreten Fragen zusammenzuarbeiten. Doch auch hier besteht die Gefahr einer Normalisierung der Partei.

Die vierte Strategie besteht im „Abgrenzen, ohne auszugrenzen“. Das heißt anzuerkennen, dass die Mandatsträger der AfD demokratisch gewählt sind. Deshalb können sie nicht aus dem Diskurs ausgegrenzt werden, deshalb kommt ein Parteiverbot nicht infrage. Doch angesichts der demokratiefeindlichen Positionen der AfD scheidet auch eine Kooperation klar aus.

Aktuell entsteht durch die irrlichternden Einlassungen des CDU-Vorsitzenden Merz der Eindruck, eine Kooperation mit der AfD sei auf kommunaler AfD zumindest in einzelnen Fragen unproblematisch. Es stimmt, dass es in Kommunalparlamenten oft um Sachfragen wie den Unterhalt von Straßen, den Bau von Feuerwehrhäusern oder die Sanierung von Schulen und Turnhallen geht.

Doch daraus sollte man nicht ableiten, die kommunale Ebene wäre weniger bedeutend und eine Kooperation mit der AfD dort kein Problem. Die Kommunen sind Schulen der Demokratie, 200.000 Man­dats­trä­ge­r:in­nen sind hier aktiv. Die Machtübernahme der Nazis startete übrigens nicht im Reichstag, sondern in den Thüringer Kommunalparlamenten. Eine konkrete Abgrenzung von der AfD muss also in den Kommunalparlamenten starten, sonst wird sie nicht funktionieren. Und das ist nicht leicht, weil sich die handelnden Personen lange kennen und sich teilweise vertrauen.

Zugleich erleben sie die Interventionen ihrer Parteien als „wirklichkeitsfremd“. Weil das so ist, bedarf es intensiver Debatten, die nicht leicht sind und auch nicht immer das erwünschte Ergebnis haben. Auch deshalb, weil vielfach nicht der extremistisch völkische Kern gesehen wird, sondern der Protest und das nachvollziehbare Unbehagen. Wird die AfD in den Kommunalparlamenten als normal betrachtet, spricht auch nichts mehr dagegen, sie auf Landes- und Bundesebene zu wählen.

Unsere Geschichte mahnt uns zu besonderer Verantwortung, den Aufstieg der AfD auf allen Ebenen zu verhindern. Andererseits macht man es sich zu leicht, eine Partei, die von bis zu 20 Prozent der Bür­ge­r:in­nen gewählt wird, einfach nur als rechtsextrem zu sehen und zu verbieten.

Der richtige Umgang besteht daher im oben beschriebenen „Abgrenzen, ohne auszugrenzen“: klare Position gegen die AfD beziehen, keine Kooperation mit ihr, aber kein völliger Ausschluss aus dem Diskurs. Wenn die Partei Anträge stellt, die sinnvoll erscheinen und denen von den demokratischen Parteien auch zugestimmt werden kann, dann sollten diese einen eigenen Antrag mit eigener Begründung formulieren.

Das ist das Gebot der wehrhaften Demokratie. So bleibt eine sachorientierte Politik auf kommunaler Ebene möglich, ohne dass die AfD legitimiert und normalisiert wird.

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ist Professor für Politik­wissenschaften an der ­Universität Kassel. 2022 erschien von ihm „Einfallstor für rechts? Zivilgesellschaft und Rechts­populismus in Deutschland“ bei Campus. 2017 erschien von ihm die Studie „Die Arbeit der AfD in den ­Landtagen“.

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